Landgericht Mannheim

Sieben Angeklagte aus dem Rockermilieu in Mannheim vor Gericht

Von 
Martin Tangl
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Mannheim. Polizisten mit Maschinenpistolen vor dem Mannheimer Landgericht, auch drinnen starke Polizeipräsenz und strenge Kontrollen am Einlass zur Saal 1: Vor dem Schwurgericht der Ersten Großen Strafkammer waren am Donnerstag sechs Männer und eine Frau im Alter zwischen 30 und 38 Jahren aus dem Rockermilieu eines Karlsruher Motorrad-Clubs angeklagt. Sie sollen im Dezember 2020 den Besitzer eines Hockenheimer Tattoo-Studios mit Schlägen und Tritten gezwungen haben, ihnen die Rechte an seinem Geschäft per Vertrag zu überschreiben. Außerdem hätten die Beschuldigten eine Umhängetasche mit rund 1000 Euro, einen Fernseher sowie weitere Gegenstände aus dem Besitz des Opfers entwendet. Im Laufe der Attacken soll einer der mutmaßlichen Täter den Geschädigten durch einen Messerstich in die Lunge schwer verletzt haben.

Schon am Einlass zum Saal vor der Sicherheitsschleuse hat sich eine lange Warteschlange gebildet. Angehörige und Freunde der Angeklagten wollen den Prozessbeginn unbedingt mitverfolgen. Doch unter Corona-Bedingungen wird nur 15 Zuhörern Zutritt gewährt, was im Foyer des Landgerichts Frust und Ärger auslöst. Auch drinnen im Saal sind Justiz- und Polizeibeamte präsent, als die sieben Angeklagten und ein Dutzend Rechtsanwälte in dicht gedrängten Reihen verspätet Platz nehmen. Durch die teilweise lange Anreise der Verteidiger sowie der Beschuldigten aus verschiedenen Strafanstalten in Baden-Württemberg verzögert sich der Prozessbeginn um eine halbe Stunde.

Anklage: versuchter Totschlag

Und so soll sich laut Staatsanwalt Knobloch die Tat abgespielt haben:  einer der Täter habe sich mit dem späteren Opfer zu einem Geschäftstermin im Tattoo-Studio verabredet.  Die Angeklagte Natascha L. soll den Laden vorher schon aufgeschlossen haben, so dass sich bereits sechs bis sieben Personen mit Eisenstangen, Messern und Quarzhandschuhen bewaffnet, auf den Mann gewartet haben. Weitere   Männer seien dazugekommen, alle hätten dann den Studiobesitzer mit Schlägen und Tritten traktiert. Als sich der Angegriffene mit einem Schlag auf die Nase von Leutrim K. gewehrt habe, soll dieser ihn mit dem Messer im Bereich des Schulterblatts verletzt haben.  Durch die Misshandlungen eingeschüchtert habe dann der Geschädigte den Verzichtsvertrag unterschrieben und sei mit seinem Pkw weggefahren, kurz darauf aber zurückgekehrt, um seine Umhängetasche mit dem Geld zu holen. Bei der Rückkehr soll es dann zu weiteren Auseinandersetzungen gekommen sein, weil Gegenstände aus dem Haus geschafft wurden. Dabei habe Natascha L. dem Opfer eine Glasflasche auf den Kopf geschlagen. Infolge der Stichverletzung habe der Studiobesitzer schließlich notoperiert werden müssen, so die Staatsanwaltschaft.

Die Anklage gegen Leutrim K. lautet deshalb auf versuchten Totschlag. Er und weitere vier Männer werden außerdem des besonders schweren Raub, gefährlicher Körperverletzung sowie räuberischer Erpressung beschuldigt. Die fünf Männer befinden sich in Untersuchungshaft und wurden im Gerichtssaal mit Fußfesseln vorgeführt. Natascha L. und Hagen R. sind zumindest wegen Beihilfe beziehungsweise Anstiftung angeklagt. Die Sieben wollen vorläufig zu den Anschuldigungen schweigen.

In einem zweiten Anklagepunkt wird der Frau vorgeworfen, sie habe den Angeklagten Hagen R. ab Juni 2020 in der JVA Mannheim über einen bestochenen Justizbeamten mit Marihuana, Haschisch, Kokain sowie Mobiltelefonen versorgt, damit er im Gefängnis durch Handel zu Geld kommen könne. Der Deal war im August 2020 aufgeflogen.

Mit einem juristischen Scharmützel schließlich endete der erste Prozess-Vormittag. Die Mannheimer Anwältin Miriam Haas bemängelte in einem Antrag „die vorschriftswidrige Besetzung“ der 1. Strafkammer. Weil sich der im Geschäftsverteilungsplan vorgesehene Richter im Oktober/November in einem dreiwöchigen Urlaub befindet, war Richterin Völker als Ersatz-Besitzerin bestellt worden. Das halten Haas wie auch alle anderen Verteidiger für unzulässig. Urlaub sei kein Grund für eine Umbesetzung der Kammer. Dazu der Vorsitzende Richter Gerd Rackwitz: „Die Hauptverhandlung wird fortgesetzt. Die Besetzung beeinträchtig die Verhandlung nicht.“ Er hat bis zum 29. November neun Verhandlungstage angesetzt, Beginn jeweils um 9.30 Uhr.

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