Rhein-Neckar. Zehntausende Menschen sind am Freitag und am Samstag im Südwesten für Demokratie und gegen rechts auf die Straße gegangen. In Ludwigshafen kamen laut Polizei rund 2.200 Menschen zu einer Kundgebung auf dem Berliner Platz zusammen. Die Veranstalter sprechen von 3000 Teilnehmern.
In Ladenburg, so berichten Teilnehmer, sind am Samstagnachmittag deutliche mehr Menschen als erwartet in die Innenstadt gekommen. Der Marktplatz sei sehr voll gewesen. Die Demo begann um 15 Uhr am „Ort der Menschenrechte“ und bewegte sich von dort zum Marktplatz, wie die zentrale Kundgebung abgehalten wurde. Laut Polizei kamen rund 1.300 Menschen.
Motto in Ladenburg: "Für Demokratie und gegen Ausgrenzung"
Organisiert wurde der Protest unter dem Motto „Für Demokratie und gegen Ausgrenzung“ von einem Bündnis aus Gruppen, Vereinen, Religionsgemeinschaften und Parteien. „Das ist unglaublich toll“, sagte Jürgen Frank (Grünen-Ortsverband) als Versammlungsleiter. Der Zug mit Tröten und Glocken durch die Hauptstraße und die rund einstündige Kundgebung mit Musik auf dem Marktplatz unter dem Motto „Nie wieder ist jetzt“ verliefen friedlich.
„Die geflüchteten Ladenburger*innen gehören zu uns und bleiben hier!“, war beispielsweise auf einem der Plakate zu lesen, mit denen Mitglieder des Integrationshilfevereins Ladenburg Int.Akt teilnahmen. Diese Aussage bezog sich auf den Anlass der vielen Proteste bereits in den vergangenen Wochen: Durch Recherchen des für investigativen Journalismus stehenden Medienunterunternehmens Correktiv waren Überlegungen rechtsextremer Kreise zu massenhafter Deportation von Menschen mit Migrationshintergrund bekannt geworden.
Zusammenleben ist eigentlich nicht schwer, wenn man die Brille der Menschlichkeit aufsetzt und nie wieder absetzt
„In Ladenburg gibt es keinen Platz für solchen Rassismus“, sagte Bürgermeister Stefan Schmutz als erster Redner auf dem proppenvollen Marktplatz unter Beifall. In der Stadt lebten Menschen aus 94 Nationen friedlich zusammen. „Wir stehen fest an der Seite von ihnen allen, ganz gleich welcher Herkunft – und wir sind die Mehrheit, die nicht zulässt, dass das Rad der Geschichte zurückgedreht werden soll“, betonte Schmutz unter großem Applaus.
Die Pädagogin und Bestsellerautorin Florence Brokowski-Shekete, Schulamtsdirektorin in Mannheim, erklärte: „Zusammenleben ist eigentlich nicht schwer, wenn man die Brille der Menschlichkeit aufsetzt und nie wieder absetzt.“ Sie wolle nicht, „dass irgendwelche Menschen für mich entscheiden, wo ich leben soll“. Mehr als 1,1 Millionen Schwarze in Deutschland fühlten sich hier zuhause. „Kein Mensch sollte das Gefühl bekommen, nicht willkommen zu sein, solange er sich einfügt“, so Brokowski-Shekete.
Schon am Freitag gab es große Kundgebungen in Hockenheim und Speyer. Eine zentrale Veranstaltung. In Baden-Württemberg war wohl am Samstagmittag in Freiburg. Rund 20 000 Menschen haben sich nach Polizeiangaben am Samstag in Freiburg versammelt, um gegen Rechtsextremismus zu protestieren. Zur größten Veranstaltung im Land hatten mehr als 300 Organisationen, darunter der Fußball-Bundesligist SC Freiburg, Gewerkschaften und Kirchen aufgerufen.
Auch Landwirte bei Protesten dabei
Nach einer Kundgebung auf dem Platz der Alten Synagoge setzte sich der Demonstrationszug durch die Freiburger Innenstadt in Bewegung. Die Stadtverwaltung rechnete mit größeren Verkehrsbehinderungen. Ähnliche Proteste wurden auch anderenorts angemeldet - so in Lahr, Lörrach, Wiesloch und Aalen.
Zu den Demos brachten die Teilnehmer etwa Transparente mit Aufschriften wie "Menschenrechte statt Recht"» und "Deutschland bleibt bunt" mit. Auch Bauern mit Traktoren beteiligten sich an der Aktion.
Nach den großen Demonstrationen gegen Rechtsextremismus an den beiden vergangenen Wochenenden in Mannheim und Heidelberg haben sich an diesem Samstag auch in Ludwigshafen zahlreiche Menschen versammelt. Wie die Polizei auf Anfrage der Redaktion mitteilte, nahmen ab 14 Uhr etwa 2.2000 Personen an der Kundgebung auf dem Berliner Platz teil.
4500 Menschen zeigen in Speyer Flagge
In Speyer hatte am Freitag ein Bündnis für Demokratie und Zivilcourage mit Unterstützung der Kirchen, des Gewerkschaftsbundes und der etablierten Parteien zur Demo aufgerufen. Rund 4500 Menschen zeigten dort Flagge gegen Rechtsextremismus und Rassismus.
Rund 600 Teilnehmer setzen vor der Zehntscheune in Hockenheim friedlich ein Zeichen für Vielfalt und Toleranz. Dem Aufruf des Bündnisses aus Parteien, Kirchen und öffentlichen Organisationen zeigten auch viele Menschen aus den umliegenden Gemeinden bei der friedlichen Zusammenkunft unter dem Motto „Hockenheim bleibt bunt. Gemeinsam sind wir stark“, dass sie sich gegen Rassismus und Extremismus aussprechen.
Malu Dreyer spricht in Mainz
Etwa 10 000 Menschen haben laut Polizei am Samstag auch in Mainz gegen rechts demonstriert. Unter dem Motto „Demokratie schützen - Rechtsextreme stoppen“ versammelten sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer am Samstag auf einem Platz in der Nähe des Landtags in der Landeshauptstadt.
Potsdam habe Millionen von Menschen in Deutschland die Augen geöffnet, sagte die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer auf der Bühne. „Was viele schon wussten, lag plötzlich ganz offen auf dem Tisch: Rechtsextreme, die neue Rechte, sie wollen eine andere Gesellschaft. Sie sind völkisch, sie sind antisemitisch, sie sind autoritär, sie sind europafeindlich, sie wollen ein Land der Ausgrenzung, der Autorität, der Spaltung, der Diskriminierung“, sagte die SPD-Politikerin. „Und es ist so klar wie niemals zuvor, dass dieses Deutschland und dieses Rheinland-Pfalz nicht das ist, was wir wollen und was wir gemeinsam Tag für Tag hier leben.“
Correctiv-Recherchen über die AfD
Der Mainzer Bischof Peter Kohlgraf sprach ebenfalls auf der Demonstration. „Es kann nicht sein, dass Geflüchtete den Preis zahlen für Unfähigkeit der Politik, in Europa Lösungen zu finden“, sagte er. Der Umgang mit Geflüchteten sei eine Frage der Würde.
Auslöser der Proteste war ein Bericht des Medienhauses Correctiv über ein Treffen radikaler Rechter am 25. November in Potsdam, an dem auch AfD-Politiker sowie einzelne Mitglieder der CDU und der sehr konservativen Werteunion teilgenommen hatten.
Der frühere Kopf der Identitären Bewegung in Österreich, Martin Sellner, bestätigte der Deutschen Presse-Agentur, dass er bei dem Treffen über „Remigration“ gesprochen hat. Wenn Rechtsextremisten diesen Begriff verwenden, meinen sie in der Regel, dass eine große Zahl von Menschen ausländischer Herkunft das Land verlassen soll - auch unter Zwang.
Laut Correctiv-Recherche nannte Sellner in Potsdam drei Zielgruppen: Asylbewerber, Ausländer mit Bleiberecht – und „nicht assimilierte Staatsbürger“. (mit dpa)
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