Gesundheit

Wie eine "Schüttelpuppe" in Ludwigshafen Leben retten soll

Wenn Eltern ihr Baby schütteln, kann das auch tödlich enden. Die Rhein-Galerie übernimmt die Patenschaft für eine Schüttelpuppe für das St. Marienkrankenhaus in Ludwigshafen. Was durch das Schütteln beim Kind passiert

Von 
Alena Kuhn
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Oberarzt Paul Köhler und zwei Hebammen probieren die Schüttelpuppe aus. Die geschädigten Hirnregionen leuchten beim Schütteln der Puppe. © Alena Kuhn

Ludwigshafen. Die Puppe ist so groß wie ein Säugling und wiegt auch etwa so viel. Sie kann laut weinen und sich darin sogar steigern. Der Kopf ist durchsichtig und mit verschiedenen Symbolen versehen: beispielsweise eine Hand, ein Fuß oder Gesichter mit verschiedenen Emotionen. Im Kopf ist ein pinkes Gehirn, das stellenweise rot leuchtet, wenn man die Puppe schüttelt. Es handelt sich um eine sogenannte Schüttelpuppe - und die soll Leben retten.

Das Schütteln von Neugeborenen und Säuglingen kann zu einem Schütteltrauma führen - einer Hirnverletzung, die tödlich enden kann. Um den jungen Eltern besser verdeutlichen zu können, was das Schütteln auslöst, gibt es die Schüttelpuppen. Die Symbole auf dem Kopf des Modells stehen für die verschiedenen Hirnregionen. Die LED-Lampen, die im Kopf der Puppe aufleuchten, zeigen die entstandenen Hirnschäden an.

Übergabe der Schüttelpuppe von der Rhein-Galerie in Ludwigshafen an das St. Marienkrankenhaus

Die Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe des St. Marien- und St. Annastiftskrankenhauses Ludwigshafen ist jetzt im Besitz einer solchen Schüttelpuppe. Sie wurde von Patrick Steidl, dem Center-Manager der Rhein-Galerie Ludwigshafen, an den Chefarzt der Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe Thomas Reichel übergeben. Die Rhein-Galerie übernimmt im Rahmen der #SchüttelMichNicht-Kampagne die Patenschaft für die Schüttelpuppe.

Projekt #SchüttelMichNicht

  • #SchüttelMichNicht ist ein Kooperationsprojekt der Klinik für Geburtsmedizin der CharitéUniversitätsmedizin Berlin mit dem German Council of Shopping Places.
  • Bei der deutschlandweiten Aktion übernehmen rund 100 Shopping-Center Schüttelpuppen-Patenschaften für Geburtsklinken.
  • Jede Puppe von #SchüttelMichNicht kostet rund 2000 Euro.
  • Ziel der Kampagne ist es, die Eltern über die Auswirkungen der Schüttelbewegungen bei Neugeborenen und Säuglingen aufzuklären. So soll Schütteltraumata vorgebeugt werden.
  • In Ludwigshafen übernimmt die Rhein-Galerie die Patenschaft für die Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe des St. Marien- und St. Annastiftskrankenhauses.
  • Die Schüttelpuppe wird im St. Marienkrankenhaus beispielsweise bei Geburtsvorbereitungskursen und Erste-Hilfe-Kursen für Neugeborene eingesetzt. Aber auch das Personal soll durch die Modelle geschult werden. 

Paul Köhler, Oberarzt der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin des St. Marienkrankenhauses, darf die Puppe als erstes ausprobieren: Nur wenige Augenblicke, nachdem Köhler begonnen hat die Puppe zu schütteln, leuchtet ihr Gehirn schon an mehreren Stellen rot. Auch bei einem echten Baby können schon leichte oder kurze Schüttelbewegungen gefährlich sein, erklärt Ulrich Merz, der Chefarzt der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin.

Nur die wenigsten Babys überleben nach einem Schütteltrauma ohne Behinderungen

Jedes Jahr werden schätzungsweise 100 bis 200 Babys mit Schütteltraumata in deutsche Kliniken gebracht, schreibt das Nationale Zentrum Frühe Hilfen (NZFH) auf der Webseite. Es soll jedoch eine hohe Dunkelziffer geben, da nicht alle geschüttelten Säuglinge medizinisch behandelt werden. Zehn bis 30 Prozent sterben laut NZFH an den Folgen des Schüttelns. Kopfverletzungen durch Misshandlung, zu denen auch das Schütteltrauma zählt, sind bei Säuglingen die häufigste nicht natürliche Todesursache.

50 bis 70 Prozent der Babys überleben die Schüttelbewegungen mit lebenslangen Behinderungen. Neben den schweren körperlichen und geistigen Behinderungen können auch Seh- und Sprachstörungen, Entwicklungsverzögerungen und Krampfanfälle auftreten. Nur schätzungsweise 10 bis 20 Prozent der Babys überleben laut NZFH ein Schütteltrauma ohne bleibende Schäden.

Das passiert beim Schütteln im Kopf des Säuglings

Mit der Puppe sollen Eltern über die Auswirkungen von Schüttelbewegungen bei Neugeborenen und Säuglingen aufgeklärt werden. © Alena Kuhn

Neugeborene und Säuglinge haben eine sehr schwache Nackenmuskulatur und können ihren Kopf noch nicht alleine halten, erklärt Merz. Beim Schütteln bewege sich der Kopf und somit auch das Gehirn im Schädel unkontrolliert hin und her. Dadurch können Nervenbahnen und Blutgefäße reißen - und das kann fatale Folgen nach sich ziehen. Am häufigsten betroffen sind laut Merz Schreibabys. Die Eltern sind oft frustriert und fühlen sich hilflos - und schütteln ihr Baby im Affekt.

Merz gibt Tipps, die gegen das Schreien helfen können: Das Neugeborene ist erstmal überfordert mit den vielen neuen Reizen der Umgebung. Geräusche, Bilder und Gerüche müssen verarbeitet werden. Schließlich war es zuvor neun Monate behütet im Bauch der Mutter. Deshalb ist es laut Merz wichtig, dem Baby möglichst früh einen geregelten Tagesablauf zu geben. Es soll zu einer festen Uhrzeit ins Bett gehen, mit immer demselben Abendritual, und nicht beispielsweise mit in eine Kneipe genommen werden.

Das können Eltern machen, um bei einem schreienden Baby die Beherrschung nicht zu verlieren

Wer verzweifelt ist, weil sich das Kind nicht beruhigen lässt, soll es, wenn möglich, vorübergehend an die Großeltern oder Freunde abgeben und so einen möglichen Wutanfall vermeiden, sagt Merz. Ansonsten können Eltern auch eine Schreiambulanz oder eine Familien- und Lebensberatungsstelle aufsuchen. Das St. Marienkrankenhaus nimmt zudem ab und zu Babys stationär auf, wenn die Eltern überfordert sind, erzählt Köhler.

Das NZFH rät Eltern von Babys, die unstillbar schreien: Der Säugling soll an einen sicheren Ort gelegt werden. Das Elternteil soll dann den Raum verlassen, tief durchatmen und alle paar Minuten nach dem Baby schauen. Wenn der Säugling geschüttelt wurde, muss sofort die nächste Klinik aufgesucht werden.

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