Rhein-Neckar. Das wichtigste Werkzeug an Bord ist derzeit die Starterbatterie. Bei zehn der elf Einsätze an diesem Tag muss Yücel Vural den Kasten auspacken und Starthilfe geben. „Das ist aktuell bei rund 80 Prozent aller Kunden der Fall“, sagt der 29-Jährige. Yücel Vural ist ein echter Engel – ein gelber Engel. Seit 2016 arbeitet er bei der ADAC-Pannenhilfe und ist einer von rund 20 Kollegen, die im Bereich von Mannheim und Heidelberg helfen, wenn der Wagen nicht anspringt.
Dabei ist der Gelbe Engel Vurals absoluter Traumberuf. „Ich hab’ mein ganzes Leben drauf hingearbeitet, dass ich ein ,Gelber Engel’ sein darf“, sagt er. Die Initialzündung gab ein Erlebnis in der Kindheit. Die Familie war unterwegs, zu Besuch bei Verwandten in Hanau. Als sie wieder nach Hause fahren wollte, sprang das Auto nicht an. Der Klassiker: Die Batterie hatte schlapp gemacht. Ein ADAC-Pannenhelfer kam und gab erfolgreich Starthilfe. Das beeindruckte den kleinen Yücel derart nachhaltig, dass er beschloss, Pannenhelfer zu werden. 2012 schloss er seine Ausbildung als KfZ-Mechatroniker ab, 2015 hatte er seinen KfZ-Meisterbrief in der Tasche. Und 2016 heuerte er beim ADAC an. „Aber auch vorher habe ich schon immer wieder Pannenhilfe geleistet“, erzählt er. Wenn ein Auto mit Warnlicht am Straßenrand stand, habe er angehalten und geholfen, den Wagen wieder flott zu machen.
Zehn Helfer gleichzeitig
Das darf er nun hauptberuflich machen. Dienstbeginn der Acht-Stunden-Schicht an diesem trocken-kalten Montag ist um 10.30 Uhr. Der Disponent hat so viele Aufträge, dass die aktuell sechs Gelben Engel gut beschäftigt sind. Wenn die Temperaturen unter den Gefrierpunkt rutschen, schickt der ADAC auch schon mal zehn Engel gleichzeitig auf die Straße.
Die erste Panne wartet auf Yücel Vural in Heidelberg-Bergheim. Am Morgen sei der Wagen noch gefahren, berichtet Autobesitzer Jean-Paul Chidiac. Jetzt steht sein B-Klasse-Mercedes am Straßenrand und tut keinen Mucks mehr. Vural öffnet die Beifahrertür und nimmt die Fußmatte zur Seite. In der B-Klasse ist die Batterie nämlich im Fußraum verbaut. Der Pannenhelfer prüft die Restspannung. „Die Batterie ist elf Jahre alt. Wenn Sie nur Kurzstrecken fahren, werden sie bei diesen Temperaturen öfter Probleme haben“, sagt er seinem Kunden. Er hat allerdings eine passende Austauschbatterie an Bord seines Servicewagens, könnte sie gleich einbauen. „Das ist wundervoll, perfekt“, freut sich Paul Chidiac.
Während Vural die neue Batterie holt, ruft ein Mann durch das Gitter des benachbarten Grundstücks: „Hätten Sie dann vielleicht auch kurz Zeit für mich?“ Auch dieser Mann braucht Hilfe, sein VW-Tiguan tut ebenfalls keinen Mucks mehr. Dabei war auch dieser Autofahrer am Morgen noch unterwegs, hat Umzugskisten hin und her transportiert. „Man kann uns auch direkt auf der Straße ansprechen,“ erläutert Vural. Nicht zuletzt deshalb dauere es manchmal ein bisschen länger, bis man zum nächsten Auftrag komme.
Die ADAC-Pannenhilfe
- Seit 1928 leistet der ADAC in Deutschland Pannenhilfe. Am Anfang waren 34 Motorräder und Autos als Hilfsfahrzeuge in 24 ADAC-Gauen unterwegs.
- Nach dem Zweiten Weltkrieg startete der Service 1954 als „ADAC-Straßenwacht“ neu durch.
- Heute gibt es etwa 1700 „Gelbe Engel“, alle ausgebildete KfZ-Mechatroniker, -mechaniker, -elektriker oder -Meister. Zu den Einstellungsvoraussetzungen zählen neben technischem Wissen Freundlichkeit, Kommunikationsfähigkeit und Teamgeist.
- Zur Ausstattung der Einsatzfahrzeuge gehören mehr als 600 Werkzeuge, Ersatzteile und Zubehör, darunter auch Diagnosegeräte, Starthilfebatterien sowie Erste-Hilfe-Ausrüstung.
- In Hamburg, Berlin, Köln, Münster und Darmstadt kommt die Pannenhilfe sogar per E-Bike als Lastenfahrrad.
- Zu den Pannenhelfern kommen rund 750 sogenannte Mobilitätspartner, meist Autowerkstätten und Abschleppunternehmen.
- Der ADAC hilft zunächst grundsätzlich jedem, ob Mitglied oder nicht. Die Hilfe der Straßenwachtfahrer ist kostenlos. Wenn allerdings ein Vertragspartner, etwa ein Abschleppdienst oder eine Vertragswerkstatt eingesetzt wird, berechnet dieser seine Leistung. Für ADAC-Mitglieder bleibt die Hilfe kostenlos.
Schnell noch die Batterie eingebaut, die Pole mit einem Schutzspray eingesprüht und den bürokratischen Teil des Einsatzes erledigt, dann wird der nächste Kunde bedient. „Ich hab’ mit dem Wagen kürzlich mein Wohnmobil überbrückt“ erläutert Oliver Lamers. Den Wagen hat er gebraucht gekauft und nun zum ersten Mal damit eine Panne. „Starten Sie mal. Ich hör’ mir mal an, was passiert“, bittet Vural. Außer einem ungesunden Klackern passiert gar nichts. Klarer Fall: auch hier die Batterie. Beim Blick in den Motorraum sagt der Pannenhelfer: „Oh, Sie haben noch mehr Probleme.“ Neben der Batterie liegen Reste von Isoliermaterial. „Da hat sich’s ein Marder gemütlich gemacht.“, erläutert Vural – und entdeckt, dass das Tierchen sich auch an der Unterdruckleitung des Bremskraftverstärkers gütlich getan hat. Während Vural die Batterie nun drei Minuten anlädt, repariert er die Unterdruckleitung und prüft noch den Ölstand: alles bestens. Auch die Batterie ist noch in gutem Zustand. „Sie müssen jetzt mit dem Wagen 45 Minuten fahren, dann ist die Batterie wieder voll geladen“, empfiehlt er.
Lamers bekommt einen Ausdruck mit den Batteriewerten. Bezahlen muss er für die Starthilfe nichts. Er ist seit vier Jahren wieder ADAC-Mitglied. Das deckt die Pannenhilfe mit ab. „Als wir uns vor ein paar Jahren wieder ein Auto zugelegt und Nachwuchs bekommen haben, sind wir wieder eingetreten. Da ist man halt schon auf der sicheren Seite“, sagt Lamers.
Die nächste Panne wartet in Handschuhsheim. Der Ford Focus einer älteren Dame steht in der Garage und springt nicht an. Wann sie zuletzt mit dem Wagen gefahren ist, kann sie gar nicht sagen. Die Lichtmaschine ist in Ordnung. Und die Batterie ist auch nicht defekt“, erklärt Vural. Aber auch hier rät er: 45 Minuten lang mit dem Auto fahren und so die Batterie wieder aufladen.
Menschliche Komponente
Die Ansprache der Kunden sei ganz wichtig, sagt er. Auf ein freundliches und zuvorkommendes Auftreten werde bei den Pannenhelfern ausdrücklich Wert gelegt. Das Auftreten sei sogar wichtiges Einstellungskriterium: „Neben Theorie und Praxis zählt auf jeden Fall auch die menschliche Komponente“, weiß Vural. Meist werde man auch freundlich begrüßt, schließlich bringe man ja auch Hilfe. Nur einmal in seiner bislang sechsjährigen Dienstzeit hat Vural einen Einsatz abbrechen müssen. Er leiste keine Starthilfe, wenn jemand nicht fahrtüchtig sei, deutet er an, dass Alkohol im Spiel gewesen sei. Da sei die Diskussion dann auch mal lauter geworden. Das sei aber auch nur einmal vorgekommen.
Am Ende sind es an diesem Tag elf Einsätze. Zehnmal gibt es Starthilfe, einmal war der Wagen abgesoffen. Aber Vural hat alle Autos wieder zum Laufen gebracht. „Ich hab eine Erfolgsquote von vielleicht 90 Prozent“, schätzt er. Dann ist Feierabend. Am nächsten Tag ist der Gelbe Engel wieder unterwegs. Es warten jede Menge entladener Batterien auf Starthilfe.
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