Weinheim. Beim Aufräumen des Dachbodens fiel es Erich Rathgeber per Zufall zwischen die Füße: Sein Sparbuch aus dem Jahr 1962. „Ich hatte es damals von meinen Eltern zur Kommunion bekommen. Fünf Mark waren schon drauf, weil die Bezirkssparkasse Weinheim ihren öffentlichen Auftrag sehr ernst nahm, den Sparsinn und die Wirtschaftserziehung der Jugend mit geeigneten Maßnahmen zu fördern“, sagt der Weinheimer schmunzelnd.
Geeignet erschien dem Vorgängerinstitut der heutigen Sparkasse Rhein Neckar Nord wohl auch die Ausgabe eines Gutscheins zu diesem Anlass. Sehr zu seiner Freude, denn er nahm nicht nur das Geldgeschenk gerne an, sondern ließ ab dann regelmäßig die Inhalte seines Sparschweins in dem kleinen roten Büchlein verbuchen. Bis es dann 1975 für eine größere Reise geplündert und mit einem kleinen Restguthaben in einer Schublade verschwand und in Vergessenheit geriet.
Was wird in 47 Jahren aus fünf Mark?
Was also tun mit dem in die Jahre gekommenen „Sparkassenbuch Nummer 66208“? Die journalistische Neugier - Erich Rathgeber ist gelernter Redakteur , war Mitglied dieser Redaktion und später Sprecher der Sparkasse Rhein Neckar Nord - ließ ihn sofort recherchieren. Und wurde fündig: „Ein Sparbuch ist so lange gültig, bis es offiziell aufgelöst wird. Das heißt: Das Guthaben darauf kann auch nach Jahrzehnten noch immer verfügbar sein. Wenn Sie sich etwas auszahlen lassen oder die angefallenen Zinsen nachtragen lassen möchten, legen Sie das Sparbuch einfach der ausgebenden Sparkasse vor“, meldet die Sparkassen-Finanzgruppe auf ihrer Internet-Seite.
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Was wird also in 47 Jahren aus fünf Mark? Also das lange vergessene Fundstück für das nächste Gespräch mit der Kundenberaterin eingepackt und nachgefragt. Deren Reaktion: „Das muss ich an die Fachabteilung weiterleiten, zu alt.“ Nur wenige Tage später dann die Antwort: Aus dem Restguthaben von fünf DM war über 47 Jahre hinweg dank der Macht von Zins und Zinseszins ein Betrag von 41,30 Euro entstanden.
Und dank der feinsäuberlich aufgelisteten Zinsentwicklung über die gesamte Zeit hinweg ließ sich sogar erkennen, wie die wundersame Geldvermehrung vonstattengegangen war: In den ersten 26 Jahren warf das Sparbuch dank der guten Verzinsung 77,55 DM oder umgerechnet 39,55 Euro ab. Danach kamen die mageren Jahre mit deutlich geringeren oder zum Schluss gar keinen Zinsen mehr: Von 2002 bis heute gerade mal 3,71 Euro, von denen dann auch noch 1,04 Euro Abgeltungssteuer, Soli und Kirchensteuer abgezogen wurden.
Angesichts dieser mehr als dünnen Marge wundert es also wenig, dass kaum noch neue Sparbücher angelegt werden. „Wenn es hochkommt, vielleicht noch 15 im Monat“, schätzt Andrea Haas, Leiterin der Abteilung Marktservice bei der Sparkasse Rhein Neckar Nord. Unter den etwa 83 000 Sparkonten mit Spareinlagen in Höhe von 675 Millionen Euro ein verschwindend geringer Anteil also. Und auch die Kundengruppe ist nach Auskunft von Haas durchaus stark eingegrenzt: „Alles Menschen vom alten Schlag, die mit modernen Finanzprodukten nichts am Hut haben.“
Sparguthaben verjähren nicht
Noch viel seltener als die Neuanlage von Geld auf einem Sparbuch ist Rathgebers Fall: Weniger als zehn Mal im Jahr komme jemand mit einem wiedergefundenen Sparbuch in den Filialen des Geschäftsgebiets vorbei, um es entweder aufzulösen oder Zinsen nachtragen zu lassen. Weder das eine noch das andere sei indessen ein Problem. Sogar solche mit Reichsmark würden auf Empfehlung des Sparkassenverbandes noch nachberechnet.

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Das ist allerdings nicht überall eine Selbstverständlichkeit. Immer wieder verweigern Banken die Auszahlung von alten Guthaben mit dem Hinweis, der Betrag sei bereits ausgezahlt und das alte Dokument wertlos. Dies müssen Kunden nicht einfach so hinnehmen. Denn in diesem Fall ist die Bank beweispflichtig und muss durch eine Auszahlungsquittung belegen, dass das Geld tatsächlich abgehoben wurde. Kann sie das nicht, muss ausgezahlt werden. Auch muss der Sparbetrag ausgezahlt werden, wenn die Bank keine Unterlagen mehr dazu besitzt. Sparguthaben verjähren nicht, solange das Sparbuch nicht nachweislich gekündigt wurde. Das heißt: Man hat auch Jahrzehnte später noch das Recht auf das Geld.
Sparbücher - Existenz seit 1818
Wichtig: Man sollte das Büchlein stets sorgsam hüten. Denn eine Verpflichtung zur Auszahlung haben Banken nur, wenn das Original vorgelegt wird. Geht das Sparbuch verloren, hat man keinen Beweis und geht leer aus. Das Sparbuch wird juristisch als „qualifiziertes Legitimationspapier“ eingestuft, was bedeutet, dass die Bank oder Sparkasse grundsätzlich an jeden auszahlen kann, der das Sparbuch vorlegt. Allerdings muss jede Auszahlung im Sparbuch vermerkt werden.
„Das Sparbuch ist wie eine Urkunde, quasi ein Inhaberpapier“, nennt Andrea Haas einen weiteren Grund, warum man es nie aus der Hand geben sollte. Denn theoretisch kann sich jeder, der im Besitz des Sparbuchs ist, bis zu 2000 Euro „schuldbefreit“ auszahlen lassen. Heißt im Klartext: Bis zu dieser Summe gibt es keine Legimitationsprüfung. Sparkassen müssen also nicht überprüfen, ob der Besitzer des Sparbuchs auch wirklich derjenige ist, der das Sparbuch vorlegt.
Sparbücher gibt es übrigens seit über 200 Jahren: Im Jahr 1818 hat der Rendant (Rechnungsführer) der damaligen Berliner Stadtsparkasse als Erster über die Ausgabe von „Quittungsbüchern“ berichtet. Zu wahren Klassikern unter den Sparformen wurden sie, weil Sparen damit einfach und unkompliziert war. Zudem war das Geld sicher und es fielen keine Gebühren an. ath
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