Brauchtum

Murmeltiertag: Wie eine amerikanische Tradition in die Pfalz heimkehrt

Am Sonntag, 5. Februar, lohnt sich ein Ausflug nach Bockenheim. Ein Murmeltier aus Stoff wird auf einer Sänfte in die Festhalle getragen. Dort soll "Bockrem Bert" das Wetter per Bauernregel vorhersagen

Von 
Bernhard Zinke
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Das Bockenheimer Murmeltier „Bockrem Bert“ auf seiner Sänfte. © Herbert Tiefel

Punxsutawney. Phil ist weltberühmt. Schließlich ist das Murmeltier jährlich wiederkehrend am 2. Februar der Star des kleinen Städtchens Punxsutawney im US-Bundesstaat Pennsylvania. Tausende strömen zu dem Volksfest, wenn das Murmeltier geweckt wird, um das Wetter für die nächsten Wochen vorherzusagen. Hollywood hat aus dem Spektakel den Film „Und täglich grüßt das Murmeltier“ gemacht, in dem Bill Murray als griesgrämiger Wettermoderator immer wieder denselben Tag in dem Nest Punxsutawney erlebt. In diesem Jahr wird der Murmeltiertag auch in der Pfalz gefeiert: In Bockenheim wird am 5. Februar „Bockrem Bert“ seine Wettervorhersage abgeben.

Amerikanischer „Groundhog-Day“ basiert auf alter Bauernregel

Freilich handelt es sich hier in Ermangelung eines echten Murmeltiers nur um eine Stofffigur. Doch die wird pfälzisch-stilecht aus einem Weinfass im Park am Weinstraßen-Tor geholt. Damit kehrt eine Tradition wieder zurück in die Heimat. Denn der amerikanische „Groundhog-Day“ basiert auf einer alter Bauernregel, die pfälzische Landwirte im 17. und 18. Jahrhundert in die USA mitgenommen haben. In Deutschland spielt der Dachs die Hauptrolle: „Sonnt sich der Dachs in der Lichtmesswoche, geht auf vier Wochen er wieder zu Loche.“ Übersetzt also: Es bleibt weitere vier Wochen kalt.

Die New Paltz Band mit Hauptmann Herbert Tiefel (Mitte). © Privat

Sprachwissenschaftler Michael Werner beschäftigt sich seit Jahrzehnten mit dem „Pennsylvania Dutch“, einer alten Variante des Pfälzer Dialekts in USA. Auf seinen Forschungsreisen entdeckte er die Murmeltiertag-Tradition an vielen Orten in dem Bundesstaat. 18 Lodges gibt es dort, also Gruppen, die den Murmeltiertag feiern. Auf einer USA-Reise 2019 entwickelten Werner und der Lampertheimer Herbert Tiefel die Idee, die amerikanische Tradition mit Pfälzer Wurzeln wieder nach Hause zurückzuholen. Sie gründeten die 19. Grundsau-Lodge und feierten 2020 pünktlich an Mariä Lichtmess, dem 2. Februar, in Bockenheim den ersten Pfälzer Grundsau-Tag.

Am 5. März steigt die Party

Die Pandemie machte weiteren Festen 2021 und 2022 einen Strich durch die Rechnung. Es gab nur kleine Videos via Internet. In diesem Jahr wird dem Murmeltier aber wieder in Präsenz gelauscht. Am 5. Februar, dem Sonntag nach Mariä Lichtmess, wird „Bockrem Bert“ im Weinfass aufgeweckt, in einer Sänfte in die Festhalle Emichsburg getragen, wo dann die Party steigt - mit der New Paltz Band und Liedern aus Pennsylvania in Pfälzer Mundart, Mundart-Geschichten und natürlich dem Wetterbericht von „Bockrem Bert“. Beginn ist um 14.11 Uhr, weil die kurzweilige Veranstaltung auch in die närrische Zeit passt.

Dass die alte Bauernregel aus der Pfalz sich auch in der neuen Heimat verbreitet und angepasst hat, ist für Johannes Zehfuß keine Überraschung. Schließlich waren die Bauernregeln nichts anderes als Jahrhundertelang überlieferte Arbeitsanweisungen für die Landwirte. Und das sei für den Berufsstand überlebenswichtig gewesen. Denn einen landwirtschaftlichen Unterricht habe es in der Breite erst Ende des 19. Jahrhunderts gegeben. Da waren viele Auswanderer längst in den USA heimisch geworden.

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Die Reimform und die manchmal witzigen Sprachbilder hätten natürlich dazu gedient, dass sich die Menschen die Regeln leichter merken konnten. Erstaunlich findet Zehfuß, dass manche der jahrhundertalten Wetterregeln bis heute eine gewisse Treffsicherheit haben. So werde es etwa in der Hälfte der Jahre tatsächlich rund um die Eisheiligen Mitte Mai nochmals empfindlich kalt. Erstaunlich findet es Zehfuß auch, dass die Monatsmitte des Juli für starke Regen- und Gewittergüsse bekannt ist. Für den Magdalenen-Tag am 22. Juli ist überliefert. „Magdalene weint um ihren Herrn, drum regnet’s an diesem Tage gern“.

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Die Bauernregel geht zurück auf das 1342. Damals kam die Magdalenenflut, die größte in Deutschland je registrierte Überflutung. Der Main stand knapp acht Meter über Normal Null, haben Forscher ermittelt. Erst nach vier Wochen habe der Fluss bei Frankfurt nach Modellrechnungen wieder einen normalen Pegel gehabt. Auch die verheerenden Fluten im Ahrtal von 1804 und 2021 haben Mitte Juli stattgefunden. Dabei will Zehfuß die Bauernregeln nicht überhöhen. Einen Fingerzeig für regelmäßig wiederkehrende Wetterereignisse seien sie schon. „Die Mischung macht’s: die hochmoderne Wettervorhersage, Erfahrung, aber eben auch die gute alte Bauernregel.“

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