Herr Bug, warum lassen Sie Toni Trump jetzt wieder aufleben?
Alexis Bug: Weil das Publikum ihn gefordert hat. Es geht ihm also in gewisser Weise ähnlich wie dem echten Trump, der jetzt wieder nach der Macht greift. Wobei - der echte Trump bin ja eigentlich ich.
Ist die Parodie auch eine Art geistiger Hygiene in Anbetracht des Unfassbaren, das sich in der Realität vollzieht?
Bug: Mein erster Impuls war, meiner Empörung über einen solchen Flegel wie Donald Trump Luft zu verschaffen. Ich habe dabei durchaus eine Art fieser Genugtuung empfunden. Als ich erfahren habe, dass Trump Pfälzer Wurzeln hat, hatte ich sofort einen Typen vor Augen, den ich tatsächlich kenne.
Aber kann es den Pfälzern gefallen, dass ein Typ wie Donald Trump als pfälzischer Saukerl rüberkommt?
Bug: Na ja - die Pfälzer sollen sich in dem Saukerl durchaus wiedererkennen. Als ich Donald Trump zum ersten Mal gesehen habe, dachte ich sofort an einen Schifferstadter Bauunternehmer, vom Typus her ein Lokalpatriarch und eine Art Überfigur, der mit allem, was er macht, durchkommt. Wenn ich Donald Trump sehe, fallen mir sofort ähnliche Typen ein, die ich aus meiner nächsten Umgebung kenne. Sei es in Schifferstadt oder Kallstadt, woher Trumps Großvater stammt.
Es geht also um den Trump in uns allen.
Bug: Genau. Und es geht um unseren Umgang mit Autoritäten. Die schönste Reaktion aus dem Publikum auf meinen Toni Trump, der ja gerne ausrastet und rumschreit, war die einer älteren Dame, die mich nach der Vorstellung mit großen Augen angestrahlt und gesagt hat: „Oh, Herr Bug, Sie känne aber kreische …!“.
Was kann Kabarett gegen destruktive Autoritäten ausrichten?
Bug: Die Kunst kann selbst eine Autorität sein, wenn sie wirklich unabhängig ist und direkt zu den Menschen spricht. Doch sie hat diese unabhängige Autorität mehr und mehr eingebüßt. Wenn ich mir US-amerikanische Comedy-Shows ansehe, dann fällt mir auf: Die sind nicht wirklich unabhängig, sondern sie machen demokratische Propaganda. Was wir dagegen brauchen, sind unabhängige Satiriker vom Schlage eines Dieter Hildebrandt und Gerhard Polt - oder eben Toni Trump, bei dem alle ihr Fett wegkriegen, ob Linke oder Rechte.
Dazu gehören für Sie dann wohl auch Erscheinungsformen einer Cancel-Culture oder der Wokeness-Ideologie?
Bug: Unbedingt! Abschreckendes Beispiel war für mich das Verbot eines Auftritts des Awo-Balletts bei der Bundesgartenschau in Mannheim, der als „kulturelle Aneignung“ verunglimpft worden ist. Da haben sich nette Seniorinnen und Senioren ein ganzes Jahr lang Arbeit gemacht, haben Kostüme geschneidert, wollten einen harmlosen Auftritt hinlegen, und wurden mit einem moralischen Rigorismus konfrontiert, vor dem es mich inzwischen genauso graust wie vor der Zucht und Ordnung, die auf uns zukämen, würde die AfD an die Macht gelangen.
Alexis Bug
- Alexis Bug (51) ist in Schifferstadt aufgewachsen und lebt in Berlin.
- Nach der Westfälischen Schauspielschule Bochum war er bis 2005 Schauspieler an unterschiedlichen Bühnen. Außerdem hat er in Filmen mitgewirkt und schrieb Theaterstücke, etwa für den Heidelberger Stückemarkt.
- Bug hat an Stadt- und Staatstheatern Regie geführt, darunter die Berliner Volksbühne, und inszenierte mehrere Jahre an südkoreanischen Theatern.
- 2017 trat er erstmals als „Kallstadter Saukerl“ in Gestalt der Kunstfigur Toni Trump auf.
- Der „Kallstadter Saukerl“ treibt erstmals wieder am Freitag, 7. Juni, 19.30 Uhr, in Schloss Kleinniedesheim sein Unwesen.
Wie finden Sie als Kabarettist den nötigen Humor, wenn Sie sehen, wie Donald Trump abermals Anlauf aufs Capitol nimmt?
Bug: Ich war nicht überrascht davon, was da passiert. Aber es macht mir trotzdem Angst, das gebe ich zu. Meine Antwort darauf: eine närrische Prunksitzung in Kallstadt, bei der Toni Trump im Cäsar-Kostüm auftritt und es zu einer Saalschlacht kommt. Da maßt sich jemand die Macht für vier Jahre an, und das Ergebnis ist ein Bürgerkrieg. Aber bürgerkriegsähnliche Verhältnisse haben wir mittlerweile auch in Deutschland.
Woran sehen Sie das?
Bug: Unsere Gesellschaft ist mehr und mehr gespalten. Wir haben alle Angst voreinander und sind nicht mehr in der Lage, miteinander zu sprechen. Es findet kein wirklicher Dialog mehr statt. Dialog würde auch bedeuten, dass man mit AfD-Leuten hart streitet und sie politisch stellt.
Würde dazu auch gehören, Wähler der AfD nicht von vornherein als Nazis abzustempeln?
Bug: Selbstverständlich! Ich möchte mit Menschen in einen Dialog treten und mich inhaltlich und thematisch auseinandersetzen - gerade auch mit Andersdenkenden. Wir brauchen eine unabhängige Kunst und keine, die Menschen von vornherein ausschließt, egal, ob sie rechte oder linke Überzeugungen vertreten. Respekt und Toleranz gegenüber jedem Menschen ist ein humanistisches Erbe.
Müsste dieser Respekt nicht auch einer Figur wie Donald Trump gelten?
Bug: Meine Aufgabe als Schauspieler ist es, auf beiden Seiten der Front zu stehen, um es mit Heiner Müllers „Hamletmaschine“ zu sagen. Wenn ich den Toni Trump spiele, dann identifiziere ich mich zu hundert Prozent mit einem solchen Charakter.
VideoKallstadter Saukerl - Isch bin de Beschd!
Man könnte vielleicht sogar Mitleid mit einem solchen Typen empfinden ...
Bug: Ja, klar! Toni Trump ist ein bemitleidenswerter, einsamer Mensch, der außer seinem Narzissmus niemanden hat.
Aber wir neigen doch schließlich dazu, solche Leute zu dämonisieren.
Bug: Damit leugnen wir auch, dass wir gemeinsame Schnittmengen mit ihnen haben. In einem Menschen gibt es nie nur das Gute oder das Böse, sondern es sind immer Anteile von beidem auffindbar. Trump ist kein Teufel, sondern ein Großmaul.
Immerhin eines, der die Weltordnung auszuhebeln droht …
Bug: . . . ja, leider. Aber Trump ist eben auch das Ergebnis einer Lage, an der wir alle beteiligt sind.
Wann wird Toni Trump denn nun endlich Bürgermeister von Kallstadt?
Bug: Womöglich bald. Seine Gegenspielerin ist Hilla Obermann, die für die Grünen kandidiert und gute Aussichten hat aufgrund ihrer Aktion, Kröten zu retten. Das wird von Toni Trump erfolgreich sabotiert. Der lässt die Kröten einfach platt fahren.
Was wird aus dem Kallstadter Saukerl, wenn Donald Trump die Wahl nicht gewinnen und wieder von der Bildfläche verschwinden sollte?
Bug: Der Kallstadter Saukerl ist ein modernes Pfälzer Volksstück. Das möchte ich auch unabhängig von der politischen Tagesaktualität weiter entwickeln. Toni Trump wird es deshalb auch nach Donald Trump geben. Wobei ich zugeben muss, dass ich in Bezug auf Donald Trump in gewisser Weise unter einem Stockholm-Syndrom leide und von dem Typen nicht mehr loskomme …
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