Pro & Kontra Sollte es verbindliche Regeln zum Gendern geben?

Gendern ist ein Thema, das gesellschaftlich polarisiert wie kaum ein zweites. Die einen legen großen Wert darauf, die anderen wollen es auf gar keinen Fall. Müssen verbindliche Regeln zum Gendern vorgegeben werden?

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Zum Thema Gendern gibt es unterschiedliche Ansichten. © Bernd Weißbrod/dpa

Pro-Stimme »Wir passen die Sprache an die Welt an, in der wir leben«

Werden Frauen in der deutschen Sprache tatsächlich mitgedacht, wenn das generische Maskulinum verwendet wird? In der Linguistik ist diese Frage längst beantwortet. Kleines Beispiel: Kaum jemand kennt Jesus´ Jüngerinnen. Obwohl unter den Menschen, die vor 2000 Jahren Jesus von Nazareth folgten, genauso viele Frauen wie Männer waren, da die Jüngerinnen und Jünger im Normalfall als Ehepaare unterwegs waren. Die patriarchale sprachliche Struktur hat die Jüngerinnen ausradiert.

Weil Menschen Sprachwandel grundsätzlich als negativ empfinden, wird die Gender-Debatte hitzig geführt. Bei der Debatte geht es aber eben auch um kulturelle Dominanz und Macht. Gendern ist auch ein politisches Statement, mit dem man polarisieren kann. Das haben die Freien Wähler getan, indem sie unangenehm populistisch ein Genderverbot in der Stadtverwaltung fordern. Die Debatte um eine inkludierende Sprache ist zu wichtig, als dass Parteien sie für ihre Zwecke instrumentalisieren sollten.

Wir passen die Sprache an die Welt an, in der wir leben. Das muss nicht mit Gender-Stern oder Gender-Gap stattfinden. Wenn wir aber nicht wollen, dass unsere Nachfahren im Jahr 4000 glauben, dass es keine Gemeinderätinnen oder Ärztinnen gegeben hat, müssen wir den Wandel in gewissem Maße zulassen.

Freie Autorin

Kontra-Stimme »Wer nicht gendert, macht sich nicht gleich der Diskriminierung schuldig«

In Leipzig verwendete kürzlich eine Jura-Studentin in einer Probeklausur fürs Examen Gender-Sternchen. Der Korrektor strich die Stelle an und schrieb daneben: „§ 184 GVG.“ Dort heißt es im Gerichtsverfassungsgesetz schlicht: „Die Gerichtssprache ist deutsch.“

Das kann man recht lustig finden. Einige Menschen dürften sich darüber aber sehr ärgern. Im Kampf für sprachliche Gleichberechtigung und gegen Diskriminierung nehmen sie bereitwillig in Kauf, dass die Lesbarkeit ihrer Texte stark leidet. An sich ist das ja ein ehrenwertes Motiv, das man möglichst respektieren sollte.

Doch schwingt da schon der erhobene Zeigefinger mit. Und es ist immer schwierig, das eigene Verhalten zum verbindlichen Maßstab erklären zu wollen. Wer nicht gendert, macht sich nicht gleich der Diskriminierung schuldig. Er legt vielleicht nur größeren Wert auf ungestörten Lesefluss.

Interessant, wie ausgerechnet viele Linke und Grüne, einst mit Wurzeln in der Anarcho-Bewegung, gleichförmiges Gendern einfordern. Ähnlich übertrieben ist indes der Furor, mit dem Konservative und vor allem Rechtspopulisten auf Verbote pochen.

Wenn manche etwas unbedingt wollen und andere auf keinen Fall, muss man nicht Henry Kissinger heißen, um eine Lösung zu sehen: Jeder soll es mit dem Gendern halten, wie er möchte.

Redaktion Steffen Mack schreibt als Reporter über Mannheimer Themen