Frankenthal. Der Wirbel um die Frankenthaler Stadtklinik geht weiter. Seit die Klinik in städtischer Trägerschaft 2019 in die Schlagzeilen geraten ist, weil Intensivpatienten angeblich länger als medizinisch notwendig künstlich beatmet wurden, folgt eine Krise der nächsten. Die Intensivstation ist zwar medizinisch rehabilitiert, da drei Gutachter keinerlei Hinweise für eine unsaubere Beatmungspraxis aus wirtschaftlichen Gründen gefunden haben. Aktuell schlägt aber die Aufarbeitung der „Stadtklinik-Affäre“ Wellen. Sie hat dem Frankenthaler Oberbürgermeister Martin Hebich (CDU) jetzt eine Dienstaufsichtsbeschwerde bei der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD) in Trier eingebracht.
So kritisieren die Stadtratsfraktionen von Freien Wählern und SPD die Vergabe der Gutachter- und Beraterverträge und wollen sie deshalb von der Kommunalaufsicht der Trierer Behörde überprüfen lassen. Einer Mitteilung zufolge geht es um Verstöße gegen haushaltsrechtliche Vorschriften. Im Mittelpunkt stehen Verträge über insgesamt mehr als vier Millionen Euro, die die Stadt mit Wirtschaftsprüfern und Beratern abgeschlossen hatte, um mutmaßliche Missstände in der Stadtklinik aufzuklären. Nach Einschätzung der Fraktionen von SPD und FWG zu viel. Nach ihrer Einschätzung hat der Stadtchef versäumt, Vergleichsangebote einzuholen. Wie die ADD auf Anfrage dieser Redaktion erklärt, „ist die Beschwerde eingegangen und wird momentan bearbeitet“.
Allerdings sei die Behörde nach den beamtenrechtlichen Regelungen für Dienstaufsichtsbeschwerden, welche sich gegen das persönliche Verhalten des handelnden Beamten richten, nicht zuständig. Deshalb müsse zunächst überprüft werden, ob die Beschwerde sich auch gegen das fachliche Handeln des Oberbürgermeisters richtet.
Kanzlei beauftragt
Im Herbst hatte die SPD einen Fragenkatalog zu dieser Thematik eingereicht. In einer Sondersitzung von Stadtrat und Krankenhausausschuss wurde das Ergebnis einer von der Stadt beauftragten Kanzlei vorgestellt. In einer Zusammenfassung, die dieser Redaktion vorliegt, kommen die Experten zu der Einschätzung, dass „das Vergaberecht in den weit überwiegenden Fällen eingehalten wurde“. Den Untersuchungsgegenstand bilden laut Sitzungsunterlagen 20 Einzelberater- und Gutachterleistungen. Überprüft habe man, ob das öffentliche Vergaberecht sowie die vergaberechtlichen Regelungen der Stadt eingehalten wurden. Im Fokus stand zudem, ob die Vergabe nach der Gemeindeordnung des Landes Rheinland-Pfalz und der im geltenden Ortsrecht festgelegten Zuständigkeiten erfolgt ist.
Die Sachverständigen kommen zu dem Schluss, dass die Stadt den in zwei Teile gegliederten Auftrag an die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young hätte europaweit ausschreiben müssen. Zudem sei der haushaltsrechtlichen Vorgabe, vor einer Auftragserteilung weitere Vergleichsangebote einzuholen „nicht durchgehend entsprochen worden“. Über zwei weitere Aufträge hätte der Haupt- und Finanzausschuss abstimmen müssen.
„Der Inhalt der Dienstaufsichtsbeschwerde ist mir bislang nicht bekannt. Mit der ADD bin ich aber stets im engen Austausch, auch hinsichtlich der Stadtklinik“, erklärt Oberbürgermeister Martin Hebich dieser Redaktion. Die Anfrage der SPD habe er umfassender beantwortet, als gefragt wurde. Man habe sowohl das Haushaltsrecht als auch das Vergaberecht unabhängig untersuchen lassen. „Bei der Vielzahl der Verträge, die in sehr kurzer Zeit beauftragt werden mussten, gab es zwei, drei Verstöße, die man heute anders beurteilen würde. Dabei handelt es sich größtenteils um Anschlussverträge: Punkte, die bei den Untersuchungen erst zur Tage getreten sind, mussten untersucht werden und dies hat man dann in die Hände derer gegeben, die bereits in die Materie vertieft waren“, so Hebich.
Kein wirtschaftlicher Schaden
„Die Neubeauftragung von fremden Prüfern hätte mit Sicherheit keine Kostenvorteile gebracht und die Prüfungen noch weiter verzögert“, teilte er mit. „Für diese Fehler habe ich mich vor dem Stadtrat entschuldigt und bin sie auch offensiv angegangen. Aber ein wirtschaftlicher Schaden ist nicht entstanden.“
So hätten ihm die Anwälte der im Herbst beauftragten Kanzlei attestiert, dass keine unangemessen Preise bezahlt wurden. Außerdem sei Eile geboten gewesen, da der Ruf der Stadtklinik auf dem Spiel gestanden habe. „Über die getroffenen Maßnahmen herrschte damals politisch Einigkeit.“
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