Corona - Veranstaltungsunternehmen der Region haben sich in der Krise neue Geschäftsfelder erschlossen

Veranstaltungsbranche in der Krise: Studioarbeit statt Live-Events

Von 
Bernhard Zinke
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Rhein-Neckar. Das rechteckige Gebäude im Mannheimer Gewerbegebiet Vogelstang hat ein erstaunliches Innenleben. In einer ehemaligen Lagerhalle blickt der Betrachter auf mächtige LED-Wände mit rot-blau-schwarzem Schachbrettmuster. Dann drückt der Mann am Regietisch ein paar Computertasten. In Zehntelsekunden wechselt die Szenerie in einen riesigen Hangar, in den ein Airbus A 380 hineinpassen würde. Und wieder ein paar Tastaturbefehle weiter erscheint die Kulisse einer Western-Science-Fiction-Welt, in der auch gut eine Szene der Star Wars-Erfolgsserie „The Mandalorian“ spielen könnte.

Die mit High-Tech-Elektronik vollgepackten Räume sind das Studio, das Thilo Strack in der Not der Pandemie geschaffen hat. Es ist nun ein weiteres Standbein neben seinem Verleih von LED-Videowänden. „Wir haben aus der Not eine Tugend gemacht“, sagt er. Strack ist damit nicht der Einzige. Mehrere Unternehmer aus der Region, die vor Corona Konzerte, Messen und Industrie-Events konzipiert, beschallt und ins rechte Licht gesetzt haben, sind nun mit hochprofessionellen Studios am Start.

Auf Rockfestivals unterwegs

Vor Corona war Strack mit seinen Videowänden auf Rockfestivals wie beispielsweise dem Southside zu sehen. Dann kam das Virus und das Geschäftsmodell war vorbei. „Kultur, Messen, Industrieveranstaltungen – egal, was man angepackt hatte“, erinnert sich Strack. Nun liegen 4000 Quadratmeter LED-Fläche ungenutzt im Lager. „Totes Kapital“, sagt er. Als Geschäftsmann kann Strack es nur schwer ertragen, wenn Supermärkte und Amazon Umsatz ohne Ende machen, „aber wir dürfen nicht arbeiten.“

Deshalb legte er mit seinem Team den Schalter um, räumte eine 3000 Quadratmeter große Halle aus und baute dort im März 2020 sein Studio auf. Die LED-Wände sind 7,5 Meter hoch, 24 Meter breit, die bespielbare Fläche 13 Meter tief, LED-Flächen ziehen sich auch über die Decke des Studios. Die Nachfrage stellte sich mit Verzögerung ein: Ab September bis zum Jahresende hatte das Team gut zu tun. Für die Netflix-Serie „Biohackers“ (mit Jessica Schwarz in der Hauptrolle) entstand eine Zug-Szene im Mannheimer Studio. Nach der Weihnachtsruhe hat das Geschäft nun wieder angezogen. Bis Mitte Mai ist das Studio ausgebucht.

Trotzdem gleicht es das weggebrochene Geschäft nicht aus. Vor Corona kam Stracks LED-Wand-Verleih auf einen Umsatz von 15 Millionen Euro. Im Pandemie-Jahr waren es nur noch drei Millionen. „Das reicht, um durchzukommen, aber nicht, um den riesigen Wertverlust zu kompensieren“, sagt der gebürtige Pfälzer.

Auch die Veranstaltungsagentur epicto aus Edingen-Neckarhausen erwischte die Pandemie eiskalt. Die Tournee mit Peter Maffay war gerade gestartet. „Die erste Show war gespielt – dann kam Corona“, erinnert sich Marketing-Chefin Jana Schenk. Neun bis zwölf Monate Vorbereitung waren für die Katz. Dass es auch epicto noch einigermaßen gut geht, ist ebenfalls dem Studio-Geschäft zu verdanken. Das Unternehmen hat drei Studios im Haus, und das schon aus Vor-Corona-Zeiten. Infrastruktur, Fachpersonal und Knowhow waren also schon da. Großveranstaltungen mit Publikum finden nicht statt. „Die Unternehmen müssen mit ihrer Kommunikation aber trotzdem raus“, sagt Schenk.

Fachkundige Beratung

Der Kontakt zu Kunden und Mitarbeitern müsse ja weitergehen. Das passiere nun virtuell. Da könne man die Unternehmen fachkundig beraten. Epicto sendete aus seinen Studios unter anderem die Weltkonferenz des Edelfüller-Herstellers Lamy, war gerade diese Woche erst Gastgeber des Vereins Zukunft Metropolregion, der seine Mitgliederversammlung im Studio veranstaltete. Allerdings weiß auch Jana Schenk, dass Livestreams einen anderen Charakter haben als Live-Veranstaltungen. Die Konzentration der Zuschauer am Bildschirm sei nicht so groß. Und für Künstler oder Firmenchefs sei es auch etwas anderes, in die Kamera im leeren Studio zu sprechen als vor Dutzenden, Hunderten oder gar Tausenden Menschen vor Ort.

Virtuelle magische Momente

„Wir schlängeln uns so durch“, sagt auch Christian Ruppel, der mit seiner Firma Medienpark Vision unter anderem die Nibelungenfestspiele und das Jazzfestival Worms beschallt und beleuchtet, ansonsten in der ganzen Republik mit Rockkonzerten am Start ist. Auch er hat Autokino ausprobiert („ein Strohfeuer“), organisierte corona-konforme Kinoabende auf seinem Firmengelände und baute dann, ebenfalls in der Not, zwei Studios in seiner Lagerhalle. Tagungen, Veranstaltungen von Banken und Unternehmen haben Einnahmen generiert.“ Aber die decken die Kosten seines Medienparks bei weitem nicht ab.

Weil ihm kaum anderes übrigbleibt, setzt auch Ruppel weiter auf Studio-Produktionen. Am Ostersonntag, 19 Uhr, gibt’s eine magische Ostershow mit Zauberer Alexander Mabros. Und in Vorbereitung ist eine Varieté-Veranstaltung am 30. April, die ebenfalls von zuhause gestreamt werden kann.

Info: Fotostrecke unter mannheimer-morgen.de

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