Soziale Netzwerke liefern Kriminellen Hinweise auf lohnende Entführungsopfer

Lesedauer: 
Professor Adolf Gallwitz ist Psychologe an der Polizeihochschule Villingen-Schwenningen. © dpa

Was treibt einen Entführer an? Im Gespräch mit dieser Zeitung spricht der Polizeipsychologe Adolf Gallwitz von der Hochschule in Villingen-Schwenningen über psychische Voraussetzungen, Geldübergaben und die Gefahr von sozialen Netzwerken.

"Entführungen sind ein sehr komplexes Kapitalverbrechen, das nicht jeder intellektuell und logistisch meistern kann", betont Gallwitz. Es gebe reine Kapital-Entführungen, bei denen Mitglieder wohlhabender Familien verschleppt werden, um Geld zu erpressen. "Mit Facebook, Twitter und Co. haben es Kriminelle heute sehr leicht, sich passende Opfer auszusuchen. Da postet ein leitender Manager schon mal ein Bild von seiner Tochter, die immer mittwochs um 14 Uhr beim Tennisverein Schwarz-Rot trainiert. Häufig kommen die Täter nämlich aus dem Umfeld ihres Opfers", so der Polizeipsychologe. Eine hohe Dunkelziffer gebe es beim sogenannten "Revenge-Kidnapping" im Unternehmermilieu: "Hier werden Menschen verschleppt, weil sich Geschäftspartner über den Tisch gezogen fühlen und sich rächen oder einen Konkurrenten zu einem Geschäft zwingen wollen.

Wie es um die psychische Verfassung eines Täters bestellt sei, merke man oft an den Lösegeldforderungen. "Wenn jemand krumme Summen wie 137 500 Euro haben möchte, muss man sich Gedanken machen." Die Übergabe des Lösegeldes sei der Grund für die hohe Aufklärungsquote. "Das ist der schwierigste Punkt, auch wenn manche Täter wie der KDW-Erpresser mit seinem Tunnel und den Robotern erfinderisch sind - ist die Chance, dabei erwischt zu werden irre hoch."

Im Fall Reemtsma seien viele Geldübergaben gescheitert, weil die Entführer Polizeipräsenz vermuteten. "Daraufhin haben sie ihre Forderung auf 30 Millionen D-Mark erhöht. Die Angehörigen entschieden, die Übergabe alleine durchzuziehen und haben dafür einen Kieler Professor und einen Hamburger Pfarrer angeheuert." (sin)

Copyright © 2025 Mannheimer Morgen