Metropolregion. Die 1000er Kawasaki ist eine richtige Rennmaschine: Knapp 200 PS hat sie und bringt gerade mal 200 Kilo auf die Waage - ein Hingucker für jeden sportlichen Motorradfan. Mit ihrer Beklebung in den Polizeifarben neongelb und polizeiblau sticht sie noch mehr ins Auge. Wenn Rick Lowag diesen Flitzer bei Motorradtreffen und Messen parkt, dauert es nicht lange, bis er mit seiner Zielgruppe ins Gespräch kommt: Biker, die gerne PS-stark und flott unterwegs sind. Rick Lowag ist selbst leidenschaftlicher Motorradfahrer - und Polizist. Sein Ansatz: sich respektvoll und auf Augenhöhe mit Motorradfahrern austauschen. Weil er selbst weiß, wie schnell es einen aus der Kurve tragen kann.
Verein hilft Polizei bei Bike-Kozept
Lowag ist mit seinem Verein „Rennleitung 110“ einer der Partner, die der südhessischen Polizei dabei hilft, ein neues Bike-Konzept an die Fahrerinnen und Fahrer zu bringen. Auf dem Hockenheimring sind an diesem sonnigen Freitag Vertreter fast aller hessischen Polizeipräsidien, Kollegen aus Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg vertreten. Das Ziel: die Präventionsarbeit zu verbreiten, damit es weniger schwere Motorradunfälle gibt.
Die Saison hat noch gar nicht richtig angefangen, da gibt es alleine in Südhessen schon drei tote Biker zu beklagen. Im vergangenen Jahr waren es insgesamt sieben, sagt Polizeipräsident Björn Gutzeit im Gespräch mit dieser Redaktion. Immerhin „lockt“ der Odenwald mit einer Reihe von „Rennstrecken“ Fahrer aus der ganzen Metropolregion an.
Auf der Straße gibt es nichts zu gewinnen, aber alles zu verlieren.
Die Südhessen sind am Hockenheimring zu Gast, weil es in Hessen nun mal keine Rennstrecke gibt. Und eines der Ziele ist es, die Biker auf die Rennstrecke zu lotsen, wo sie im professionellen Umfeld dem Geschwindigkeitsrausch frönen können. Motorradrennfahrer Marcel Schrötter ist das Gesicht der Kampagne und hat den Slogan geprägt: „Auf der Straße gibt es nichts zu gewinnen, aber alles zu verlieren.“
19 tote Motorradfahrer
Ihren Ursprung hat die Kampagne, die nun ihre Wellen schlagen soll, im südhessischen Polizeipräsidium. Im Jahr 2018 gab es insgesamt 19 tote Motorradfahrer zu beklagen. Das habe den Ausschlag gegeben, erinnert Pressesprecher Bernd Hochstädter an die Initialzündung. Das Bike-Konzept umfasst neben Präventionsaktionen auch Safety-Touren mit Motorradfahrern, aber eben auch Kontrollen. Und dort wird nicht nur aufs Tempo geschaut, sondern auch auf illegale Umbauten, die Bikes unerlaubt laut klingen lassen, sagt Björn Gutzeit.
Ergänzend dazu wirkt die „Rennleitung 110“. Denn Rick Lowag weiß genau, dass die Heizer nicht eben offen und vorbehaltlos auf die Polizei zugehen. Sein Verein, der als Privatinitiative von sportlich Motorrad fahrenden Polizeibeamten und deren Freunden und Helfern gegründet worden ist, will Eisbrecher sein und die Kommunikation vorantreiben. Lowag, der unter anderem auch in Mannheim sieben Jahren Streifendienst absolviert hat, weiß um den Geschwindigkeitsrausch, aber auch die Gefahren.
Unfall in der „Hockenheimer Acht“
In der „Hockenheimer Acht“, einer unter Bikern höchst beliebten Auf- und Abfahrt auf die B 39 zwischen Hockenheim und Schwetzingen, hat es ihn im Jahr 2004 selbst erwischt. Um ein Haar hätte er seinen rechten Arm verloren. Weil ein Kollege bei einem Motorradunfall nicht soviel Glück hatte und eine schwangere Freundin hinterließ, hob er mit Kumpels innerhalb und außerhalb der Polizei den Verein „Rennleitung 110“ aus der Taufe. Der Begriff Rennleitung gilt unter Bikern als wertschätzendes Synonym für Polizei. Seitdem ist die Gruppe außerhalb des Dienstes in Internetforen und auf Motorradtreffen „auf Streife“ unterwegs und bietet die Vorzüge von gemeinsamen Rennen auf professionellen Rennstrecken wie eben dem Hockenheimring an.
Dass er eben nicht mit erhobenem Zeigefinger auf Schnellfahrer zugeht und Verständnis für die Leidenschaft zeigt, habe ihm nicht gerade die Sympathien der Vorgesetzten zufliegen lassen, gesteht er ein. Aber man erreiche die Zielgruppe nur, wenn man den Menschen auf Augenhöhe begegne. Im Polizeidienst hat Lowag mittlerweile ziemlich alle Bereiche durchlaufen. Verkehrspolizist wollte er eigentlich nie werden, Hobby und Beruf immer trennen. Seit drei Jahren ist er nun doch beim Verkehr im Polizeipräsidium Heilbronn. Die harten Erfahrungen des Alltags haben zum Sinneswandel beigetragen. „Ich habe schon oft an Türen geklingelt, an denen ich nicht klingeln wollte. Bevor ich noch eine Todesnachricht überbringe, nehme ich vorher lieber 100 Führerscheine weg.
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