Kaum eine Gartenparty, kaum ein Grillfest, an dem die kleinen, sirrenden Plagegeister nicht Thema Nummer eins sind. Die Region leidet in weiten Teilen unter einer ausgeprägten Schnakenplage – so schlimm wie seit Jahren nicht. Grund ist nicht nur das Hochwasser an Rhein und Neckar Anfang Juni, sondern überhaupt das nasse erste Halbjahr mit seinen gut gesättigten Böden.
Aktuell schwärmen die Auwaldstechmücken aus, die im Juni-Hochwasser ihre Kinderstube hatten. „Wir haben tatsächlich ein deutlich höheres Stechmückenaufkommen als in normalen Jahren“, bestätigt Xenia Augsten, Sprecherin der Kommunalen Aktionsgemeinschaft zur Bekämpfung der Schnakenplage (Kabs). Die Auen und Wiesen stehen ja zum Teil noch immer – schon wieder – unter Wasser. Dadurch würden sie zu idealen Brutstätten der kleinen Blutsauger.
Maximal zehn Tage bis zur Verpuppung
Zehn Tage dauert es bei frühsommerlichen Temperaturen bis zur Verpuppung. Je höher die Temperaturen, desto kürzer die Reife. Wenn’s heißer wird, dauert es nur sechs bis sieben Tage. Und nur in diesem Zeitraum können die Schnakenjäger etwas mit ihrem Bekämpfungsstoff Bti ausrichten. „Er muss im Larvenstadium gefressen werden. Danach können wir nur noch zuschauen“, erläutert Xenia Augsten.
Der Bti-Wirkstoff ist ein Eiweißkristall, das aus dem Bacillus thuringiensis israelensis gewonnen wird. Es lagert sich bei den Schnaken an den Rezeptoren von Darmzellen, bringt die Zellen zum Zerplatzen und tötet die Larve. Der Vorteil: Der Stoff wirkt gegen alle Stechmückenarten, auch gegen die Kriebelmücke und die Asiatische Tigermücke. Der Nachteil: Bti tötet auch einige andere Mückenarten, wie etwa Zuckmücken. Die stechen nicht, sind aber Hauptnahrungsmittel für andere Tierarten. Deshalb setzt die Kabs auf eine gezielte Dosierung des Wirkstoffs in der Natur, um Kollateralschäden so gering wie möglich zu halten.
Die aktuelle Entwicklung zeigt indessen, was bei geringerer Bekämpfung passiert. Denn wegen der zahlreichen Überflutungsflächen haben die Kabs-Helfer gar nicht alle Brutstätten rechtzeitig erreichen können. Erschwerend kam hinzu, dass die Bti-Reserven weitgehend aufgebraucht waren, wie die Kabs schon Mitte Juni meldete. Die Maßnahmen hätten zwar zu einer deutlichen Reduzierung der Stechmückenpopulation geführt, dennoch sei „in den nächsten Wochen mit einer erhöhten Stichbelästigung durch Auwaldmücken zu rechnen“.
Diese Belästigung könne auch die nächsten acht Wochen noch anhalten. Solange überleben die Insekten nämlich. Wie Augsten erläutert, stechen nur die Weibchen zu. Und auch nicht, um sich ernähren. Nahrungsquelle seien vielmehr Pflanzensäfte und Nektar. Das Blut benötigen die Stechmücken nur zur Fortpflanzung, um Eier zu produzieren. Und die können schon mal im dreistelligen Bereich abgelegt werden, vorwiegend auf feuchtem Erdboden. Dort verharren die Eier so lange, bis die Fläche wieder überflutet wird. Das Wasser löst den Schlupfreiz aus. „Die Bekämpfung der Auwaldstechmücken ist unsere überwiegende Hauptaufgabe“, erläutert die Kabs-Sprecherin.
Der menschliche Atem lockt die Stechmücken an
Angelockt werden die Stechmücken hauptsächlich vom Kohlendioxid, das der Mensch beim Atmen ausstößt. Auch der menschliche Körpergeruch macht die Plagegeister heiß. Je mehr wir schwitzen, desto attraktiver werden wir für sie. Licht lässt die Tierchen entgegen der landläufigen Meinung dagegen kalt. Auch die Farbe der Kleidung scheint einen Einfluss zu haben. Schnaken fliegen eher auf dunkle Kleidung. Deshalb empfehlen die Experten: Helle luftige Kleidung, die nicht direkt auf der Haut aufliegt. „Nylonstrümpfe sind ganz schlecht. Durch die stechen die Schnaken locker hindurch“, sagt Xenia Augsten. Ansonsten helfen die handelsüblichen Anti-Insektencremes mit den Wirkstoffen Icaridin, DEET oder PMD. Am besten flächendeckend einreiben. Trotzdem könne es sein, dass man von den Biestern angeflogen werde. Aber dann flüchteten sie auch schnell, wenn sie den für sie abstoßenden Geruch wahrnähmen.
Übrigens haben Stechmücken einen ziemlich großen Aktionsradius. Sie schaffen mehrere Kilometer am Tag. „Sie sind ganz schön umtriebig“, weiß die Kabs-Sprecherin. Deswegen ist die Schnakenplage nicht nur entlang von Rhein- und Neckar, sondern auch im Hinterland zu spüren. Übrigens erwartet die Kabs gerade das nächste Hochwasser. Das werde aber bei Weitem nicht mehr so schlimm sein wie Anfang Juni, schätzt Augsten.
Die professionellen Schnakenjäger
- Rund 100 Kommunen und Landkreise sowie die Bundesländer Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz gehören aktuell der 1976 gegründeten Kommunalen Aktionsgemeinschaft zur Bekämpfung der Schnakenplage (Kabs) an.
- Das Einsatzgebiet erstreckt sich vom Kaiserstuhl bis nach Bingen entlang des Oberrheins.
- Im Einzugsgebiet leben 2,7 Millionen Menschen. Die Bekämpfung kostet in normalen Jahren etwa 400 000 Euro.
- Neben 60 festangestellten Gebietsleitern hat die KABS auch rund 150 Saisonarbeitskräfte.
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