Spezialitäten - Metzger Christian Speeter produziert seit Titelgewinn in Frankreich quasi im Akkord

Wo Europas beste Weißwurst gebrüht wird

Von 
Tobias Törkott
Lesedauer: 
Europameister-Metzger Christian Speeter beim Befüllen des Kutters mit Petersilie und Schnittlauch. In dem Gerät wird das Brät kraftvoll durchgemengt. © Törkott

Hettenleidelheim. In der zehn Grad kalten Küche verteilt sich der Geruch der würzigen, abgebrühten Weißwürste rasend schnell. Ruhig schwimmen sie in einem riesigen Bottich umher und drängen allmählich an die Oberfläche. 20 Minuten müssen sie sieden. Dann sind die 15 Zentimeter langen Fleischprodukte von Metzgermeister Christian Speeter fertige Weißwürste. Seit Ende November darf sich der Mann offiziell Weißwurst-Europameister nennen. Im nordfranzösischen Alencon schnappte er sich den Titel – bereits der zweite für den Pfälzer.

„Schon mal eine richtig frische Weißwurst gegessen?“, fragt der gebürtige Hettenleidelheimer (Kreis Bad Dürkheim) und angelt sich eine Weiße aus dem heißen Wasser. Beherzt beißt er zu. „Die Weißwurst gehört zu den hochwertigsten Sorten“, schwärmt er und nennt seine Zutaten: Speck, Schweine- und Kalbfleisch. „Der Speck wird quasi wie Eischnee schaumig geschlagen“, merkt Speeter an. „Das macht die Wurst locker.“

Regionale Tierhaltung

Der Metzgermeister läuft rüber an den Kutter, eine Maschine, die Lebensmittel zerkleinert und vermengt. Das Brät, also die rohe Wurstmasse, ruht darin. „Mageres und Fettes wird getrennt und dann zusammengeführt – das ist quasi die Hochzeit“, erzählt Speeter. Behutsam lässt er Petersilie und Schnittlauch in die große, kreisförmige Maschine rieseln. Dazu kommen Zitronensaft und Gewürze. Welche genau? „Das wird nicht verraten“, sagt Speeter geheimnisvoll. Der Pfälzer möge es deftig. „Vielleicht hat das den Ausschlag gegeben“, versucht Speeter, der im oberbayrischen Nussdorf am Inn das Handwerk erlernt hatte, eine Erklärung zu finden.

Das Fleisch für die Würste erhält er von Bauern aus der Nähe. Geschlachtet wird vor Ort auf den Höfen. „Die Tiere sind das ganze Jahr auf der Weide“, betont Speeter. Die Haltung sei wichtig für die Qualität.

An einer anderen Maschine stülpt Mitarbeiter und Metzgermeister Gerhard Rahn Wurstpellen über eine Metallöffnung. Das Gerät befüllt diese automatisch im Akkord mit Brät. „Es ist nicht so, dass wir die Würste nicht auch mit der Hand portionieren könnten“, erklärt Rahn lachend: „Aber wir haben noch mehr zu tun“, setzt er auf den Faktor Geschwindigkeit.

Seit dem Titelgewinn geht es in der Wurstküche rund. „Wir produzieren jeden Tag 1000 Würste“, bilanziert er. Bei der EM setzte sich der gelernte Koch gegen 800 Bewerber durch. Seit diesem Zeitpunkt klingelt das Telefon im Minutentakt, die Bürotapete ist vor lauter Bestellungen kaum zu erkennen.

„Unsere Waren gibt es bei einem Online-Versandhändler zu kaufen. Außerdem sind wir in den sozialen Netzwerken vertreten“, erzählt der Hettenleidelheimer. Seine Söhne Max (18) und Moritz (19) hatten an den Neuerungen großen Anteil. Max sei aktuell als Koch in Österreich erfolgreich, Moritz studiere BWL. Beide sollen in den Betrieb einsteigen. Das „Wurst-Geheimnis“ habe er bereits weitergegeben, erklärt Speeter, der den Betrieb 1995 in dritter Generation übernommen hatte.

Asien-Urlaub storniert

„Wir fangen um 5 Uhr an“, erzählt er. Neben Weißwürsten müssen Saumagen, andere Pfälzer Spezialitäten, der klassische Betrieb und das Catering für Firmen und Privatkunden gestemmt werden. Dann könne es schon mal ein Uhr nachts werden.

Knapp zwei Wochen vor dem Erfolg in Frankreich stand der 50-Jährige ebenfalls auf dem Treppchen. Beim Saumagen-Wettbewerb im südpfälzischen Herxheim gewann Speeter in der Kategorie „Saumagenfüllung in besonderer Form“ mit einem Spanferkel, das mit dem Pfälzer Nationalgericht befüllt war. „Weißwürste mit Chili, Carpaccio oder auch eine frittierte Version“, zählt Speeter noch kuriosere Kreationen auf. Diese werden bei der „Weißwurst-Party“ in Hettenleidelheim am Mittwoch, 19. Dezember, aufgetischt. Freunde, Geschäftspartner, Politiker und Prominenz lädt er dazu in die Festhalle ein.

Trotz aller Euphorie wird Speeter manchmal ernster: Der Titel sei fast zur ungünstigsten Zeit gekommen. „Zwei Monate früher wäre auch gut gewesen“, sagt er und muss lachen. Der Urlaub sei bereits gebucht gewesen. „Wir wollten nach Asien. Ich will andere Elemente in die Küche mit einfließen lassen“, sagt Speeter.

Bald will er den Hauptbetrieb und die Filiale in Grünstadt zusammenführen. „Ein zentraler Platz, auch als Event-Haus – das wäre das Ziel“, sagt Speeter und weiß, worauf es ankommt: „Meine Frau hält mir den Rücken frei.“

Richtig "Zuzzeln"

  • Über die Art des Weißwurstgenusses gibt es unzählige Diskussionen:
  • Das „Zuzzeln“, also die Variante, bei der das Brät mit den Zähnen aus der Haut gezogen wird, gilt als die traditionellste Form.
  • Auch beim Genuss mit Messer und Gabel wird unterschieden: Die Wurst wird längs durchgeschnitten, oder in einem Kreuzmuster.
  • Mittlerweile soll einer Münchner Zeitung zufolge selbst in Bayern immer weniger „gezuzzelt“ werden.
  • Im Übrigen gewann 2017 der Mannheimer Metzger Philipp Burkhardt den Europameistertitel. (obit)

Volontariat

Copyright © 2025 Mannheimer Morgen