Plankstadt. Auf dem Electric-Horizon-Festivals in Plankstadt wird es am kommenden Samstag, 16. August, keinen Stand des Tattoo-Studios „PikAss Tattoo GmbH“ aus Ketsch geben. Das teilte Veranstalter Marcel Kästel, Geschäftsführer des Basement Clubs in Schwetzingen, auf Nachfrage dieser Redaktion mit.
Vorangegangen war ein Schreiben der Antifaschistischen Initiative Heidelberg (AIHD), das dieser Redaktion und dem Veranstalter seit dem Wochenende vorliegt. In der Mitteilung der Initiative wird dem Tattoostudio-Inhaber Marco Berlinghof und Wolfgang Benkesser, Geschäftsführer der Zweigstelle in Wiesloch, vorgeworfen, dem Netzwerk der in Deutschland verbotenen „Hammerskins“ zugehörig zu sein. Zudem sei Marco Berlinghof „immer noch eng mit der rechten Szene verwoben“, wird Peter Gerber, Sprecher der AIHD, im Schreiben zitiert. Für weitere Rückfragen war die Antifa aus Heidelberg am Montag bis Redaktionsschluss nicht zu erreichen.
Verbot der „Hammerskins“ in Deutschland
Am 19. September 2023 hatte das Bundesinnenministerium den rechtsextremistischen Verein „Hammerskins Deutschland“ einschließlich seiner regionalen Chapter und seiner Teilorganisation „Crew 38“ verboten, heißt es im Verfassungsschutzbericht aus dem Jahr 2023. „Auch in Baden-Württemberg wurden im Zuge beider Verbote mehrere Objekte von Einsatzkräften durchsucht“, schreibt die Behörde in ihrem Jahresbericht.
Das bestätigt auch das Innenministerium in Baden-Württemberg. „Beim Vollzug des ,Hammerskins‘-Verbots haben die Sicherheitsbehörden in Baden-Württemberg zwei Objekte im Rhein-Neckar-Kreis und ein Objekt im Ostalbkreis durchsucht“, so ein Sprecher. Hierbei seien Kräfte der Polizeipräsidien Heilbronn und Mannheim, des Polizeipräsidiums Einsatz und der Bundespolizei beteiligt gewesen, wie aus der damaligen Pressemitteilung hervorgeht.
Auf Nachfrage beim Landesamt für Verfassungsschutz Baden-Württemberg, ob Berlinghof und Benkesser in Verbindung mit den „Hammerskins“ stehen und ob im Zuge des Verbots Räumlichkeiten des Tattoo-Studios durchsucht wurden, verweist der Verfassungsschutz auf das Persönlichkeitsrecht sowie die Zuständigkeit des Innenministeriums des Landes Baden-Württemberg, sagt ein Sprecher dieser Redaktion. Aber auch das Innenministerium in Baden-Württemberg kann keine Auskünfte über einzelne Personen machen, da hier die Persönlichkeitsrechte gelten, heißt es auf Anfrage. Somit bleibt von Behördenseite unklar, welche Räumlichkeiten im Rhein-Neckar-Kreis durchsucht wurden.
Das Kapitel „Hammerskins“ ist für die Sicherheitsbehörden aber noch nicht abgeschlossen: Innerhalb seines gesetzlichen Auftrags verfolge das Landesamt für Verfassungsschutz Baden-Württemberg weiterhin die Aktivitäten von ehemaligen „Hammerskins“-Mitgliedern, heißt es aus dem Innenministerium. Dabei habe man mögliche Gründungen von Ersatz- oder Nachfolgestrukturen im Blick, so der Sprecher.
Veranstalter des Festivals in Plankstadt zieht Konsequenzen
Dennoch hat das Schreiben der Antifaschistischen Initiative Heidelberg Auswirkungen auf das Festival im Plankstadter Weldegarten. „Nach Bekanntwerden der Vorwürfe haben wir die Situation sorgfältig geprüft und uns dazu entschieden, die Zusammenarbeit mit sofortiger Wirkung zu beenden“, sagt Marcel Kästel. „Wir lehnen jede Form von Rassismus, Antisemitismus und rechtsextremem Gedankengut klar und ausdrücklich ab.“
Bei der ersten Auflage des Elektronik-Festivals im vergangenen Jahr hatten die Veranstalter bereits mit dem Tattoo-Studio „PikAss Tattoo GmbH“ zusammengearbeitet. „Wir haben ,PikAss‘ in der Vergangenheit als sehr verlässlichen und professionellen Partner geschätzt und bisher keine Kenntnis der aktuellen Beschuldigungen gehabt“, sagt Kästel. Ziel der Organisatoren von Electric-Horizon bleibe, „Veranstaltungen zu schaffen, die für alle Menschen offen und sicher sind – unabhängig von Herkunft, Religion, Hautfarbe oder Überzeugung“. Tätowiert werden soll trotzdem auf dem Electric-Horizon-Festival in Plankstadt, sagt Marcel Kästel im Gespräch mit dieser Zeitung. Man sei gerade auf der Suche nach einem Ersatz.
Das sagt der Inhaber des Tattoo-Studios in Ketsch
Zu den Vorwürfen äußert sich Marco Berlinghof, Inhaber von „PikAss Tattoo“ in Ketsch, auf Nachfrage unserer Zeitung. Dass es in der Vergangenheit Kontakt zu dieser Gruppierung gab, streite er nicht ab. Dies sei aber mittlerweile 15 Jahre her, so Berlinghof. Heute bestehe der Kontakt nicht mehr und die Gruppierung sei verboten. „Ich bin Unternehmer mit Mitarbeitern aller Nationen und finde es traurig, dass diese weit zurückliegende Thematik jetzt wieder in den Vordergrund rückt“, sagt er.
Der Unternehmer erklärt, dass es insgesamt drei Geschäftsräume seines Tattoo-Studios gebe – in Ketsch, Oftersheim und Wiesloch. „Die beiden in Ketsch und Oftersheim wurden noch nie von der Polizei durchsucht“, sagt er und fügt hinzu: „An einem geschlossenen Tag wurden die Räume in Wiesloch durchsucht, jedoch wurde nichts gefunden und die Polizei hat sich anschließend auch für die Umstände entschuldigt.“
Zum Vorwurf von der AIHD, mit Wolfgang Benkesser wissentlich einen Geschäftsführer eingestellt zu haben, der mit der rechten Szene in Verbindung steht, äußert sich Berlinghof: „Wie schon erwähnt, gab es sowohl bei mir als auch bei Wolfgang Benkesser früher Kontakt in diese Szene. Dies ist bei mir schon seit Langem nicht mehr der Fall und meines Wissens ist auch Wolfgang Benkesser nicht mehr politisch aktiv, und schon gar nicht bei einer verbotenen Gruppierung.“ Er sei Geschäftsführer des Studios in Wiesloch, das entsprechend über einen separaten Eintrag im Handelsregister laufe.
Auch zur Kündigung der Zusammenarbeit zwischen dem Electric-Horizon-Festival und dem Tattoo Studio „PikAss“ will Marco Berlinghof Stellung beziehen: „Es ist einfach traurig, dass man immer wieder mit diesem Thema konfrontiert wird.“ Das Studio stehe mit einem internationalen Team für Vielfalt und Freiheit und wäre bei dem Festival genau am richtigen Ort.
„Dass die Vorwürfe von der AIHD kommen, zeigt, dass manche Organisationen in Deutschland machen können, was sie wollen, ohne dafür belangt zu werden“, sagt Marco Berlinghof. „Ich möchte in diesem Zusammenhang auch den Festival-Organisator Marcel Kästel loben, der mit den Vorwürfen und der Kündigung sehr menschlich umgegangen ist, das haben wir schon deutlich anders erlebt.“ Berlinghof bedaure es, dass das Team nicht an diesem Festival teilnehmen kann.
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