Doktorarbeit - Sandra Oerther untersucht Übertragung bislang unbekannter Krankheiten / Förderung durch Klaus Tschira Stiftung

Sandmücke auf dem Vormarsch

Von 
Simone Jakob
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Die Forscherin mit einer Sandmückenfalle. © Sandra Oerther

Rhein-Neckar. Sie sind nur wenige Millimeter groß, haben schwarze Knopfaugen, saugen Blut, übertragen Krankheiten und profitieren vom Klimawandel: Sandmücken. Die unscheinbaren Insekten leben eigentlich im Mittelmeerraum, breiten sich aber dank steigender Temperaturen und warmer Sommernächte immer weiter nach Norden aus. Wie weit sie dabei gekommen sind und was das für die Menschen in Süddeutschland bedeutet, untersucht Sandra Oerther in ihrer von der Klaus Tschira Stiftung geförderten Doktorarbeit. „Ich habe mir gedacht, wenn ich promoviere, dann nur mit einem Thema, das mich herausfordert“, sagt die gelernte Krankenschwester, die Biotechnologie und Global Health studiert hat.

Erste Exemplare 1999 entdeckt

Die kleinen unscheinbaren Mücken, die schon manchem Mittelmeerurlauber fürchterlich juckende Pusteln beschert haben, seien da genau das richtige Forschungsobjekt. Bereits 1999 waren die ersten Exemplare in Deutschland entdeckt worden. Die Fundorte befinden sich vor allem in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz. Da sich die Sandmücke nun im Zuge des Klimawandels ausbreitet, könnten auch bislang unbekannte Krankheiten in der Region Einzug halten. Deshalb untersucht die 43-Jährige das Überträgerpotenzial sowie welche Arten von Viren und Parasiten Sandmücken überhaupt weitergeben können.

„Ich bin im Moment die Einzige, die sich mit Sandmücken befasst“, berichtet sie im Gespräch mit dieser Redaktion. Dabei sei die Lebensweise dieser Mücke sehr speziell: Sie lebe nämlich meist in unbewohnten, lehmgestampften, alten und naturbelassenen Gebäuden wie Scheunen oder Ställen. Gemeinsam hätten diese Orte, dass sie windgeschützt sind und eine höhere Luftfeuchtigkeit aufweisen als ihre Umgebung.

„Die größte Herausforderung war es, überhaupt solche Scheunen zu finden. Ich habe überall in Rathäusern und Ämtern Flyer ausgelegt und Anzeigen in Amtsblättern geschaltet. Das war ziemlich mühsam. Manche Leute haben mich gefragt, ob ich von der versteckten Kamera bin, als ich ihnen von meinen Forschungen erzählt habe“, erinnert sie sich. Von 2015 bis 2020 sind Oerther ungefähr 150 Individuen in die Falle gegangen, die sie an allen bereits bekannten Orten sowie 15 zusätzlichen entdeckt hat. „Sie sind weiter verbreitet als bisher angenommen und wo sie einmal waren, findet man sie in der Regel wieder.“

Im Moment ist die Doktorandin sehr viel unterwegs, denn von Ende Juni bis August brüten die Sandmücken. „Sie sind keine Wasserbrüter, sondern legen die Eier an feuchten Stellen im Gemäuer ab. Die Weibchen brauchen auch nicht unbedingt eine Blutmahlzeit, sie ernähren sich von organischem Material wie dem Lehm der Gebäude, von Zucker und Pflanzensäften“, erklärt sie.

Wenn sich die Mücken doch einmal Blut genehmigen, dauere ein Stich drei bis fünf Minuten. „Da sie nur nachtaktiv sind, hopsen sie auf der Suche nach einer geeigneten Stelle auf ihren Opfern herum und saugen sich fest, ohne dass man es merkt. Aber deshalb entwickeln sich juckende Stiche.“

Blick auf Viren

Wie bei allen blutsaugenden Insekten gehe auch bei der Sandmücke die größte Gefahr von ihrer Rolle als Überträgerin von Viren, Bakterien und Parasiten aus. Deshalb untersucht Oerther unter anderem Phleboviren wie das Toskana-Virus, die eine grippeähnliche Erkrankung übertragen. „Am Kaiserstuhl, wo die Sandmücke vorkommt, gab es zehn Patienten, die Symptome hatten“, berichtet Oerther. Deshalb fände sie es interessant, wenn man dieses Virus tatsächlich in den Mücken nachweisen könnte.

Mit ihrer Arbeit möchte die Forscherin dazu beitragen, dass neue Krankheitserreger früh erkannt werden und man die Art der Übertragung untersucht: „Dann kann man besser vorbeugen und Kontrollmechanismen entwickeln“. Wer sich vor der Sandmücke schützen will, sollte auf gängige Mückenschutzmittel zurückgreifen.

Nicht nur vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie sei eine wirksame, interdisziplinäre Zusammenarbeit wichtig, „um solchen Bedrohungen der Gesundheit in Zukunft begegnen zu können“, betont auch die Geschäftsführerin der Klaus Tschira Stiftung Beate Spiegel.

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