Rhein-Neckar. Die Haltung der evangelischen Kirche zur Corona-Frage gab für Ursula Vorpahl den Anstoß zum Austritt. Nachdem prominente Kirchenobere äußerten, dass „Impfen Nächstenliebe“ sei, sei ihr Entschluss gefallen, so die Handelsfachwirtin aus Elmstein-Iggelbach. „Ich hätte von meiner Kirche erwartet, dass sie die menschenverachtenden Maßnahmen etwa in Altenheimen und Kitas nicht mitträgt.“
Immer mehr Menschen treten aus den beiden großen christlichen Kirchen aus. Mehr als 5800 Fälle waren es in der pfälzischen Landeskirche 2019 (2018: 4900). Die Zahl der Wiedereintritte blieb mit 560 stabil auf niedrigem Niveau. Die Gründe für die Austritte sind vielfältig: Unzufriedenheit mit der Arbeit der Pfarrschaft, die Kirchensteuer, ein generelles Desinteresse an der Kirche – oder eben die Corona-Politik.
Für die Pfarrerinnen und Pfarrer sind die Austritte, über die sie erst von den örtlichen Standesämtern erfahren, schmerzlich. Einige geben sich viel Mühe, um ehemalige Mitglieder zum Wiedereintritt zu bewegen und Austrittswillige zu halten – mit überschaubarem Erfolg.
Nur selten gelinge es, verlorene Schäfchen zurückzuholen, so Pfarrer Arne Dembek aus Kandel. Er schreibt jedem Ausgetretenen einen Brief, um die Gründe zu erfahren. Zwar gebe es kaum Rückmeldungen. Keine vergebene Liebesmüh sei es indes zu signalisieren: „Wir interessieren uns für euch und eure Gründe, warum ihr geht.“ Auch Pfarrerin Eveline Hauck aus Landau aus setzt alles daran, Interesse an der Kirche unaufdringlich zu wecken. Manchmal nimmt sie Menschen sprichwörtlich bei der Hand und zeigt ihnen die Kirche. „Viele leben in einer digitalen Welt und wissen nicht mehr, wo die Kirche überhaupt ist.“
Wenig Rückmeldungen
In seinen 30 Dienstjahren hätten sich nur zwei Austrittswillige bei ihm gemeldet, sagt Pfarrer Frank Schuster aus Neustadt. „Einen konnte ich zum Verbleib bewegen, einen nicht.“ Auch Schuster schreibt an jedes verlorene Kirchenmitglied einen Brief. Der Speyerer Dekan Markus Jäckle ist sich sicher, dass auch die aktuelle Missbrauchsdebatte in der Kirche manchen Protestanten Gründe für einen Austritt liefere.
Auch ein guter Kontakt zur Kirche verhindere nicht, dass Menschen „Nein“ zur Kirche sagten, weiß die Ludwigshafener Dekanin Barbara Kohlstruck. Dagegen könne es eine Chance sein, niedrigschwellige Taufangebote zu machen. Ein Ende des Trends sei vielleicht dann absehbar, „wenn endlich die Christinnen und Christen aufwachten und merkten, dass es Kirche ohne ihr Engagement nicht mehr lange geben wird“, sagt der Landauer Pfarrer Stefan Bauer. Damit eine öffentlich präsente Kirche funktioniere, müsse das Pfarrpersonal von Verwaltungsaufgaben entlastet werden.
„Das Ringen um Menschen muss früher ansetzen, bei der Geburt und nicht erst beim Kirchenaustritt“, meint Pfarrer Volker Mayer aus Elmstein. Auch mit seinem ehemaligen Gemeindemitglied Ursula Vorpahl bleibt er weiter in Kontakt, auch wenn deren Entschluss unumstößlich scheint.
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