Hammelbach. „Liebe Freunde, ich brauche dringend eure Hilfe.“ Mit diesen Worten ruft der als Odenwald-Tipianer bekannte Marc Freukes zu einer Online-Petition an die Adresse Bauamt Heppenheim auf. Denn seine Jurte in der Nähe des Örtchens Hammelbach soll abgerissen werden. Dort lebt Freukes im sechsten Jahr auf einem privaten Waldgrundstück. „Mit dem Abriss würde ich mein Obdach und meine Existenz verlieren.“
Nach einer schweren Lebenskrise entschied sich der ehemalige Profi-Golflehrer Freukes 2013, für ein Jahr in einem Tipi im Wald zu leben. Er wollte weder der Gesellschaft noch der Umwelt zur Last fallen. Anfang 2014 setzte er sein Vorhaben in die Tat um - und blieb. Seinen Lebensunterhalt bestreitet er mit dem Verkauf seiner Bücher, Wildniskursen und Fernsehauftritten.
Abrissverfügung Ende 2017
Die alternative Lebensweise lockt viele Besucher an - auch Prominente wie Eckart von Hirschhausen. 2017 ersetzte Freukes sein Tipi durch eine 18 Quadratmeter große, selbst gebaute Jurte, die ihn vor extremen Minusgraden oder Mäusen schützt und ihm aufrechtes Stehen ermöglicht. Diese Hütte soll nun abgerissen werden. Auslöser für die erste Abrissverfügung Ende 2017 war wohl eine anonyme Anzeige.
Freukes strengte ein Widerspruchsverfahren mit aufschiebender Wirkung an, doch offenbar gibt es keine rechtliche Grundlage für sein Projekt. „Das Bauamt tituliert die Jurte nicht als Zelt, sondern als bauliche Anlage“, so Freukes, „es wird nicht zwischen einem Einfamilienhaus mit Garage und Pool differenziert.“ Für Freukes ist das unverständlich: „Wenn die Hütte abgerissen werden muss, hätte das keinerlei Vorteile“, schreibt er. Und weiter: „Das betrifft ja nicht nur mich. Man sollte lieber um das Recht auf Boden als um Rente und Grundeinkommen feilschen.“
Mehr als 1000 Menschen haben bereits digital unterschrieben. Rund ein Sechstel kommt aus Grasellenbach, der Rest aus der Region und dem gesamten Bundesgebiet. In Kommentaren offenbaren sie ihre Beweggründe: „Weil eine Gesellschaft Menschen wie Marc braucht.“ Oder: „Leben und leben lassen.“ Aber auch: „Die Freiheit des Menschen sollte unantastbar sein!“ Viele sehen Freukes als Vorbild, es werden Bedenken geäußert, es könne sich hier um Beamtenwillkür handeln. Freukes sei ja nicht erst seit gestern dort. Dass er plötzlich störe, ist der Schreiberin unverständlich.
Von Willkür kann laut Grasellenbachs Bürgermeister Markus Röth keine Rede sein. „Die Bebauung im Außenbereich wird mit dem Paragraf 35 des Baugesetzbuches klar geregelt.“ Der enthalte zwar Ausnahmen und die Option, „sonstige Vorhaben im Außenbereich“ wie Anlagen für Landwirtschaft und Energieversorgung im Einzelfall zu prüfen. Auf die Jurte von Marc Freukes treffe das aber nicht zu. Röth verweist unter anderem auf die fehlende Erschließung und den Brandschutz.
Das wiederum ist für Freukes nicht nachvollziehbar. Er nutzt nach eigenen Aussagen eine vollkompostierbare Trockentoilette, Abwasser durch eine Waschmaschine gibt es nicht. Den Brandschutz nehme er sehr ernst. Darüber hinaus war sein Anspruch von Anfang an, die Natur nicht zu belasten. „Ich kann nicht verstehen, warum theoretisch ein Atomkraftwerk hier gebaut werden kann, ich aber nicht auf 18 Quadratmetern nachhaltig leben darf.“
Bürgermeister Röth bedauert die Rechtslage und bezieht klar Stellung: „Was Nachhaltigkeit und Umweltschutz betrifft, ist Marc Freukes ein ideales Aushängeschild für unsere Gemeinde.“ Man befürworte das Projekt gerade im Hinblick auf den Geo-Naturpark Bergstraße-Odenwald. Auch die Wildniskurse bewertet er positiv. Dennoch, so Röth, sei dauerhaftes Wohnen in dieser Form nicht nur in Hessen sondern im gesamten Bundesgebiet nicht möglich. „Wenn es eine Möglichkeit gegeben hätte, hätten wir sie ausgenützt.“
Die Lage ist verzwickt. . Marc Freukes hofft zwar auf eine Duldung, rechnet aber mit einer weiteren Abrissverfügung. Dieser Termin wird dann verbindlich sein: „Dann stehe ich wieder dort, wo ich vor dem Projekt stand.“ Der Kreis Bergstraße lässt mitteilen, dass es sich um ein laufendes Verfahren handelt. „Eine abschließende Entscheidung im aktuell durchgeführten Verwaltungsverfahren steht daher noch aus.“
Kampf für das Leben im Wald
- Marc Freukes kämpft entschlossen für sein Recht, im Wald zu leben.
- „Solange ich mein Einkommen selbst erwirtschafte und niemanden etwas wegnehme, will ich frei und eigenständig sein“, sagt er.
- Er sieht in seiner Lebensweise eine Chance, Lösungen für die zivilisatorischen Problemen des 21. Jahrhunderts zu finden.
- „Dadurch könnte die Wohnsituation in den Städten entlastet und echte Nachhaltigkeit gefördert werden.“ Für sich selbst fasst er die Situation so zusammen: „Legal oder illegal – das ist mir egal. Ich weiß, dass ich das Richtige tue.“
- Infos unter www.marc-freukes.de.
- Zur Petition: www.openpetition.de/petition/online/ja-zur-jurte-von-marc-freukes.
- www.openpetition.de/petition/online/ja-zur-jurte-von-marc-freukes oder www.openpetition.de/jurte.
URL dieses Artikels:
https://www.mannheimer-morgen.de/metropolregion_artikel,-metropolregion-odenwald-tipianer-soll-wald-verlassen-_arid,1491789.html