Rhein-Neckar. Die maroden Rheinbrücken in Ludwigshafen machen erfinderisch. So stößt der Stau-Frust im Berufsverkehr bei Planern und Pendlern sogar Gedankenspiele über Seilbahnen, Pontonbrücken oder Wassertaxis an. Wie der berühmte Strohhalm scheint derzeit fast alles denkbar. Da Rheinquerungen Mangelware sind, ist es kein Wunder, dass die Emotionen Wellen schlagen, wenn der baden-württembergische Landesrechnungshof empfiehlt, den Betrieb der landeseigenen Motorfähre zwischen der Kollerinsel bei Otterstadt und dem rechtsrheinischen Brühl einzustellen. Eine Online-Petition gegen „diese Entscheidung zur Unzeit“ findet innerhalb kurzer Zeit mehr als 2100 Unterstützer. Und die Brühler SPD organisiert kurzfristig einen Ortstermin, bei dem sich am Samstag, 26. Oktober, ab 13 Uhr, Menschen über die Bedeutung der Kollerfähre informieren können.
Betrieb soll weitergehen
Letztlich war der Sturm der Entrüstung wohl umsonst: Am Dienstag teilt das Stuttgarter Finanzministerium mit, dass „das Land den Betrieb der Kollerfähre nicht einstellen will“. Die Landesregierung habe in ihrem Entwurf des nächsten Doppelhaushalts für die Jahre 2020/21 die Betriebsmittel für die Fähre eingeplant. Der Landtag werde im Dezember über den Haushalt entscheiden. „Es ist richtig, dass wir mit der kommunalen Seite das Gespräch über die Verteilung der Kosten gesucht haben. Der Betrieb betrifft ja auch lokale Belange wie die Naherholung, die nicht zu den Finanzierungsaufgaben des Landes zählen“, heißt es weiter aus Stuttgart.
Zwei Ruhetage
Ganz unrecht hat das Ministerium damit nicht, denn die Kollerfähre ist – anders als ihr Altriper Pendant – keine Pendlerfähre. Schon deshalb nicht, weil das Schiff montags und dienstags überhaupt nicht fährt und die Saison laut Fahrplan ohnehin nur von Anfang März bis Ende Oktober dauert. Gleichwohl hatten die Landtagsabgeordneten des Rhein-Neckar-Kreises sowie Landrat Stefan Dallinger betont, dass die Kollerfähre „ein notwendiger Bestandteil“ der Landstraße 630 von Schwetzingen über Brühl bis zur Landesgrenze nach Rheinland-Pfalz sei, und die Kollerinsel darauf angewiesen ist.
Der großherzogliche Erlass von 1834 wurde ebenso in die Diskussion geworfen wie das bis 1945 geltende preußische Wegerecht, nach dem die Fähre zur öffentlichen Straße geworden ist, und deshalb als Bestandteil einer Landesstraße in die Baulast des Landes Baden-Württemberg falle. Wie dem auch sei, bis 2021 hat das Schiff wohl mehr als eine Handbreit Wasser unterm Kiel.
Auf einer kleinen Erfolgswelle schwimmt die Altriper Rheinfähre wegen der gesperrten Hochstraße Süd in Ludwigshafen: „Ab 13 Uhr nimmt der Betrieb spürbar zu und die Fähre pendelt ununterbrochen hin und her“, berichtet eine Sprecherin der Rheinfähre Altrip GmbH auf Anfrage. Normalerweise lege das Schiff zu jeder vollen Viertelstunde auf der Mannheimer Seite ab. Doch im Berufsverkehr erhöhe sich diese Frequenz nun deutlich. Bei optimaler Auslastung bringt das Altriper Schiff nach Angaben von Geschäftsführer Jürgen Jacob täglich etwa 1500 Autos über den Rhein. Angesichts von 55 000 Fahrzeugen, die über die Rheinbrücken rollen, ein Tropfen auf den heißen Stein. Eine zweite Fähre, die parallel verkehrt, rechne sich betriebswirtschaftlich allerdings nicht. Zudem könnten die Schiffe bei Hoch- oder Niedrigwasser gar nicht fahren.
Gemeinde übernimmt 2020
Abseits der Hochstraßen-Diskussion, ohne große Wellen und ziemlich vorbildlich, übernimmt Edingen-Neckarhausen im April 2020 den Betrieb der Neckarfähre. Nach dem Ausstieg der Fährgemeinschaft war das laut Bürgermeister Simon Michler die einzige Möglichkeit, die schwimmende Brücke zu erhalten. Bei jährlichen Einnahmen von rund 200 000 Euro und Ausgaben etwas darunter rechnet er nicht mit einem Defizit. Sollte es trotzdem rote Zahlen geben, will die Stadt Ladenburg auf der anderen Seite des Neckars aushelfen, wie Bürgermeister Stefan Schmutz betont.
Für die unglücklichen Pfälzer ist das Beispiel Neckarhausen freilich ein schwacher Trost. Doch Not macht bekanntlich erfinderisch, und vielleicht haben Pendler auf Job-Rädern bald freie Fahrt auf den neuen Bike-Autobahnen der Region.
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