Rhein-Neckar. Immer häufiger ist in den Berichten der Polizei von Beleidigungen und tätlichen Angriffen auf Beamte zu lesen. Ist das nur ein subjektiver Eindruck oder ist die Gewaltbereitschaft gegenüber der Polizei und der gesamten Blaulichtfamilie tatsächlich angestiegen? Wie Celina-Marie Petersen vom Polizeipräsidium Mannheim auf Anfrage mitteilt, lasse sich eine pauschale Antwort darauf nur schwer zu geben. Es lasse sich aber durchaus eine „gesamtgesellschaftliche Problemstellung erkennen“, die nicht nur die Polizei, sondern auch Feuerwehr- und Rettungsdienste betreffe. Deutlicher wird ihre Kollegin Iris Portzehl vom Polizeipräsidium Rheinpfalz in Ludwigshafen: „Unabhängig von den statistischen Daten ist eine zunehmende Respektlosigkeit und Aggressivität gegenüber Kräften von Polizei oder Feuerwehr und Rettungsdiensten feststellbar. Darin spiegelt sich leider ein bundesweiter Trend wider.“
Gefährlich wird es meist bei besonderen Anlässen
Laut Petersen ist in den letzten Jahren vor allem in größeren Gruppen oder bei besonderen Anlässen – wie etwa an Silvester – eine spürbare Absenkung der Hemmschwelle gegenüber polizeilichen Maßnahmen oder sogar der bloßen Anwesenheit der Polizei zu beobachten. „In vielen Fällen scheint die Polizei als sichtbare Repräsentanz des Staates als Ventil für eine allgemeine Ablehnung gegenüber staatlichen Institutionen zu dienen. Anders verhält es sich im alltäglichen Umgang, wo der Großteil der Bevölkerung der Polizei mit respektvollem Verhalten begegnet“, so die Polizeisprecherin aus Mannheim.
Ein Blick in die polizeiliche Kriminalstatistik 2024 zeigt im Bereich des Mannheimer Präsidiums einen Anstieg der Gewaltdelikte gegen Polizisten um 5,7 Prozent und weist 20 Körperverletzungsdelikte gegen Beamte auf (neun davon gefährlich oder schwer). Im Bereich des Präsidiums Südhessen wurden 2024 laut Statistik insgesamt 361 Polizeibeamte Opfer einer Straftat - 152 weniger als in den beiden Vorjahren. Jedoch registrieren die Südhessen auch dort einen Negativtrend bei den Angriffen auf andere Mitglieder der Blaulichtfamilie.
Die Strafen
- Für Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte sieht das Strafgesetzbuch (StGB) eine Geldstrafe oder eine Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren vor (§113). In besonders schweren Fällen kann eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren verhängt werden.
- Tätlicher Angriff auf Vollstreckungsbeamte (§114 StGB) wird mit einer Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren geahndet.
- Die Beleidigung (§185), ganz gleich, wer beleidigt wird, wird mit einer Geldstrafe oder einer Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr bestraft.
- Wenn die Beleidigung öffentlich , in einer Versammlung, durch Verbreiten eines Inhalts (§ 11 Absatz 3) oder mittels einer Tätlichkeit begangen wird, sieht das Strafmaß eine Geldstrafe oder eine Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren vor.
Demnach haben sich die Opferzahlen von Rettungskräften und Feuerwehr im vergangenen Jahr mehr als verdoppelt und liegen mit 32 Opfern auf dem höchsten Stand im Langzeitvergleich. Für das Ludwigshafener Präsidium weist die Statistik für 2024 zwar einen Rückgang der Gewaltdelikte gegen Polizisten um 20 Fälle auf, dafür aber ein Plus von elf bei verletzten polizeilichen Einsatzkräften. Sind die tätlichen Angriffe also insgesamt „brutaler“ geworden, beziehungsweise die Hemmschwelle für solche Taten gesunken?
In etwa der Hälfte der Fälle spielt Alkohol eine Rolle
„Wird die aktuelle Entwicklung in Relation zu den Vorjahren gesetzt, zeigt sich aus unserer Sicht vor allem eine quantitative Zunahme tätlicher Angriffe“, erklärt Petersen. Ergänzend sei festzustellen, dass ein Großteil der Täterinnen und Täter bei tätlichen Angriffen gegen Polizeibeamte unter Alkoholeinfluss stehe. „Diese Tatsache spielt bei der Enthemmung und Gewaltbereitschaft erfahrungsgemäß eine erhebliche Rolle.“
Dies deckt sich mit den Erkenntnissen der Kollegen in Ludwigshafen. „Generell führt der Einfluss von Alkohol oder Betäubungsmitteln bei vielen Menschen zu einer Enthemmtheit, welche auch mit einem gesteigerten Aggressionspotential einhergehen kann. Betrachtet man die Fallzahlen der letzten fünf Jahre, kann man festhalten, dass die Täter in rund der Hälfte der Fälle alkoholisiert waren“, teilt Portzehl mit. Auch dies deckt sich mit den Zahlen aus dem Mannheimer Präsidium. In deren Bereich standen etwas mehr als 51 Prozent der Tatverdächtigen im Jahr 2024 bei den Taten unter Alkoholeinfluss. Damit lag die Zahl leicht über dem Vorjahreswert von 50,6 Prozent. Ob auch andere Drogen hierbei eine Rolle spielen, lasse sich nicht beurteilen, denn „eine Analyse der unter Drogeneinfluss verübten Taten findet im Rahmen der statistischen Erfassung nicht statt“.
Kampagnen für Respekt gegenüber Polizei und Rettungskräften
Aber wie kann man potenzielle Täter abschrecken und den Respekt gegenüber den Ordnungshütern wieder steigern? Durch Information und Aufklärung, glaubt die Polizei. So veröffentlicht das Präsidium Rheinpfalz regelmäßig Informationen zu Widerständen gegen Polizeikräfte in seinen Pressemitteilungen. „Diese Transparenz ist insbesondere dann von Bedeutung, wenn Einsatzmaßnahmen mit hoher öffentlicher Aufmerksamkeit einhergehen. Ziel ist es, die Bevölkerung für das professionelle und entschlossene Vorgehen der Polizeikräfte zu sensibilisieren – auch und gerade in stark belastenden sowie potenziell gefährlichen Einsatzsituationen“, so Portzehl.
Um junge Menschen für mehr Respekt gegenüber Polizeikräften zu sensibilisieren, hat die Polizei auch verschiedene Kampagnen gestartet. In Baden-Württemberg wurde beispielsweise im Jahr 2021 das Präventionsprogramm „Respekt ist ein Bumerang“ entwickelt. Ziel dieses Programms ist, bei jungen Menschen eine kooperative Grundhaltung gegenüber der Polizei sowie einen respektvollen Umgang miteinander zu fördern.
In Rheinland-Pfalz gibt es seit 2019 die Aktionstage „Respekt. Bitte!“ bei denen im Rahmen der Kampagne des Landes „Miteinander Gut Leben – Rheinland-Pfalz gegen Hass und Hetze“ ein Zeichen der Solidarität mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Öffentlichen Dienst gesetzt werden soll. Das Land unterstütze darüber hinaus unter anderem Initiativen wie „Helfer sind tabu!“ oder „Helfende Hände schlägt man nicht“ und hat die Kampagne „#IMMERDA“ initiiert.
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[4] https://www.polizei.rlp.de/fileadmin/polizei.rlp.de/Service/Dokumente/Statistiken/PKS_RP/PP_RP_Jahresbericht_PKS_2024.pdf
[5] https://www.mannheimer-morgen.dehttps://www.praeventionstag.de/nano.cms/vortraege/id/6008#:~:text=Die%20Gewalt%20gegen%20Polizeibeamtinnen%20und,Gewalthandlungen%20sind%20vielschichtig%20und%20komplex.
[6] https://www.rlp.de/themen/respekt-bitte/rrt-speyer-ak-gegen-gewalt-gegen-frauen
[7] https://www.rlp.de/themen/gegen-hass-und-hetze
[8] https://www.helfersindtabu.de/
[9] https://www.ukrlp.de/feuerwehren-gewaltpraeventionstraining-fuer-einsatzkraefte
[10] https://rlp-tag.de/programm-2025/themenfelder-auf-dem-rlp-tag/zusammen-sind-wir-immerda