Interview

Landauer Ökonom Heinz Klippert: „Pazifisten haben es derzeit schwer“

Nach Ansicht des Landauer Ökonomen Heinz Klippert lassen sich Konflikte nur friedlich beilegen, so sagt er im Interview mit dieser Redaktion. In seinem Buch „Frieden? Sichern!“ gibt er Impulse zur Friedensbildung

Von 
Uwe Rauschelbach
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Heinz Klippert mit seinem aktuellen Buch. © Privat

Landau. Heinz Klippert aus Landau ist Ökonom, Politikbildner, Lernforscher und Pazifist. In seinem aktuellen Buch „Frieden? Sichern! Anleitung zur Belebung pazifistischen Denkens“ gibt er ebenso Impulse zur Friedensbildung wie in Vorträgen. Kriege hält er grundsätzlich für vermeidbar. Klippert gehört keiner politischen Partei an.

Herr Klippert, fühlen Sie sich als Pazifist angesichts der globalen Aufrüstungsbestrebungen und der zunehmenden Kriegseinsätze als einsamer Rufer?

Heinz Klippert: Pazifisten haben es derzeit schwer. In der internationalen Politik wie in unseren Medien, Parlamenten und öffentlichen Debatten dominiert die klassische Kriegslogik, also die Vorstellung, dass mit militärischen Mitteln dauerhafter Frieden zu erzwingen sei. Ein großer Irrglaube, wie die Geschichte zeigt. Nach neueren Umfragen zum Ukraine-Krieg befürwortet die Hälfte der Befragten diplomatische Anstrengungen. Meine Hoffnung ist deshalb, dass die Friedensbewegung wiedererstarken wird.

Ist Pazifismus in einer Welt, in der das Recht des Stärkeren zu gelten scheint, nicht eine Haltung, die mit dem Risiko verbunden ist, von Gewalt und Aggression überrannt zu werden?

Klippert: Die entscheidende Frage ist, wie man den Stärkeren davon abhält, von seinem vermeintlichen Recht auf militärische Gewaltanwendung Gebrauch zu machen. Ich bezweifle, dass Aufrüstung, Waffenlieferungen, Wirtschaftssanktionen oder sonstige militärische Drohungen und Eingriffe gewaltbereite Herrscher zur Zurückhaltung bewegen. Im Gegenteil: In der Regel schüren sie lediglich deren Misstrauen, Bedrohungsgefühle und Angriffsbereitschaft. Ich bin überzeugt davon, dass die Zähmung potenzieller Aggressoren am ehesten dann gelingt, wenn frühzeitig und flexibel Vertrauen aufgebaut und gutwillig verhandelt und Interessenausgleich betrieben wird. Das ist im Vorfeld des Ukraine- und des Gaza-Kriegs viel zu wenig geschehen.

Wo finden Sie die ethischen Grundlagen für Ihre pazifistische Haltung?

Klippert: Eine wichtige Quelle für mich ist die Bergpredigt im Matthäus-Evangelium mit ihrem eindringlichen Gewalt- und Tötungsverbot sowie die darauf fußende Friedensethik. Weitere wichtige Quellen sind die UN-Charta, unser Grundgesetz mit seinen unterschiedlichen Artikeln zur Friedenspflicht der deutschen Politik sowie nicht zuletzt meine prägenden Erfahrungen, die ich in den 1970er- und 1980er-Jahren als Teilnehmer von Friedensdemos und als Berater von Kriegsdienstverweigerern sammeln konnte.

Werden Sie hin und wieder politischen Rändern wie den Linken oder dem BSW zugeordnet, im Falle des russischen Krieges gegen die Ukraine gar der AfD, und was ändert das möglicherweise an Ihren pazifistischen Überzeugungen?

Klippert: Dieses Schubladendenken ist mir ein Gräuel. Ich sympathisiere mit der Friedensbewegung und bin gegen jede Art von Krieg. Wenn man mich deshalb jedoch in die AfD-Schublade stecken würde, dann wäre ich schon sehr beleidigt, da ich mit denen nun wirklich nichts am Hut habe. Ich bin nicht wegen parteipolitischer Verlautbarungen zu meiner Position gelangt, sondern aufgrund sachrationaler Analysen, Recherchen und Debatten. Meine Argumente sind nicht deshalb falsch, weil sie womöglich von den falschen Leuten geteilt werden.

Heinz Klippert

 

  • Heinz Klippert (76) ist promovierter Ökonom und studierte Wirtschaftswissenschaften und Soziologie in Gießen.
  • Er ist ausgebildeter Gymnasiallehrer und arbeitete als Dozent, Trainer und Berater am Erziehungswissenschaftlichen Fort- und Weiterbildungsinstitut der evangelischen Kirchen in Rheinland-Pfalz in Landau.
  • Klippert hat in diesem Jahr sein Buch „Frieden? Sichern! Anleitung zur Belebung pazifistischen Denkens“ (336 Seiten, 24 Euro) veröffentlicht. 

 

Der Nahostkonflikt wurde nach einem barbarischen Terroranschlag vor einem Jahr auf Israel neu angefacht. Es gibt Länder wie Iran, die die Tilgung Israels von der Landkarte anstreben. Was könnte Israel denn anderes tun, um die Sicherheit des Landes wiederherzustellen, als gegen die Terroristen in Gaza und im Libanon vorzugehen?

Klippert: Ich gestehe, dass mich die total verfahrene Situation in Israel ziemlich ratlos macht. Da legt die UNO nun schon seit Jahrzehnten immer neue Resolutionen vor, die Israel von seinem rigiden Militärkurs abbringen und zu Verhandlungen drängen sollen. Doch die Ultranationalisten rund um die Likud-Partei ignorieren das einfach. Also wird periodisch immer wieder Krieg geführt, um die Palästinenser das Fürchten zu lehren. Doch die errungenen Siege sind faktisch nur Pyrrhussiege, die allen Seiten schaden, aber weder Sicherheit noch Frieden bringen. Nach meiner Ansicht wird es in Israel erst dann Frieden geben, wenn den Palästinensern würdige Partizipationsmöglichkeiten, Rechte und Lebensverhältnisse eröffnet werden.

Der Westen unterstützt, neben kritischen Mahnungen, das israelische Vorgehen weitgehend. Ist er dazu nicht verpflichtet aufgrund der geschichtlichen Ereignisse im 20. Jahrhundert?

Klippert: Unstrittig ist, dass der Westen nach der skrupellosen Judenvernichtung durch die Nazis eine besondere Verpflichtung hat, Israel zu unterstützen und in gewisser Weise auch zu schützen. Das gilt insbesondere für Deutschland. Diese vorbehaltlose Unterstützung Israels darf allerdings nicht so weit gehen, dass die Destruktions- und Eskalationspolitik der Netanjahu-Regierung in Gaza, der Westbank und neuerdings auch im Libanon einen pauschalen Freibrief erhält. Kritik an dieser Regierung und ihrer Groß-Israel-Politik muss statthaft sein und sollte nicht gleich als Antisemitismus diskreditiert werden. Andernfalls wird der Begriff Antisemitismus zum ideologischen Kampfbegriff.

Seit zwei Jahren wütet der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine. Was ist die Ursache dieses Krieges und wie hätte er verhindert werden können?

Klippert: Nach meinem Kenntnisstand zielt Putin mit seinem Angriffskrieg weder auf die Einnahme der Ukraine als Ganzes noch gar auf das militärische Attackieren etablierter Nato-Staaten. Dazu ist Russland ökonomisch, militärisch und politisch viel zu schwach und würde zudem umgehend seine Rückendeckung durch China und andere Staaten verlieren. Putin geht es wohl vor allem darum, die Nato-Mitgliedschaft der russlandkritisch agierenden Ukraine zu verhindern, den militärischen und politischen Einfluss der USA an den moskaunahen Grenzen zur Nato zurückzudrängen sowie die separatistischen Bestrebungen im Donbass und auf der Krim abzusichern. Wäre über diese Punkte rechtzeitig, seriös und kompromissorientiert verhandelt worden, hätte es den Krieg wahrscheinlich nicht gegeben.

Es ist weitgehend Konsens, dass der Einsatz von Waffen nötig sei, um Russland an weiteren kriegerischen Expansionen zu hindern. In der Ukraine werde die Sicherheit Europas verteidigt, heißt es. Ist das etwa falsch?

Klippert: Dieses Bedrohungsszenario scheint mir wenig evident. Die Tatsache, dass Putin wiederholt Verhandlungsbereitschaft signalisiert hat, deutet darauf hin, dass er nach einem gesichtswahrenden Ausstieg aus dem Kriegsgeschehen sucht. Annehmbare Verhandlungsbedingungen müssen notfalls herbeiverhandelt werden. Was ist denn die Alternative? Mittlerweile zählt der Ukraine-Krieg Hunderttausende Tote, unzählige Verletzte, Verkrüppelte und Traumatisierte, gigantische Sach- und Infrastrukturschaden, sechs Millionen Flüchtlinge, von denen 1,2 Millionen nach Deutschland verschlagen wurden. Eine Horrorbilanz!

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