Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kommentar Unglückliches Timing

Die Nachricht von der satten Preiserhöhung der Fahrscheine muss der Verkehrsverbund Rhein-Neckar zur Unzeit verkünden. Corona und Erkältungskrankheiten sorgen schon seit Wochen dafür, dass der Takt beispielsweise bei Bussen und Bahnen in den drei Großstädten der Region gehörig ins Stolpern geraten ist. Auf dem Fahrplan der Weschnitzbahn zwischen Weinheim und Fürth sind nahezu die Hälfte der Verbindungen gestrichen, erheblich ausgedünnt ist der Verkehr zwischen Bensheim und Worms.

S-Bahnen kommen entweder verspätet oder gar nicht. Und reihenweise Krankheitsfälle in den Stellwerken von Ludwigshafen und Biblis sorgten jüngst dafür, dass im Schienenverkehr kurzzeitig gar nichts mehr ging.

Der Verkehrsverbund hat dieses Problem nicht exklusiv. In allen Verkehrsverbünden herrscht akute Personalnot. Seitenlang sind die Meldungen der Bahn. In ganz Deutschland fehlen einsatzbereite Lokführer, Stellwerke können nicht durchgehend besetzt werden. Hinzu kommen massive Probleme bei der Ersatzteilbeschaffung. Lieferketten stocken, so dass sich die Werkstätten selber behelfen und zumindest die wichtigsten Komponenten über 3-D-Drucker herstellen. Jetzt rächt sich auch, dass im Sommer während der 9-Euro-Ticket-Testphase alles auf den Schienen unterwegs war, was rollen konnte. Normalerweise werden Ferienzeiten genutzt, um die Fahrzeuge zu warten. Symbolwert hatte auch das Bild der RNV-Straßenbahn, die auf dem Rückweg von einer planmäßigen Wartung in Thüringen vom Tieflader in den Straßengraben kippte und jetzt nur noch Schrottwert hat.

Aber klar ist auch: Strom- und Dieselpreise machen Fahrpreiserhöhungen im Nahverkehr unumgänglich. Deren Notwendigkeit wird keiner anzweifeln. Es bleibt indessen spannend, wie die Nachverhandlungen zur Finanzierung des Deutschland-Tickets verlaufen. Es kann nicht im Interesse des Bundes und der Länder sein, die Verkehrsunternehmen wirtschaftlich vor die Wand fahren zu lassen.