Energie

Wie Vulcan Energie das Lithium unter Mannheim heben will

Der Hunger nach Lithium ist weltweit riesengroß, weil derzeit kein E-Auto ohne diesen Rohstoff fährt. Können die Lithium-Speicher unter Mannheim wesentlich dazu beitragen, diesen Hunger zu stillen?

Von 
Bernhard Zinke
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Rhein-Neckar. Durch die Glaskolben und Zylinder perlt klares Wasser aus 3400 Metern Tiefe. Das unscheinbare Labor in einer Halle des Geothermiekraftwerks Insheim soll die Grundlagen schaffen, um im großen Stil einen Bodenschatz in der Region zu heben, der wie kaum ein anderer für die Mobilitätswende steht. In der Südpfalz testet das Karlsruher Unternehmen Vulcan Energie aktuell Verfahren, um Lithium-Hydroxid aus dem Thermalwasser tief unten im Oberrheingraben herauszulösen. Es ist der Stoff, ohne den Elektroautos auf absehbare Zeit nicht fahren können.

Der weltweite Hunger nach dem Alkalimetall ist schon jetzt riesig und wird nach Einschätzung der staatseigenen Deutschen Rohstoffagentur noch weiter wachsen. Nach Angaben der Deutschen Rohstoffagentur (Dera) gibt es aktuell eine Nachfrage von rund 100 000 Tonnen. „Diese Nachfrage wird auf über 500 000 Tonnen innerhalb der nächsten acht Jahre steigen. Das sind massive Steigerungsraten, wie ich sie bei einem Rohstoff noch nicht gesehen habe“, sagt Michael Schmidt, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Bundesbehörde.

Rohstoff für eine Million E-Autos

Und genau bei diesem „Goldrausch“ will Horst Kreuter mitspielen. Pro Jahr, schätzt der Chef des Insheimer Geothermie-Kraftwerksbetreibers Vulcan Energie, kann sein Unternehmen aus fünf projektierten Anlagen bei Haßloch und Insheim jährlich 40 000 Tonnen Lithiumhydroxit herausholen. „Das reicht für Batterien von rund einer Million E-Autos pro Jahr“, rechnet Kreuter vor. Vulcan sucht in den kommenden Wochen auch in Mannheim, Viernheim, Lampertheim, Ladenburg, Heddesheim und Hirschberg nach heißen Quellen. Hier will Kreuter drei Anlagen aufbauen. Mit den Erträgen aus allen Projekten könne Vulcan die gesamte deutsche Batterieproduktion zu 100 Prozent mit Lithium ausstatten, so Kreuter.

Noch befinde man sich in der Pilotphase. Doch ab Ende 2025 will der Vulcan-Chef mit der Großproduktion beginnen. Die Abnahmeverträge mit den Autokonzernen Stellantis (Opel, Peugeot, Citroën, Fiat, Chrysler), Renault und VW seien bereits unterschrieben. Stellantis habe bei Vulcan sogar 50 Millionen Euro für die Entwicklung der Technologie investiert. Dass Wissenschaftler des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) kürzlich die Möglichkeiten der Lithium-Förderung unter anderem in Deutschland als nicht ausreichend für den riesigen Bedarf bezeichnet haben, kontert Kreuter gelassen. Die Wissenschaftler seien von falschen Annahmen ausgegangen. Unter anderem hätten den Berechnungen geringere Fördermengen des Thermalwassers zugrunde gelegen. Laut KIT sei auch nur höchstens 50 Prozent Lithium aus dem Tiefenthermalwasser gewinnbar. Die Pilotanlage in Insheim hole aber 95 Prozent aus dem Wasser heraus, betont Kreuter. Dazu habe man ein eigenes Sorbens entwickelt.

Das Sorbens ist ein wesentlicher Bestandteil der direkten Lithiumgewinnung. Es befindet sich in einem Filter, durch den das Thermalwasser geleitet und das Lithium herausgefiltert wird. Bisher habe es in ganz Europa keine kommerziell verfügbaren Sorbentia für die Lithiumextraktion gegeben. Mit dem eigenen Produkt namens „Vulsorb“ ermögliche man europäischen Produzenten, Lithium aus Thermalwässern zu gewinnen, ohne geopolitischen Risiken ausgesetzt zu sein, betont Kreuter die Bedeutung der Entwicklung.

Für die Suche nach den heißen Quellen und dem Lithium im Großraum Mannheim (siehe Grafik) hat die Landesbergdirektion im Regierungspräsidium (RP) Freiburg Vulcan nun grünes Licht gegeben. Das RP weist allerdings darauf hin, dass die Suche mit einer 3D-Seismik keine Bohrungen einschließt. Diese bedürften eines weiteren Genehmigungsverfahrens, teilte das RP mit.

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Messungen ab nächster Woche

Die geophysikalischen Messungen beginnen nach Angaben von Vulcan in der kommenden Woche. Ab dann werden Spezialfahrzeuge im Aufsuchungsgebiet unterwegs sein. Diese setzen Platten auf den Boden auf und senden Schallwellen in den Untergrund. Sogenannte Geophone, die vorab an vielen Stellen verteilt werden, messen die Laufzeit Reflektion der Schallwellen. Dadurch lässt sich ein dreidimensionales Modell des Untergrunds in der Region entwickeln - mit Informationen, wo sich Bohrungen lohnen könnten.

Die Gefahr von spürbaren Erdbeben hält Kreuter - und mit ihm auch alle Geothermie-Experten - für überschaubar. Entscheidend sei, nicht ins Tiefengestein zu bohren, die Förderung des Thermalwassers langsam und kontrolliert hochzufahren, Druckspitzen zu vermeiden und alle Erdbewegungen genau zu messen. So könne frühzeitig gegengesteuert werden, noch bevor der Untergrund spürbar in Wallung kommt.

Ressortleitung Teamleiter der Redaktionen Metropolregion und Südhessen Morgen

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