Vogelschutz-Maßnahme

Trotz vorzeitigem Ende: Kritik an Katzenarrest in Walldorf bleibt

Katzen in Walldorf dürfen trotz der erlassenen Allgemeinverfügung zur Ausgangssperre in diesem Jahr früher als angedacht wieder ins Freie. Doch die Kritik an der bundesweit wohl einzigartigen Maßnahme verstummt nicht

Von 
Kai Plösser
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Katzen in Walldorf sind bald nicht mehr eingesperrt und dürfen wieder eigenständig durch die Katzenklappe in die Freiheit entschwinden. © Marijan Murat/dpa

Walldorf. Ausgerechnet zum Internationalen Tag der Katze hat der Rhein-Neckar-Kreis die frohe Botschaft für die Stubentiger im Süden Walldorfs verkündet: Die Ausgangssperre für Katzen zum Schutz der Haubenlerche endet in diesem Jahr zwei Wochen früher, als ursprünglich geplant. Damit dürfen Freigängerkatzen ab dem 15. August wieder die Wohnung oder das Haus verlassen, teilte das Landratsamt des Rhein-Neckar-Kreises mit. Das Brutgeschehen und die Entwicklung der Haubenlerche seien aufgrund der diesjährigen Wetterlage weit fortgeschritten. Dadurch gehe durch freilaufende Katzen keine wesentliche Gefährdung für die Jungvögel mehr aus. Ab dem kommenden Jahr soll die Allgemeinverfügung allerdings wieder wie ursprünglich vom 1. April bis 31. August gelten. Dies ist wie geplant bis zum Jahr 2025 der Fall.

Die in Deutschland wohl einzigartige Maßnahme sorgte bei Inkrafttreten bundesweit sowieinternational für Schlagzeilen. Walldorfer Katzenbesitzerinnen und -besitzer liefen Sturm. „Wir werden überschwemmt von Beschwerden aufgebrachter Bürger“, sagte Bürgermeister Matthias Renschler Mitte Mai. Seitdem die Ausgangssperre für Katzen in Walldorf gilt, seien 43 Widersprüche eingelegt worden, teilte Susanne Uhrig vom Landratsamt auf Anfrage dieser Redaktion mit. Uhrig wiederum bezieht sich auf Zahlen der Unteren Naturschutzbehörde. Demnach sei in einem Fall ein Zwangsgeld verhängt worden. Anfang Juli hatte eine Sprecherin des Landratsamts Heidelberg mitgeteilt, dass der Besitzer oder die Besitzerin schließlich 500 Euro zahlen musste. Sollte eine Katze eine Haubenlerche erwischen, drohen laut der Allgemeinverfügung sogar Bußgelder bis zu 50 000 Euro.

„Tierschutz nicht von Interesse“

Auch Kritiker rief das Thema auf den Plan. Darunter gehört unter anderem der Tierschutzverein Wiesloch-Walldorf. Der Erste Vorsitzende Volker Stutz ließ durch den Deutschen Tierschutzbund, die Deutsche Juristische Gesellschaft für Tierschutz und den Landestierschutzverband Baden-Württemberg ein Gutachten erstellen. Dass sich das Tötungsrisiko der Haubenlerche durch Freigängerkatzen erhöhen würde, beruhe auf unvollständigen und veralteten Erkenntnissen, so die Gutachter. Im Fazit bemängeln die Autoren, dass keine Daten dargelegt werden, die die Verhältnismäßigkeit der Ausgangssperre überprüfbar machen. „Mögliche Maßnahmen, die in anderen Gemeinden, welche auf das Verbot des Freigangs verzichten, nicht nur zum Erhalt, sondern zur Erhöhung der Population führen, bleiben unberücksichtigt“, heißt es.

Stutz wollte sich gegenüber dieser Redaktion zur diesjährigen Verkürzung der Maßnahme nicht äußern. Er sagt aber: „Würde man sich mit externen Fachleuten zum Beispiel vom Deutschen Tierschutzbund unterhalten, würde man genügend Möglichkeiten finden, den Haubenlerchen zu helfen.“ Doch diese Möglichkeiten seiem nicht in Anspruch genommen worden. „Tierschutz war hier nicht von Interesse“, bemängelt Stutz. Den Betroffenen rät er, „rechtliche Schritte vorzubereiten, je nach dem, wie die Untere Naturschutzbehörde die Widersprüche gegen die Allgemeinverfügung bewertet“. Stand heute folgte auf Widersprüche noch kein Bescheid der Behörde, hebt er hervor. Im Gegenteil: Stutz hat nicht feststellen können, „dass sich jemand um die Lösung der Probleme dieser Menschen ernsthaft bemüht hätte“.

Der Naturschutzbund Baden-Württemberg (Nabu BW) möchte die Maßnahme nicht bewerten. Sprecherin Claudia Wild erklärt gegenüber dieser Redaktion: „Katzen tragen mit dazu bei“, dass die Vogelpopulation sinke. Die Vierbeiner sind somit ein zusätzlicher negativer Faktor, aber nicht das Hauptproblem. Dies sei der Mensch durch die Bebauung von Flächen, womit die Katze in die Gebiete der gefährdeten Feld- und Wiesenvögel eindringe.

Auch unter der Intensivierung der Landwirtschaft würden die Vögel leiden, hatte der Nabu BW in einer Pressemitteilung betont. Nahrung, Brutplätze und Lebensräume schwinden dadurch. Somit müsste sich in der Art der Landwirtschaft sowie im Flächenverbrauch etwas ändern. „Beim Schutz der Haubenlerche geht es deshalb um einen Konflikt, der sich nicht isoliert in Walldorf lösen lässt“, so der Nabu BW. Die Behörde habe in ihrer Not reagiert, um eine kleine Restpopulation der Vögel im Land zu schützen, wird die Maßnahme verteidigt. Für die Allgemeinverfügung sprach sich der Nabu BW jedoch nicht explizit aus. Die Organisation appelliert dagegen, in der Brutzeit zwischen Mitte Mai und Mitte Juli Katzen vor allem in den Morgenstunden drinnen zu lassen.

Tierschutz gegen Artenschutz

Bei dem Thema stehe auf der einen Seite der Tierschutz und auf der anderen der Artenschutz, erklärt Wild weiter. Es gehe um die Frage, ob es gerechtfertigt sei, eine ganze Tierart für den Artenschutz einzuschränken. Wild wirft ein, dass es auch andere Wege gebe, beispielsweise, dass die Vögel auch mittels Elektrozäunen oder Körben über den Brutnestern geschützt werden könnten. Die Nabu-Sprecherin fügt hinzu: „Mittelfristig wird es sicherlich darum gehen, für solche gefährdeten Arten in der Landwirtschaft Platz zu finden.“

Der Geltungsbereich für die Allgemeinverfügung liegt im Süden Walldorfs und umfasst rund ein Drittel des Stadtgebiets. Betroffen sind Hunderte Haushalte. Ausnahmen, um die Katzen von der Allgemeinverfügung zu befreien, sind möglich, wenn die Vierbeiner im Freien an maximal zwei Meter langen Leinen geführt werden oder mittels GPS-Tracking nachgewiesen werden kann, dass sich die Tiere nicht im Gefahrenbereich bewegen.

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