Kriminalität: - Mit der Aktion „Gemeinsam sind wir stark! Gegen Betrug“ zeigen Beamte älteren Menschen, wie Trickbetrüger vorgehen – und wie sie sich schützen können

Wenn Trickbetrüger anrufen: Polizei Ludwigshafen probt mit Senioren den Ernstfall

Von 
Agnes Polewka
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Bekam die Wirkung eines Schock-Anrufs im Rollenspiel zu spüren: Reinhard Winstel. © Christoph Blüthner

Ludwigshafen. Reinhard Winstel setzt sich auf einen gepolsterten Stuhl. Das Telefon klingelt. Er nimmt ab, eine Frauenstimme flötet „Hallo, na? Weißt du, wer dran ist?“ Der 67-Jährige runzelt die Stirn. „Ursula?“, fragt er. Dann lächelt er. „Wie schön, dass du dich meldest.“ Winstel beginnt zu plaudern. Bis sich die Stimme der Frau verändert, die Anruferin weint, fleht. Sie stammelt etwas von Untersuchungshaft, einem Unfall, von einer Kaution. 20 000 Euro.

Winstel beugt sich auf seinem Stuhl immer weiter vor, angespannt, er beteuert, dass er helfen möchte, dass er vorbeikommen könne. Nervös schiebt er seine Brille zurecht. Dann sagt die Frau: „Mach dir keine Umstände, ich schicke jemanden vorbei, der das Geld abholt.“

Rollenspiel zur Verdeutlichung

Im Ludwigshafener Seniorenwohnhaus „August Wagner“ wird es still. Zehn ältere Menschen sitzen am Montag in einem Kreis um Reinhard Winstel, der in die Rolle eines Mannes geschlüpft ist, der um eine hohe Summe Geld betrogen werden soll. Wie so viele Senioren, Tag für Tag, deutschlandweit. Die Inszenierung ist Teil der Aktion „Gemeinsam sind wir stark! Gegen Betrug!“. Mit ihr möchte der Rat für Kriminalitätsverhütung der Stadt Ludwigshafen gemeinsam mit der Polizeiinspektion Ludwigshafen 2 und dem Handballbundesligisten „Eulen Ludwigshafen“ zeigen, wie Betrüger vorgehen - und Senioren stärken, ihnen dabei helfen, sich selbst zu schützen.

Reinhard Winstel legt auf, zustimmendes Nicken. Martin Baumann, Leiter der Polizeiwache im Ludwigshafener Stadtteil Oggersheim stellt sich neben ihn. „Haben Sie sich innerlich unter Druck gefühlt?“, fragt der Polizeibeamte, der gemeinsam mit Zivilcouragetrainerin Andrea Barie - Anruferin „Ursula“ - durch drei Workshops am Nachmittag führt. „Irgendwie blieb mir in der Situation nur, der Frau meine Hilfe anzubieten“, sagt Winstel. Und das aus einem ganz bestimmten Grund: Betrüger, die ältere Menschen manipulieren, um an Geld oder Schmuck zu kommen, setzen zunächst darauf, Nähe und Verbundenheit herzustellen. Um Vertrauen aufzubauen, das Gefühl, es nicht mit einem Fremden zu tun zu haben.

Sie setzen auf das Mitgefühl ihrer Opfer, auf ihre Hilfsbereitschaft. Oder aber sie appellieren an ihre staatsbürgerlichen Pflichten, in dem sie sich als Polizeibeamte ausgeben. Gleichzeitig sind sie penetrant, bohren weiter und weiter. Schreien, rufen wieder und wieder an. So lange, bis ihre Opfer einknicken.

"Unter Stress können wir schlechter nachdenken"

Reinhard Winstel nennt sich selbst „aufgeklärt“, er engagiert sich im Arbeitskreis Seniorensicherheit der Stadt, ist einer, der sich nicht so leicht um den Finger wickeln lässt. Als seine Mutter älter wurde, hat er ihr immer eingetrichtert, am Telefon vorsichtig zu sein. Und doch wippt auch er während des Rollenspiels vor und zurück. Die anderen Senioren haben seine Körpersprache akribisch beobachtet - ein Arbeitsauftrag von Martin Baumann, um zu verdeutlichen, was betrügerische Anrufe ausrichten können. „Wenn wir unter Stress stehen, dann können wir schlechter nachdenken“, erklärt er. Eine ältere Frau nickt und meldet sich zu Wort, berichtet von einem Mann, der vorbeikommen wollte, um etwas in ihrer Wohnung zu reparieren. „Ich habe ihm gesagt, dass wir hier für solche Fälle einen Hausmeister haben.“ Sie lächelt, erntet Beifall. „Das haben sie gut gemacht“, sagt Baumann.

Weitere Möglichkeiten: die Polizei anrufen, einfach auflegen. Folge-Anrufe ignorieren. „Wenn jemand, der ihnen nahe steht, Sie wirklich erreichen möchte, dann wird die Person einen Weg finden“, rät der Polizeibeamte. Baumann weiß, dass die Betrüger oft Menschen suchen, die einsam sind und sich freuen, wenn sich jemand meldet, weil viele ihrer Tage gleich sind. Die Anrufer suchen gezielt nach Menschen mit Vornamen, die vermuten lassen, dass es sich um Ältere handelt. Um ältere Menschen, die ihr ganzes Leben gespart haben. „Man kann es sich kaum vorstellen, aber es gibt Fälle, da wechseln ganze Vermögen den Besitzer“, sagt der Polizeibeamte Baumann. Deshalb sei es wichtig sich zu schützen, Dinge zu hinterfragen - aus der eigenen Stärke heraus zu handeln.

Redaktion

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