Energie

Wie in Ludwigshafen und Frankenthal Erdwärme angezapft wird

Es gibt noch viele Fragen, aber grundsätzlich stimmt der Ludwigshafener Stadtrat einstimmig zu: Das Unternehmen Vulcan darf die Geothermie in der Vorderpfalz ausbauen. Nutznießer sind auch die BASF und die Bürger.

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Bernhard Zinke
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Ein Geophon (links) wird Reflektionen von Schallwellen aufzeichnen, die Vibrotrucks in den Boden schicken. © Bernhard Zinke

Ludwigshafen. Die Zustimmung am Ende einer langen Sitzung steht. Der Ludwigshafener Stadtrat gibt nach deutlich mehr als drei Stunden Diskussion einstimmig grünes Licht für die Erkundung der Geothermie auf der linken Rheinseite der Metropolregion. Nur die AfD enthält sich. Konkret geht es zwar nur um die Benutzung der Straßen und Wege und deren Reparatur im Schadensfall.

Doch es ist auch der Auftakt zu einem Großprojekt in Sachen Klimaneutralität und Energiewende. Aber es gibt noch viele Fragen und Unsicherheiten zu dem Projekt, das das Karlsruher Unternehmen Vulcan Energie gemeinsam mit der BASF, den TWL und den Stadtwerken Frankenthal umsetzen will.

Tiefenwärme für Industrie und Haushalte

Aus einer Tiefe von rund 3500 Metern will Vulcan rund 160 Grad heißes Tiefenthermalwasser fördern. Der Nutzen ist vielfältig. Erster Abnehmer ist die BASF, die damit knapp ein Fünftel ihres Dampfes erzeugen könnte, den sie für die Produktion braucht.

Danach ist das Wasser immer noch rund 110 Grad heiß und kann locker für die Fernwärme genutzt werden, bevor es wieder zurück in den Untergrund geleitet wird. Rund 14 000 Haushalte könnten damit während des ganzen Jahres und rund um die Uhr mit Wärme versorgt werden.

Dabei ist für Vulcan die Temperatur letztlich nur Mittel zum Zweck. Das Unternehmen will das Lithium fördern, das im Tiefenthermalwasser gelöst ist und dringend für die Elektromobilität benötigt wird. Daraus macht Vorstandsmitglied Thorsten Weimann in seinem Vortrag vor dem Ludwigshafener Stadtrat auch gar keinen Hehl. „Die Lithiumgewinnung ist unser Antrieb, das macht die ganze Sache wirtschaftlich“, sagt er.

Lithium für rund eine Million Autobatterien pro Jahr

Lieferverträge hat Vulcan längst mit dem Automobilkonzern Stellantis, mit VW und auch mit dem Unterhaltungselektronik-Konzern LG abgeschlossen. Insgesamt will Vulcan Energie 48 000 Tonnen Lithiumhydroxid pro Jahr aus dem Tiefenthermalwasser in der Metropolregion fördern. Das reicht für rund eine Million Autobatterien, rechnet Weimann vor.

Doch dazu muss erst einmal das Gestein unterhalb von Ludwigshafen, Frankenthal und Teilen des Rhein-Pfalz-Kreises untersucht werden. Dazu werde man Schallwellen in den Untergrund schicken und deren Reflexionen messen. Am Ende werden Datenmengen im Terabyte-Bereich gesammelt und ausgewertet, bis die idealen Stellen für die Bohrungen gefunden sind. Aber das dauert. In Mannheim, wo Vulcan bereits im Winter 2023 mit seinen sogenannten Vibrotrucks unterwegs war, dauern die Auswertungen der Daten immer noch an.

Geothermie-Projekt in Nordbaden: Chancen und Sorgen

Und auch in Nordbaden, wo die MVV und EnBW in einem Joint Venture namens Geohardt ebenfalls die Geothermie nutzen wollen, ist noch kein konkreter Platz für die Wärmezentralen auserkoren. Gleichwohl machen sich die Menschen Sorgen, wie die Diskussion im Stadtrat zeigt. Auch die Mitglieder der Ortsbeiräte, die zu dieser Sondersitzung eingeladen sind und mitreden dürfen, formulieren viele Fragen und Bedenken.

Allerdings sind alle Kommunalpolitiker – mit Ausnahme der AfD – sicher, dass da ein unermesslicher Schatz im Untergrund darauf wartet, gehoben zu werden. Ob die niederfrequenten Schallwellen der sogenannten 2-D- und 3-D-Seismik Schäden an Gebäuden anrichten können, ob das Grundwasser durch die Bohrungen gefährdet ist und ob die Technik auch Erdbeben auslöst, sind die hauptsächlichen Sorgen.

Vulcan will die Schäden durch die Seismik regulieren

In Mannheim hatten sich nach der Erkundung Bürgerinnen und Bürger 80 Schäden an Gebäuden gemeldet, wie diese Zeitung seinerzeit berichtete. „Das sind vor allem Risse“, erläutert Vulcan-Vorstandsmitglied Weimann. Und bis auf zwei anhängige Fälle seien alle Schäden reguliert worden, selbst wenn sie im Zweifel nicht von den seismischen Messungen stammten. Eindeutige Schäden würden einvernehmlich geregelt. Dabei müsse das Unternehmen entweder gutachterlich beweisen, dass die Schäden nicht von den Messfahrzeugen herrühren oder eben die Wiederherstellung bezahlen.

Die Qualität des Grundwassers in der Nähe der Bohrstellen werde durch Brunnen kontinuierlich permanent überwacht und Undichtigkeiten der Bohrungen ließen sich durch Sicherungssysteme schnell erkennen. Auch die Gefahr von spürbaren Erdbeben lasse sich durch Kontrollsysteme mindestens minimieren, wenn nicht sogar ausschließen.

Strenge Kontrollen und Sicherheitsvorkehrungen

„Die Nutzung der Geothermie ist immer mit seismischen Reaktionen verbunden“, sagt Andreas Tschauder, Leiter des Landesamtes für Geologie und Bergbau. Das Amt ist für die Genehmigung von Geothermie-Nutzung zuständig. Die Betreiber der Anlagen seien zusätzlich zur amtlichen Kontrolle dazu verpflichtet, selbst mit einem eigenen Messnetz zu arbeiten und die Förderung der Anlage herunterzufahren, wenn sich der Untergrund außerhalb der Grenzwerte bewegt.

Auch eine Versicherung sei zwingend vorgeschrieben. Und nicht zuletzt will das Bergamt einen Ombudsmann für die Pfalz einsetzen, der die Interessen der Bürger vertritt.

Transparenz und lokale Vorteile im Fokus der Geothermie-Debatte

Die Ortsbeiräte kritisieren zudem die Kurzfristigkeit der Einladung zur Stadtratssitzung mit anschließender Information der Bürger. Oberbürgermeisterin Jutta Steinruck verteidigt die Frist. Der Gestattungsvertrag für die Erkundung sei erst kurz vor Weihnachten fertig verhandelt worden. Es habe Meinungen bei der Stadtverwaltung gegeben, die eine Zustimmung durch den Stadtrat gar nicht für nötig befunden hätten. Aber am Ende habe man sich doch dazu entschlossen, das Projekt im Parlament diskutieren und abstimmen zu lassen, vor allem auch aus Gründen der Transparenz.

Gleichwohl erinnert die Verwaltungschefin an die Vorzüge der Technologie. Sie sichere Wärme zu bezahlbaren Preisen für Generationen. Und die Produktion finde vor Ort statt, man sei nicht von Dritten abhängig. Es sei noch gar nicht lange her, dass man im Stadtrat die Einrichtung von Wärmeinseln diskutiert habe, falls kein Gas mehr zum Heizen geliefert werden könne.

Auch Umweltdezernent Alexander Thewalt macht sich in einem flammenden Plädoyer stark für den Schatz, der gehoben werden könne: „Die Geothermie ist ein Geschenk“.

Ressortleitung Teamleiter der Redaktionen Metropolregion und Südhessen Morgen

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