Frankenthal. Von Simone Jakob
Frankenthal. Prozessbeteiligte tragen T-Shirts, auf denen „Gerechtigkeit für Zoe“ steht. Das Foto darauf zeigt ein Mädchen mit einem schwarz-weißen Hund. Das Mädchen lebt nicht mehr. Die 17-Jährige ist am Ludwigshafener Willersinnweiher vergewaltigt und erwürgt worden. Seit Montag muss sich der mutmaßliche Täter wegen Mordes vor der Jugendkammer des Frankenthaler Landgerichts verantworten. Die Öffentlichkeit ist – wie bei jedem Jugendstrafverfahren – zum Schutz des minderjährigen Angeklagten sowie der Zeugen – ausgeschlossen.
Trotzdem versammeln sich am Morgen Freunde des getöteten Mädchens mit selbst gemalten Schildern aus Karton vor dem Justizzentrum in Frankenthal: „Wir sind hier, weil wir für die Gerechtigkeit Position beziehen wollen. So etwas darf nicht ungestraft bleiben“, sagt eine Mutter von zwei kleinen Kindern. Er hat mit dieser Tat nicht nur ein Leben zerstört. Nichts ist mehr so, wie es war, seit Zoe nicht mehr lebt.“
Keine Vorstrafen
„Ein Jugendlicher, der derartige Taten begangen haben soll, ist äußerst selten“, sagt der Leitende Oberstaatsanwalt Hubert Ströber am Rande des Verfahrens. So wirft die Anklage dem Deutschen aus Ludwigshafen Mord und mehrfache Vergewaltigung vor. Demnach soll er am 12. März die 17-jährige Jugendliche am Willersinnweiher in Ludwigshafen vergewaltigt und erwürgt haben. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass der Angeklagte sein Opfer zum Zwecke seiner sexuellen Befriedigung getötet hat. „Der 17-Jährige hat bislang lediglich eingeräumt, dass er eine kurze Vorbeziehung zu dem Mädchen hatte, das später tot war. Alles andere hat er bestritten“, berichtet der Chef-Ankläger. Im Jahr vor dem Mord soll er drei andere minderjährige Mädchen missbraucht und diese teilweise gewürgt haben. Anzeigen habe es deswegen gegen ihn gegeben, „aber vorbestraft war er noch nicht. Das ist sehr ungewöhnlich angesichts der angeklagten Taten“, betont Ströber. Ein Fall sei erst im Laufe des Ermittlungsverfahrens aufgedeckt worden.
Zudem muss sich der 17-Jährige wegen einer gefährlichen Körperverletzung verantworten, weil er im Februar 2019 am Ludwigshafener Rathauscenter einen Mann mit einem Messer bedroht haben soll. Als eine Frau dazwischen gehen wollte, soll ihr der Jugendliche den Messergriff heftig gegen ihren Brustkorb gestoßen haben. „Das steht vom Schuldgehalt allerdings am unteren Ende der Skala im Vergleich zu den anderen Taten“, ordnet der Behördenleiter diesen Vorwurf ein.
Die Höchststrafe für einen Jugendlichen liege bei zehn Jahren Haft. „Egal wie schwer die Vorwürfe wiegen“. Allerdings sei es denkbar, sich im Urteil eine Sicherungsverwahrung vorzubehalten, über die dann erst später entschieden wird. Da das aber in weiter Ferne liege, sei es im Moment nur eine rein theoretische Möglichkeit.
Verteidiger Alexander Klein hat seinem Mandanten indes empfohlen, keine Angaben zu machen. „Ich gehe davon aus, dass sich die Anklage so nicht bewahrheiten wird“, sagt er in einer Verhandlungspause. „So wie sie erhoben worden ist, trifft sie jedenfalls nicht zu.“ Mehr möchte der Anwalt vorerst nicht dazu sagen. Sein Mandant sei sehr sehr jung, nicht vorbestraft und von dem Strafverfahren entsprechend beeindruckt. „Die Beweisaufnahme wird für alle Beteiligten belastend und sie wird sicher einige Zeit in Anspruch nehmen“, so Klein. „Die Nerven liegen auf beiden Seiten blank und es geht auch im Verhandlungssaal sehr emotional zu.“
Psychiatrischer Gutachter
Die Mutter des Angeklagten, die als Erziehungsberechtigte in einem Jugendstrafverfahren Anwesenheitsrecht hat, sei sehr verunsichert. „Sie hat Angst, beschimpft zu werden, deshalb habe ich sie heute auf einem anderen Weg ins Gebäude gebracht.“ Auch die T-Shirts mit der Botschaft und dem Foto habe er im Saal beanstandet, „weil sie die Schöffen beeinflussen könnten“.
Bis Ende Januar 2021 sind weitere Verhandlungstermine angesetzt. „Wir brauchen so viele Verhandlungstage, da das Gericht herausfinden muss, was für ein Mensch der Angeklagte ist. Auch der psychiatrische Gutachter muss ausreichend Zeit haben, sich ein Bild von dem Jugendlichen zu machen“, so Ströber.
Die kleine Versammlung vor dem Justizzentrum steht auch am Mittag noch beisammen. „Selbst wenn wir nicht real im Saal sein können, sind wir doch dabei“, sagt die junge Mutter. „Wir alle empfinden einen unendlichen Verlust, aber in die Trauer mischt sich auch Zorn. Wir ertragen den Schmerz sonst nicht“, sagt ein junger Mann und hält den Karton mit den Glitzerbuchstaben unter das Schild mit der Aufschrift „Justizzentrum“.
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