Kirche - Ordensfrauen sollen Missbrauch von Jungen und Mädchen in einem Kinderheim in Speyer ermöglicht haben / Bistum will Aufklärung der Fälle vorantreiben

Sexpartys unter dem Deckmantel der Nonnen

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epd
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In einem Kinderheim im Schatten des Doms wurden Kinder missbraucht. © Klaus Venus

Speyer/Darmstadt. Ordensfrauen sollen Priestern und anderen Personen den sexuellen Missbrauch von Jungen und Mädchen in einem früheren katholischen Kinderheim in Speyer ermöglicht haben.

Wie aus einem dem Evangelischen Pressedienst (epd) vorliegenden Urteil des Darmstädter Sozialgerichts hervorgeht, belastet ein Betroffener den früheren Generalvikar und obersten Juristen des Bistums Speyer, Prälat Rudolf Motzenbäcker (1915-1998), schwer. Der verstorbene Theologe soll nach Aussage des 63-Jährigen aus Lampertheim in den 1960er und 1970er Jahren den systematischen Missbrauch von Kindern in dem ehemaligen Heim der Niederbronner Schwestern in Speyer organisiert haben. Die Schwestern hätten die Kinder ihren Tätern zugeführt und dafür Geld erhalten.

Der Mann hatte vor dem Darmstädter Sozialgericht im Frühjahr eine Opferentschädigung erstritten. Vom Bistum Speyer erhielt er eine Zahlung von 15 000 Euro in Anerkennung seines Leids. Der Speyerer Bischof Karl-Heinz Wiesemann hatte bereits am Donnerstag in einem Interview mit der Bistumszeitung „Der Pilger“ öffentlich gemacht, dass das Bistum Missbrauchsvorwürfen gegen den früheren Generalvikar Motzenbäcker nachgehe. Demnach gaben der Kläger und zwei weitere Männer unabhängig voneinander an, zwischen 1963 und 1975 von dem Theologen sexuell missbraucht worden zu sein. Tatort soll das bereits im Jahr 2000 geschlossene Kinderheim in der Speyerer Engelsgasse gewesen sein.

Früherer Messdiener leidet heute

Der frühere Ministrant im Speyerer Dom, der unter schweren posttraumatischen Belastungsstörungen leidet, gab vor Gericht an, dass er selbst während seines knapp zehnjährigen Heimaufenthalts rund 1000 Mal mit massiver Gewalt sexuell misshandelt worden sei. Von dem früheren Generalvikar organisierte Sexpartys, zu denen dieser auch Freunde und Politiker eingeladen habe, sowie Gruppenvergewaltigungen durch Priester hätten unter dem Deckmantel der Nonnen in dem Kinderheim stattgefunden. Diese hätten ihn zu dem Prälaten „regelrecht hingeschleppt“ und seien dafür von den Tätern bezahlt worden. Auch sagte der Mann aus, dass ein missbrauchtes Mädchen schwanger geworden sei und sich daraufhin das Leben genommen habe.

Das Bistum teile die Einschätzung des Gerichts, dass der Mann in seiner Zeit im Speyerer Kinderheim sexuell missbraucht worden sei, sagte Bischof Wiesemann in dem Interview. Mit der Einrichtung eines Betroffenenbeirats und einer unabhängigen Aufarbeitungskommission wolle man die Aufklärung von Missbrauchsfällen vorantreiben. Es sei eine Frage der Glaubwürdigkeit und der Transparenz, die Vorwürfe gegen Prälat Motzenbäcker aufzuarbeiten, auch wenn wegen dessen Tod eine gerichtliche Untersuchung nicht mehr möglich sei, sagte Wiesemann. Auch sollten weitere mögliche Betroffene ermutigt werden, sich ohne Angst zu melden.

Der Bund der Deutschen Katholischen Jugend im Bistum Speyer zeigte sich erschüttert über die bekanntgewordenen Missbrauchsfälle und appellierte an die Bistumsleitung, Fälle von sexualisierter Gewalt konsequent aufzuarbeiten. epd

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