Kallstadt/Bad Dürkheim. Weder Schild noch Tafel, geschweige denn so etwas wie ein Denkmal - nichts: Auf den aktuell berühmtesten Abkömmling Kallstadts gibt es in dem idyllischen Weindorf in der Pfalz keinerlei Hinweise. Und das beschreibt im Wesentlichen schon das heutige (Un-)Verhältnis der Einwohner zu Donald Trump, dessen Großvater 1885 aus dem kleinen Ort in die weite Welt aufgebrochen war.
Nachdem bei der ersten Wahl Trumps noch ein internationaler Medienrummel über Kallstadt hinweggezogen war, blieb es in diesem Jahr still im Ort. Die Frage, ob Trump gewinnt oder nicht, wird allenfalls mit einem Schulterzucken quittiert. Das war 2017 noch anders: Damals schwang in Interviews mit Kallstadtern durchaus noch so etwas wie Respekt für die augenscheinliche Erfolgsgeschichte des manischen Maulhelden mit.
Tatsächlich ist ein trumpähnlicher Typus in der Pfalz durchaus gängig: der „Baddscher“ - ein unangenehmer Typ, der laut und aufdringlich ist, alles besser weiß. Die Frage ist: Steckt auch noch ein Pfälzer in Trump? Ein Ortsbesuch soll Aufklärung bringen: Das Haus der Trumps in Kallstadt ist leicht zu finden, von wo aus der Großvater Friedrich Trump im Alter von 16 Jahren gen Amerika zog und die Geschichte also ihren Anfang nahm. Sie ist vielfach erzählt: Friedrich nannte sich fortan Frederick, wurde Amerikaner. Er zog von Manhattan in den immer noch Wilden Westen, wurde Gastronom, Hotel- und Bordellbetreiber, profitierte vom Goldrausch am Yukon.
Die Rückkehr der Trump-Vorfahren in die Heimat schlug fehl
1901 kehrte er zurück nach Kallstadt, um sich eine Frau zu suchen, und heiratete 1902 die Nachbars-tochter Elisabeth Christ. Sie gingen wieder nach Amerika - aber die junge Ehefrau kam mit der neuen Heimat nicht zurecht. Frederick Trump versuchte, die gemeinsame Rückkehr in die Wege zu leiten. Seine Anträge wurden allerdings abgeschmettert, weil er sich durch die Auswanderung der Wehrpflicht entzogen hatte. 1905 wog das schwer im militaristisch gewebten wilhelminischen Reich. Das Paar musste also in den USA bleiben. Frederick Trump verstarb früh mit 50 Jahren. Es war seine Witwe, die mit Sohn Fred jr. ein Immobilien-Imperium aufgebaut hat, mit der ihr Enkel Donald später die Mär vom Selfmademilliardär verbreitete.
Würde die Heimat ihm heute einen roten Teppich ausrollen? Kallstadts Ortsbürgermeister Thomas Jaworek ist kein Mann vorschneller Antworten - er wägt ab. Tatsächlich habe ein Ortsbesuch Trumps mehrfach im Raum gestanden, berichtet er. Zum Beispiel als dieser auf Reisen Zwischenstopps auf der nahe gelegenen Airbase Ramstein eingelegt hatte. Mit dem Auto hätte er 45 Minuten gebraucht, um die Heimat seiner Ahnen zu besuchen. Allein: Trump kam nicht.
Auch über seine Herkunft verbreitete Trump Lügen
Die Wahrheit dürfte sein: Donald Trump pfeift auf die Pfalz und seine Wurzeln. Er hat sogar versucht, die Spuren zu verwischen. In jungen Jahren hat er die Mär verbreitet, seine Familie habe schwedische Wurzeln. Das hatte bereits der Vater aus geschäftlichen Gründen getan. Journalisten korrigierten diese Lüge. Inzwischen könnte man bilanzieren: Die Trumps durften 1905 nicht zurück.
Heute würde kaum jemand jubeln: „Wenn er zu Besuch kommt, dann kommt er - wenn nicht, dann eben nicht.“ Mehr Enthusiasmus kann Trump von Kallstadt nicht mehr erwarten. „Irgendwie würde Donald Trump nicht so recht hierher passen“, resümiert Bürgermeister Jaworek. Dabei ist er selbst ein Zugewanderter, der vor vielen Jahren aus Bayern kommend seine berufliche Heimat beim nahe gelegenen Chemie-Riesen BASF und sein privates Glück in Kallstadt gefunden hat. Er hält die Pfälzer für ein herzliches, kommunikatives und integratives Völkchen.
Die Beschreibung ist nach Ansicht von Christian „Chako“ Habekost mindestens leicht untertrieben. Der Comedian, Musiker und Autor ist der Pfalz-Flüsterer per se. Kaum jemand erklärt die Region und ihre Menschen so kenntnisreich wie humorvoll.
Pfälzer Zwischentöne sind dem Egomanen Trump komplett fremd
Um zu prüfen, ob noch ein Pfälzer in Donald Trump steckt, braucht es erst einmal eine Definition, was den eigentlich ausmacht. Und für Habekost ist es vor allem die „Sproooch“, ein herrlicher Singsang, der ohne harte Konsonanten, ohne Genitiv auskommt, eine Sprache, die gerne laut sein kann, grob, aber gewitzt, dabei cool und situativ maulfaul - aber fast immer brutal direkt. „Der Pfälzer trägt das Herz auf der Zunge. Er sagt geraderaus, was er denkt“, so Habekost. Hier ist ein Muster erkennbar. Auch Trump macht aus seinem Herzen keine Mördergrube und spricht aus, was viele denken (und andere nicht mal zu denken wagen) - eines seiner Erfolgsgeheimnisse. Eher unpfälzisch sei der Trump’sche Hang, methodisch zu lügen.
Bei Punkt zwei der Definition wird es metaphysisch: Die Pfälzerinnen und Pfälzer seien widersprüchlich gestrickt. Die herrliche Landschaft zwischen Rheinebene, Rebenmeer und dem Pfälzer Wald war sehr oft Kriegs- und Aufmarschgebiet, heute lockt sie Heerscharen von Touristen an - und dennoch ruhe sie davon unberührt in sich, sagt Pfalz-Kenner Habekost.
Das spiegele sich in der Bevölkerung: Sie sei weltoffen, gleichzeitig tief verwurzelt, offenherzig, aber auch etwas linkisch, wenn das Rampenlicht allzu sehr auf sie fällt. Herzlich bei der unmittelbaren Begegnung, aber steif, wenn sie förmlicher werden sollen. Und solcherart gelebter Widerspruch, solche Zwischentöne seien dem eindimensionalen Egomanen Trump komplett fremd, der stets nur um sich selbst kreist.
Hätte er mal besser einige Weinschorle getrunken...
Und man kann die Pfalz nicht verstehen ohne Wein. Seit 2000 Jahren werden Trauben hier angebaut, heute auf 220 Quadratkilometern. 500 Weinfeste finden jährlich statt. Und bei diesen Festen sind die feierwütigen Pfälzerinnen und Pfälzer ganz bei sich: Eine tragende Rolle spielt dabei die Weinschorle, wobei die regionale Mischung weitgehend auf Wasser verzichtet.
Getrunken wird heftig aus Schoppen-Gläsern, in die ein halber Liter passt. Man sitzt beieinander, frotzelt, flirtet, streitet (der Pfälzer nennt es „dischpeddiere“) laut und wortreich. Es geht ums Beieinandersein und Miteinandersein, auch soziale Schranken fallen im Ansturm der Schorle-Seligkeit. Es geht darum, das Leben zu feiern. Und man kann sich Donald Trump in einem solchen Rahmen partout nicht vorstellen, meint Habekost. „Der hat doch auch nie gelernt zuzuhören.“
Donald Trumps politische Botschaften verströmen Aggression, ja Hass. Das widerspricht zutiefst dem Wesen dieser frohsinnigen Region. Vielleicht hätte ja geholfen, hätte er in seinem Leben ein paar Hektoliter Riesling-Schorle getrunken. Aber der Zug ist durch. Deshalb dürfte „Chako“ Habekost mit seinem Wunsch nicht alleine sein: dass Donald Trump trotz seiner Pfälzer Ahnen die Gegend auch künftig lieber meiden möge.
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