Worms. Seit Wochenbeginn ist die Familie wieder komplett. Wenn die Akteure der Nibelungenfestspiele in Worms eintreffen, um mit den Probenarbeiten zu beginnen, freut sich nahezu die ganze Stadt. Und einige Menschen ganz besonders, die in jedem Jahr ihre Türen öffnen, um Mitglieder des Ensembles für die Dauer ihres Aufenthalts bei sich aufzunehmen. Die sprichwörtliche Wormser Gastfreundschaft ist ein nicht zu unterschätzender Faktor, der selbst an bedeutenden Bühnen beschäftigte Künstler dazu veranlasst, dem Ruf dieser Festspiele zu folgen.
Sechseinhalb Wochen sind es noch bis zur Premiere. Geprobt wird in den ersten drei Wochen auf der geschlossenen Bühne des Wormser Festspielhauses. Anschließend geht es ins Freie, vor den Kaiserdom. Dort werden gerade die letzten Handgriffe an der Installation der Tribüne vorgenommen, auf der Abend für Abend bis zu 1400 Zuschauer Platz nehmen.
Nibelungenfestspiele in Worms: Viele Mitwirkende haben noch andere Bühnenverpflichtungen
In die Arbeit eingestiegen sind die Ensemblemitglieder um Regisseur Roger Vontobel und Dramaturg Thomas Laue traditionell mit der Lesung des Stücks. Auch die Autoren, Feridun Zaimoglu und Günter Senkel, haben am Tisch im Obergeschoss des Festspielhauses Platz genommen, während die ersten Rollen gesprochen werden.
Rundherum sind Fernsehkameras postiert, das Interesse von Journalisten ist groß, wie auch die zahlreichen Interviewanfragen dokumentieren, die den Akteuren ebenso gelten wie den Beteiligten, die mehr oder weniger hinter den Kulissen für einen reibungslosen Ablauf der Proben sorgen.
Das neue Stück
- „Der Diplomat“ von Feridun Zaimoglu und Günter Senkel wird vom 12. bis 28. Juli (der 14. Juli ist spielfrei), jeweils 20.30 Uhr, unter der Intendanz von Nico Hofmann aufgeführt.
- Das Autorenduo Zaimoglu und Senkel hatte bereits 2018 die Stückvorlage für „Siegfrieds Erben“ vorgelegt.
- „Der Diplomat“, der mit dem Tod Siegfrieds einsetzt, beleuchtet die Rolle des Dietrich von Bern als Vermittler zwischen Burgundern und Hunnen.
- Regisseur ist Roger Vontobel, die künstlerische Leitung hat Thomas Laue.
- Vontobel hat bereits 2018 bei „Siegfrieds Erben“ und 2022 bei „hildensaga“ von Ferdinand Schmalz Regie geführt.
- Tickets gibt es unter der Hotline 01805/33 71 71 sowie bei allen angeschlossenen Regional-Vorverkaufsstellen.
- Internet: www.nibelungenfestspiele.de.
Als künstlerische und technische Betriebsdirektorin hält Petra Simon auch während der Proben die Fäden in der Hand. Damit in den bevorstehenden sechs Wochen ein Stück entstehen kann, das sowohl dem künstlerischen Anspruch der Intendanz entspricht als auch beim Publikum ankommt, ist im Vorfeld eine akribische Disposition erforderlich. Viele der mitwirkenden Schauspielerinnen und Schauspieler kommen nebenher anderweitigen Bühnenverpflichtungen nach.
Die voneinander differierenden Präsenzzeiten der Darsteller müssen deshalb gut aufeinander abgestimmt werden, um keine Abbrüche im Probenablauf zu erleiden. Sechs Wochen sind eine lange Zeit, wenn man berücksichtigt, dass die Akteure bei Wind und Wetter arbeiten müssen – aber eine relativ kurze Frist, um eine solch große Uraufführung unter Freilichtbedingungen auf die Beine zu stellen.
Dietrich von Bern und seine Rolle als Vermittler
„Der Diplomat“ heißt das Stück, das in diesem Sommer die Rolle des Dietrich von Bern – gespielt von Franz Pätzold – beleuchtet, der sich als Vermittler zwischen dem Geschlecht der Burgunder und den Hunnen um König Etzel gestellt sieht. Damit erhalten die Intrigen und Ränkespiele um Siegfried, Hagen, Kriemhild, Brunhild und den Hunnenkönig eine perspektivische Erweiterung, die auf die Frage zuläuft: Wie kann ein drohender Krieg verhindert werden?
Wenn das Stück beginnt, ist Siegfried bereits tot. Die erste Lesung beginnt mit der ersten Szene des zweiten Aktes, in der Hagen, Kriemhild und Giselher die Folgen dieses Mordes bereden. Thomas Loibl, Jasna Fritzi Bauer und Aniol Kirberg statten ihre Sprecherrollen mit theatralischem Flair aus; von den ersten Sekunden an kündigt sich das bedrohliche Szenario in Form eines scheinbar unauflöslichen Konflikts an, in den die Akteure auf unterschiedliche Weise verwickelt sind.
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Regisseur Roger Vontobel sieht in dem Diplomaten, jenem Dietrich von Bern, einen „König ohne Krone“ und einen echten Pazifisten. Rasch wird deutlich, wohin die Aufführung des neuen Stücks drängt: Um das Problem der kriegerischen Eskalation und der Diplomatie als einzige Alternative, die in einer von Aggressionen aufgeheizten Gemengelage gleichwohl chancenlos scheint. Dramaturg Thomas Laue macht auf eine weitere Besonderheit aufmerksam: Der Leichnam Siegfrieds liege aufgebahrt vor dem Dom. Doch aus seiner Wunde ströme weiterhin Blut.
Regisseur vertraut auf Kreativität und Intuition der Akteure
Damit ist die Ausgangslage skizziert. Doch welches Stück bei der Premiere aufgeführt wird, ist auch das Ergebnis dieser Probenarbeiten. Regisseur Vontobel, der bereits zum dritten Mal in Worms inszeniert, hält viel davon, sich nicht auf die geschriebene Fassung festzulegen. Gemeinsam mit Bühnenbildner Palle Steen Christensen vertraut Vontobel denn auch der Kreativität und Intuition seiner Akteure, die ein solches Stück erst nach und nach sichtbar werden lassen.
Untergebracht sind die Beteiligten in Privatwohnungen, vermieteten Appartements und in zwei der Wormser Hotels. Einige hatten auch den Wunsch geäußert, mit bekannten oder befreundeten Kolleginnen und Kollegen in einer Wohngemeinschaft unterzukommen, wie Betriebsdirektorin Simon bestätigt. Darunter auch ein Darsteller, der auf ein Engagement in Salzburg verzichtet habe, um in Worms dabei sein zu können. Einen solchen Genius loci zu besitzen und zu kultivieren – das hat man dieser ansonsten eher unauffälligen rheinhessischen Stadt lange nicht zugetraut.
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