Menschen in der Metropolregion - Natascha Huber leitet die Sektion Ludwigshafen des Literarischen Vereins der Pfalz

Lyrik und Tattoos statt Rezeption

Von 
Christian Schall
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"Wenn mir etwas einfällt, schreibe ich es sofort auf": Natascha Huber mit ihren wichtigsten Werkzeugen: Zettel und Stift.

© SChall

Ludwigshafen. Wenn man sich bei einer 28-Jährigen nach ihren Hobbys erkundigt, erwartet man auf Anhieb nicht unbedingt Literatur und Lyrik. Noch überraschender ist es, wenn eine Frau dieses Alters in einem literarischen Verein tätig ist und diesen dazu auch noch leitet. Auf Natascha Huber trifft beides zu, und sie geht darin richtig auf. Seit Juni ist sie Leiterin der Sektion Ludwigshafen des Literarischen Vereins der Pfalz, die etwa 20 Mitglieder zählt.

Dabei ist sie vor etwa zwei Jahren eher zufällig über Facebook zu der Gruppe gestoßen. "Ich hatte wieder zu schreiben begonnen, aber keine Kontakte zu anderen Schreibern." Dann lud sie sich selbst zu einem Poetenfest in Landau ein. Ohne Erwartungen sei sie zu dem Treffen gefahren, erinnert sie sich. "Dort habe ich nette Kontakte geschlossen und bin ein paar Wochen später beigetreten."

Jetzt leitet sie die Ludwigshafener Sektion und hat bereits viele Ideen, um wieder "frischen Wind" in den, wie sie sagt, "leicht spießigen Anklang des Vereins" zu bringen. Eine Autorengruppe mit bis zu 20 Autoren klassischer Lyrik, Mundart und Mittelalter-Romanen ist schon gegründet, sie trifft sich regelmäßig zum gemeinsamen Austausch. Huber möchte den Kontakt auch zu weiteren Autoren noch intensivieren, plant Lesungen und Vorträge.

Nicht immer hat sie sich so intensiv mit Literatur befasst, wie sie es seit ungefähr zwei Jahren wieder tut. Es war vor allem ein zeitliches Problem. Dann hat sich die gelernte Hotelfachfrau, die sieben Jahre unter anderem Rezeptionsleiterin in Sternehotels rund um Bad Füssing war, beruflich neu orientiert: "Ich wollte etwas machen, wo ich mich selbst verwirklichen kann." Als Hotelangestellte war es ein Tabu, die Haare bunt zu färben oder sichtbare Tätowierungen zu haben, die inzwischen großflächig ihren Körper zieren. In der Kunst der Lyrik und Tattoos sieht sie "die optimale Kombination, um mich zu verwirklichen".

Huber bewarb sich für eine dreijährige Ausbildung in einem Tattoostudio und war nach einer Probearbeit von Frankenthal überzeugt. Seit fünf Jahren ist sie nun in der Region und fühlt sich wohl, obwohl sie nach der Ausbildung wieder zurück in das heimatliche 1000-Seelen-Dorf wollte. "Frankenthal war damals für mich wie eine Großstadt." Jetzt erinnert nur noch der dezent niederbayerische Akzent an ihre Herkunft. "Bayern ist Heimat, aber hier ist mein Zuhause", sagt die junge Dichterin und macht einen zufriedenen Eindruck.

Am Ende steht ein Liebesgedicht

Nicht zuletzt die Arbeit im Tattoostudio, in dem sie Kunden zu Piercings berät und sich um die Terminvergabe kümmert, trägt dazu bei. Vor allem kann sie sich mehr als früher der Literatur widmen.

Ihre wichtigsten Werkzeuge: Zettel und Stift. "Wenn mir etwas einfällt, schreibe ich es sofort auf, um eine Rohfassung zu haben." Hubers Gedichte handeln von der Heimat, Kindheit, von "schönen und traurigen Dingen" und dem Weltgeschehen. Am Ende steht meist ein Liebesgedicht mit "leicht melancholischem Hang" und vielen Metaphern.

Anders als viele Altersgenossen widmet sich Huber nicht dem Poetry Slam. Auch wenn ihr dieser Stil gefällt, findet sie, dass es "eine Gruppe ist, die ihr eigenes Ding macht". Beim Lesen hat sich Huber noch auf keine literarische Gattung festgelegt, aber: "Lyrik ist mir auf jeden Fall lieber als Dramen oder Prosa." Momentan entdecke sie noch viel Neues, wälzt auch Klassiker wie Shakespeares "Othello". Kürzlich habe sie "Woyzeck" gelesen "und ,Faust' steht auch auf der To-Do-Liste".

Ihr Bücherregal füllt sich weiter, vor allem Gedichtbände von Else Lasker-Schüler (1869-1945) nehmen einen großen Platz ein. Denn auf die Werke der deutsch-jüdischen Dichterin, die als herausragende Vertreterin der avantgardistischen Moderne und des Expressionismus in der Literatur gilt, ist Natascha Huber schon zu Teenager-Zeiten aufmerksam geworden. Und letztlich haben sie großen Anteil daran, dass sich die 28-Jährige heute so sehr für Lyrik interessiert und vielleicht eines Tages ihren eigenen Gedichtband herausgibt.

Literatur-Verein

Der Literarische Verein der Pfalz ist nach eigenen Angaben ein gemeinnütziger Verein zur Förderung des literarischen Geschehens in Rheinland-Pfalz.

Der Verein besteht seit mehr als 135 Jahren.

Neben Ludwigshafen gibt es weitere Sektionen, zum Beispiel in Kaiserslautern, Landau und Speyer mit rund 140 Mitgliedern.

Informationen und Kontakt per Mail an: Natascha-Huber.lvdp@web.de

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