Kriminalität

Schockanruf: Wie ein Senior aus der Pfalz Betrügern auf den Leim ging

Der 78-jährige Mann aus der Vorderpfalz ist intelligent und kann sich gut ausdrücken. Trotzdem ist er einem Schockanruf auf den Leim gegangen. Er erzählt er die Geschichte des hinterhältigen Betrugs

Von 
Bernhard Zinke
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Gerade jetzt mit der beginnenden Heizperiode ist mit einem vermehrten Auftreten betrügerischer Anbieter von Heizöl, Gas oder Holz zu rechnen.  © fizkes

Rhein-Neckar. Den 10. Juni wird Klaus Schuster so schnell nicht mehr vergessen. An diesem Nachmittag sind er und seine Frau einer perfiden Betrügerbande aufgesessen. Er hat wildfremden Menschen 28 000 Euro ausgehändigt, weil seine Tochter angeblich in einen tödlichen Verkehrsunfall verwickelt war. „Ich habe seit diesem Tag keine ruhige Nacht mehr“, sagt er, nachdem er seine Geschichte erzählt hat.

Klaus Schuster ist nicht der echte Name des Betrugsopfers, das nicht seinem echten Namen auftreten will. Der 78-Jährige wurde Opfer eines so genannten Schockanrufs. Seit Jahren überfallen Kriminelle ahnungslose Menschen mit einer schlimmen Botschaft am Telefon. „Entscheidend sind die ersten 30 Sekunden des Anrufs“, berichtet Schuster im Polizeipräsidium Ludwigshafen seine ganz persönliche Erfahrung. Wenn die Täter ihr Opfer in dieser Zeit emotional einfangen, dann komme es da nicht mehr raus.

Der Mann aus dem Raum Bad Dürkheim steht mitten im Leben, ist gebildet, erzählt seine Geschichte klar, prägnant und verständlich. Er habe an diesem Freitag im Garten die Blumen gegossen. Als er ins Haus kam, habe seine Frau völlig fertig auf dem Sofa gesessen, den Telefonhörer in der Hand. Ein vermeintlicher Polizeikommissar Bach informierte die Familie darüber, dass die Tochter mit dem Auto über eine rote Ampel gefahren sei und dabei einen Mann tödlich verletzt habe. Auf die Frage, ob sie die Tochter sprechen könnten, kamen lediglich Schluchzer und eine gepresste Frauenstimme aus dem Hörer, die jammerte „ich hab jemanden totgefahren“.

Überzeugender „Staatsanwalt“

Dann habe ein angeblicher Staatsanwalt das Gespräch übernommen. „Der Mann hatte eine ganz ruhige Stimme, war total überzeugend“, erinnert sich Schuster. Man könne die Tochter gegen eine Kaution von 28 000 Euro bis zum Gerichtstermin in der nächsten Woche auf freien Fuß setzen. Nun wusste Familie Schuster, dass die echte Tochter am Montag einen wichtigen beruflichen Termin hatte, den sie ihr ermöglichen wollten. Deswegen stimmten sie der Kaution zu.

Die Betrüger verlangten nun die Handy-Nummer von Klaus Schuster und begleiteten ihn von da an permanent am Mobiltelefon. Die Komplizen hielten unterdessen die Ehefrau am Festnetztelefon zu Hause in Schach, so dass die Eltern gar keinen Kontakt mit der Tochter selbst aufnehmen konnten. Das Handy blieb auch eingeschaltet bei der Bankfiliale, die am späten Freitagnachmittag die Barreserven zusammenkratzte. Die Mitarbeiter der Bank hätten zwar insistiert, aber dann doch klein beigegeben, weil Schuster auch auf die Auszahlung bestand.

Dann lotste ihn der „Staatsanwalt“ nach Mannheim auf einen Parkplatz in der Nähe des Rathauses. Der Parkplatz der Staatsanwaltschaft sei voll besetzt, so die Ausrede. Der nächste perfide Schritt der Betrüger: Sie bestanden auf einem aktuellen Corona-Test. Weil Schuster den nicht hatte, vereinbarte der vermeintliche Oberstaatsanwalt die Übergabe an eine Überbringerin, die das Geld durch das nur halb geöffnete Fenster in Empfang nahm. Auch ein Aktenzeichen nannte der Betrüger und stellte die Übersendung der nötigen Dokumente in Aussicht.

Zurück auf einem Parkplatz in Bad Dürkheim erkannte die Familie den Betrug, nachdem die Ehefrau zwischenzeitlich doch Kontakt mit der echten Tochter hatte. „Das Ganze hat eineinhalb Stunden gedauert“, so Schuster. Eine Großfahndung der Mannheimer Polizei endete ergebnislos.

Klaus Schuster ist kein Einzelfall. Alleine im Polizeipräsidium Ludwigshafen wurden im vergangenen Jahr 23 Fälle aktenkundig, in denen Betrüger ihren Opfern rund 550 000 Euro abknöpften. Die höchste Einzelsumme lag bei 100 000 Euro, erzählt Michael Lerch, der die Zentrale Prävention im Präsidium leitet. Deshalb intensiviert die Polizei nun die Aufklärungsarbeit. Jeder Fall, ob „erfolgreich“ oder nicht, wird berichtet. Außerdem hat die Behörde die zentrale Nummer 0621/ 9 63 15 15 eingerichtet, unter der Senioren Informationen zum Trickbetrug einholen können. Diese Nummer sei allerdings nicht dafür gedacht, konkrete Fälle zu melden, sondern nur für Informationen zu Betrugsmaschen – und natürlich dazu, wie man Betrug erkennen und sich wehren kann.

Info-Telefon für Senioren

Unter der neu geschalteten Nummer 0621/9 63 15 15 erhalten Senioren Beratung und Hinweise, wie sie sich gegen Betrüger am Telefon wehren können.

Wer bereits Betrügern aufgesessen ist, kann sich bei der Opferschutzbeauftragten des Polizeipräsidiums in Ludwigshafen, Katja Gertje (0621/963 1154, E-Mail: opferschutz.pprheinpfalz@polizei.rlp.de) melden.

Die wichtigste Tipp der Polizei: Misstrauisch sein, wenn fremde Menschen unter hohem Zeitdruck Geld fordern. Die Polizei ruft auch nie unter der Notfallnummer 110 an und schickt auch keine Zivilpersonen, um Geld oder Wertsachen in Verwahrung zu nehmen. bjz

Ressortleitung Teamleiter der Redaktionen Metropolregion und Südhessen Morgen

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