Rhein-Neckar. In der jüngsten Sitzung des Kreistags überraschte Stefan Dallinger die Kolleginnen und Kollegen mit der Ankündigung, im kommenden Jahr nicht mehr zur Wahl als Landrat anzutreten. Dallingers Amtszeit endet am 30. April 2026. Gewählt wird seine Nachfolgerin oder sein Nachfolger vermutlich im kommenden Februar. Im Interview mit dieser Redaktion wirkt der 63-Jährige aufgeräumt und fast gelöst.
Herr Dallinger, mit Ihrer Ankündigung kürzlich im Kreistag, nicht mehr für das Amt des Landrats zu kandidieren, haben Sie die gesamte politische Landschaft überrascht. Warum haben Sie denn das Forum des Kreistags gewählt?
Stefan Dallinger: Der Kreistag ist für mich das höchste Gremium des Rhein-Neckar-Kreises, das auch den Landrat wählt. Deshalb glaube ich, dass dieses Gremium das erste Recht hat zu erfahren, dass ich nicht mehr kandidiere. Frühzeitig war es, weil es ja eine gewisse Zeit braucht, eine Nachfolge zu finden. Aber wenn man mein Lebensalter, meine Vita betrachtet, kann es so ganz überraschend doch nicht gewesen sein.
Ich bin weder amtsmüde noch frustriert noch krank. Es ist schlichtweg die Erkenntnis: Irgendwann ist es mal gut.
Wann und wie haben Sie denn die Entscheidung zu Ihrem Rückzug getroffen?
Dallinger: Das hat sich schon länger angedeutet. Ich habe mit meiner Frau schon oft darüber gesprochen. In den vergangenen Jahren hat sich die Entscheidung verdichtet, dass dies ein guter Zeitpunkt ist, einen anderen Schwerpunkt zu setzen.
Gab es eine Initialzündung?
Dallinger: Überhaupt nicht. Ich bin weder amtsmüde noch frustriert noch krank. Es ist schlichtweg die Erkenntnis: Irgendwann ist es mal gut. Ich werde nächstes Jahr 64. Dann werde ich 27 Jahre im Wahlamt gewesen sein. Dann darf man auch einfach mal ein bisschen kürzertreten. Es fühlt sich gut und richtig an. Das ist, glaube ich, die richtige Entscheidung.
Sie werden 64, der neue Bundeskanzler ist 69.
Dallinger: Ja, die einen entscheiden so, die anderen so.
Sie sind seit 2010 Landrat des Rhein-Neckar-Kreises. Ziehen wir schon vorab mal eine kleine Bilanz: Was waren denn die größten Herausforderungen für Sie in den 15 Jahren?
Dallinger:
Für eine Bilanz ist es mir ehrlich gesagt noch zu früh. Ich habe ja noch ein ganzes Jahr Arbeit vor mir. Es gab nicht das eine Event. Wir haben ganz viele Dinge miteinander gut auf den Weg gebracht, zweimal die AVR umstrukturiert, das neue Medizinkonzept für die Gesundheitszentren Rhein-Neckar erarbeitet. Wir haben gute Jahre der finanziellen Ausstattung gesehen, in den letzten zwei Jahren allerdings katastrophalen Abstürze erlebt. Es gab die Umstellung von einer eher vorausschauenden Planung hin in ein Leben in multiplen Krisen. Von der Ankunft der Flüchtlinge 2015 über Corona bis zur Afrikanischen Schweinepest. Das Leben in Arbeitsstäben, in agilen Einheiten: Es war vielleicht die größte Herausforderung, dies zu organisieren. Und ich glaube, es ist uns ganz gut gelungen.
Was hat Ihnen am meisten Spaß gemacht?
Dallinger: Das Arbeiten im Team. Nicht nur hier im Landratsamt, sondern das Arbeiten mit den Kolleginnen und Kollegen, der Bürgermeisterin, dem Bürgermeister, Oberbürgermeister, mit dem Kreistag, mit den Gesellschaften. Immer wieder zu erleben, wozu wir fähig sind, wenn wir zusammenhalten: Das war wirklich das, woraus ich auch die Kraft gezogen habe.
Gibt es auch inhaltlich ein Thema, was Sie besonders als Leuchtturmprojekt Ihrer Amtszeit bezeichnen würden?
Dallinger: Ein Projekt war neu. Und das befriedigt mich tatsächlich: Ich glaube, ohne die Initiative des Kreises, und da durfte ich auch einen Beitrag leisten, wäre der Glasfaserausbau im Rhein-Neckar-Kreis nicht da, wo er heute ist. Dass wir perspektivisch den Rhein-Neckar-Kreis vollständig mit Glasfaser ausgebaut sehen, das ist schon eine tolle Sache. Wir haben die Schulen am Netz, die Gewerbegebiete im Vollausbau. Jetzt sind die ersten Gemeinden voll im Ausbau. Und ich denke, dass bis 2030, bis 2035 spätestens, auch die Wohngebiete voll angeschlossen sind. Und das ist schon eine Zukunftsinvestition, die sich gelohnt hat. Und die einfach auf die Zukunftsfähigkeit dieses Kreises einzahlt.
Sie sind ja auch als Landrat in verschiedenen Funktionen in der Metropolregion eingebunden, etwa als Vorsitzender der Verbandsversammlung der Metropolregion, des Regionalparlaments. Wollen Sie in dieser Funktion der Region erhalten bleiben?
Dallinger: Rein theoretisch hätte diese Chance bestanden, aber rein praktisch nicht mehr. Und ich hielte es auch für unangemessen. Das Amt ist gekoppelt an die Amtszeit. Ich bin Mitglied der Verbandsversammlung als Landrat. Und deshalb endet auch meine Zeit als Verbandsvorsitzender mit Ablauf des 30. April 2026. Also werde ich mich auch aus der Metropolregion zurückziehen.
Auch als Vorstandsmitglied im Verein Zukunft Metropolregion?
Dallinger: Selbstverständlich. Das ist nach meinem Dafürhalten an das Amt und an das Mandat gekoppelt. Dieses Amt werde ich dann zurückgeben.
Ich habe das sehr genossen, dass ich damals hier auch durchstarten konnte. Und so werde ich das der Nachfolgerin oder dem Nachfolger auch anbieten.
Aber Sie werden doch der Region bestimmt als Netzwerker erhalten bleiben?
Dallinger: Wer mich fragt und mich um Hilfe fragt, wird sie erhalten. Aber ich werde mich niemandem aufdrängen. Ich habe das sehr genossen, dass ich damals hier auch durchstarten konnte. Und so werde ich das der Nachfolgerin oder dem Nachfolger auch anbieten. Ich werde auch im einen oder anderen Aufsichtsrat tätig sein. Das werde ich auch noch weiterhin tun. Ich bin in einer Volksbank im Aufsichtsrat, bin in einer Baugenossenschaft im Aufsichtsrat. So ein bisschen was wird bleiben.
Wie werden Sie denn Ihre Zeit verbringen?
Dallinger: Das werden wir dann sehen. Mein Leben ist aktuell geprägt vom Terminkalender. Und der ist zurzeit im Halbstundenrhythmus getaktet. Die Freiheit wiederzugewinnen, sich jeden Tag neu zu überlegen, was ich gemeinsam mit meiner Frau unternehme, darauf freue ich mich sehr. Wir haben das im letzten Jahr ein bisschen erprobt, indem wir den Sommerurlaub in der Heimat verbracht haben und ganz viel unserer Heimat wiederentdeckt und erkundet haben.
Die Diskussion um Ihre Nachfolge ist bereits voll im Gange. Wen würden Sie vorschlagen?
Dallinger: Niemanden. Die CDU ist die stärkste Fraktion im Kreistag. Der Landrat wird vom Kreistag gewählt. Da würde ich an Ihrer Stelle den Fraktionsvorsitzenden der CDU fragen.
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