Untersuchung - Schulaufsicht prüft wegen umstrittener Parolen Disziplinarverfahren gegen Ex-AfD-Stadträtin Myriam Kern aus Landau

Muss rechte Lehrerin gehen?

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Sin
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Einen Monat nach dem tödlichen Angriff auf die 15-jährige Mia in Kandel forderte Myriam Kern Konsequenzen von der Verbandsgemeindeverwaltung. © dpa

Landau. Eine blonde Frau im rosafarbenen Parka steht vor einem Mikrofon und schreit: „Wir akzeptieren es nicht, abgeschafft zu werden“. Sie schleudert ein „Pfui“ hinterher und erntet Beifall. Auf den ersten Blick scheinbar eine normale Szene. Befremdlich wird der Ausschnitt erst, wenn man weiß, dass das YouTube-Video am 3. Oktober 2018 auf einer Demonstration von Rechtsextremen in Berlin aufgenommen worden ist, zu deren Beginn die Teilnehmer lautstark „rein in die Gaskammer“ rufen. Und wenn man weiß, dass die Rednerin – deren Name, Myriam Kern, groß eingeblendet wird – Lehrerin an einer Landauer Förderschule ist.

Vor einigen Jahren war die Pädagogin AfD-Stadträtin. Nach dem Mord an der 15-jährigen Mia durch einen afghanischen Geflüchteten im Dezember 2017 ist sie als „Stimme von Kandel“ bekannt geworden und organisierte Demos, an denen nach Polizeiangaben immer wieder rechte Gruppierungen teilnahmen.

Das Video aus Berlin und die Tatsache, dass Kern nach den Sommerferien zunächst von Neustadt an die Pestalozzi-Grundschule sowie an die Grundschule Wollmesheimer Höhe abgeordnet worden ist – was nach massiven Elternprotesten mittlerweile wieder aufgehoben wurde – sorgen derzeit in der Südpfalz-Metropole für Unruhe. Oberbürgermeister Thomas Hirsch (CDU) hatte in einem Brief an Bildungsministerin Stefanie Hubig von einer „massiven Störung des Schulfriedens“ gesprochen und eine disziplinarrechtliche Prüfung gefordert, wie sie jetzt begonnen hat.

Besondere Treuepflicht

So überprüft die Schulaufsichtsbehörde der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD) Trier derzeit, ob das Verhalten der Lehrerin Anhaltspunkte für die Einleitung eines Disziplinarverfahrens gibt: „Alle Beamten müssen sich verfassungsgemäß verhalten. So haben auch Lehrkräfte eine besondere Dienst- und Treuepflicht gegenüber dem Staat. Bei der Wahrnehmung ihrer dienstlichen Aufgaben unterliegen alle staatlichen Bediensteten einem Neutralitäts- und Mäßigungsgebot“, macht Pressesprecherin Miriam Lange auf Anfrage dieser Redaktion deutlich. Allerdings verbiete das Gebot der Neutralität Lehrern nicht, sich im Rahmen des Grundrechts auf Meinungsfreiheit zu äußern – „erst recht nicht außerhalb des Dienstes“. Dies gelte indes nur, wenn sich die Äußerungen auf dem Boden der freiheitlich demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland bewegten. Ob Myriam Kern diesen Boden verlassen hat, werde geprüft.

Myriam Kern äußert sich dazu nicht. Die Lehrerin hat zwei Gesprächsangebote dieser Redaktion bislang nicht genutzt. Bürgermeister Maximilian Ingenthron (SPD) findet indes deutliche Worte für ihre Auftritte: „Heute Seite an Seite mit Rechtsextremisten, NPD-Funktionären und Anhängern von Weltverschwörungstheorien, morgen Seite an Seite mit den ihr anvertrauten Schülerinnen und Schülern: Frau Kern macht sich bewusst zum Bestandteil dieses Konglomerats von radikalen Schreihälsen, das unser Land und unser Wertesystem umkrempeln will. Mit solchen Auftritten und Äußerungen disqualifiziert sie sich vollends. Da kann ich nur sagen: nicht versetzen, sondern absetzen“, schreibt er auf seiner Facebook-Seite. So sehen es auch die Landauer Grünen: „Die ADD darf nicht länger zulassen, dass Frau Kern, die sich zur extremen Rechten bekennt, Kinder an Schulen unterrichtet. Durch ihre unverblümt rechtsextremen Äußerungen wie zu einer „Umvolkung” und ihr langjähriges Engagement in der rechten Szene hat sie ihre Grundpflicht, als Beamtin dem gesamten Volk zu dienen, in schwerwiegender Weise verletzt“, betont die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Stadtrat Lea Saßnowski. Bislang hat die ADD allerdings keine Anhaltspunkte dafür gefunden, dass Kern im Schuldienst versucht hat, Schüler zu indoktrinieren. Zudem werde sie im Unterricht nicht alleine mit den Schülern sein: „Frau Kern wird immer im Team arbeiten, das wurde so unmissverständlich kommuniziert“, betont die ADD-Sprecherin.

Falls die Schulaufsicht ein Disziplinarverfahren anstrengen sollte, seien mehrere Szenarien denkbar: „Mögliche Sanktionen sind Verweis, Geldbuße, Gehaltskürzung, Zurückstufung oder Entfernung aus dem Dienst.“ Die beiden letztgenannten erforderten allerdings eine Disziplinarklage vor dem Verwaltungsgericht, das darüber zu befinden habe. Was das verstörende YouTube-Video aus Berlin und diverse Facebook-Posts von Kern angeht, so „dauern die Prüfungen noch an“.

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