Natur - Schnakenbekämpfer zweifeln Schlussfolgerungen französischer Forscher an / "Reißen keine Löcher ins Nahrungsnetz"

Kontroverse um KABS-Methode

Von 
Timm Herre
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Ein Mitarbeiter im Speyerer Kühlhaus von Icybac lässt das Eisgranulat durch die Finger rieseln, welches zur Stechmückenbekämpfung eingesetzt wird.

© Venus

Rhein-Neckar. Eine Studie aus Frankreich zu den Auswirkungen des Insektenmittels B.t.i. sorgt für Aufregung bei der Kommunalen Aktionsgemeinschaft zur Bekämpfung der Schnakenplage (KABS). Forscher des Instituts Tour du Valat behaupten nach Untersuchungen in der südfranzösischen Camargue, dass durch den Mitteleinsatz Löcher in das Nahrungsmittelangebot von Vögeln und anderen Tieren gerissen werden. Im Klartext: Weil weniger Schnaken zum Verspeisen da sind, gibt es auch zunehmend weniger Schwalben, Spinnen oder andere Tiere, die sich von den "Quälgeistern" ernähren.

Bei der KABS hat diese These heftigen Widerspruch erzeugt. "Wir sind doch vor 30 Jahren angetreten, um genau so etwas wie eine Schädigung des Nahrungsmittelangebots zu verhindern", sagt der wissenschaftliche Direktor Dr. Norbert Becker. Mit B.t.i. würden ganz gezielt nur die Stechmücken bekämpft, das Mittel sei nicht giftig für andere Tiere. Und dass die Mücken als Nahrung für die Tierwelt eine fast zu vernachlässigende Rolle spielen, habe man in zahlreichen Untersuchungen nachgewiesen.

Schwalbenzahl rückläufig

Die französischen Forscher belegen ihre These vor allem anhand von Schwalben. Deren Bruterfolge hätten nach B.t.i.-Einsätzen deutlich abgenommen. Gerade mit Schwalben haben aber auch die KABS-Forscher ihre Studien gemacht. "Wir haben nachgewiesen: Die erste Brut wird überwiegend mit Blattläusen gefüttert, die zweite mit Käfern", so Becker. Mücken stünden fast gar nicht auf dem Speisezettel des Schwalben-Nachwuchses.

Außerdem würden auch die aktiven Stunden der beiden Arten nicht zusammenpassen. Denn Schwalben würden tagsüber füttern, die Mücken aber erst mit der Dämmerung losfliegen. "Nahrungsmittelrelevant sind ganz andere Organismen", betont Becker und fügt verärgert hinzu: "Die Aussage, wir würden Löcher in das Nahrungsnetz reißen, ist schlichtweg falsch."

Es gibt in der Metropolregion aber auch Experten, die Becker da nicht folgen wollen. "Die negativen Effekte auf schützenswerte Arten sind mit dieser Studie klar gezeigt worden", sagt Prof. Martin Entling vom Institut für Umweltwissenschaften an der Universität Landau. Entling betont, dass hinter den Forschungen ein sehr renommiertes Institut stehe und die Ergebnisse in einer der angesehensten Fachzeitschriften publiziert worden seien. "Es wäre vermessen, das einfach so abzutun."

Bedarf für Untersuchungen?

Ähnlich sieht das auch der Ludwigshafener Vogelforscher Franz Stalla. Er beobachtet seit einiger Zeit einen Rückgang der Schwalben-Populationen in der Region - zum Beispiel auf der Petersau zwischen Frankenthal und Ludwigshafen. "Ob das mit der Stechmückenbekämpfung zusammenhängt, kann ich aber nicht sagen. Weitere Forschungen würde ich jedoch gutheißen", so Stalla.

Martin Entling hält es für möglich, dass künftig stärker abgewogen werden muss, wo gespritzt wird. Man könnte zum Beispiel Wohn- und Erholungsräumen eine Priorität einräumen, dafür aber sensible Naturräume völlig aussparen. Den grundsätzlichen Wert der biologischen Stechmückenbekämpfung stellt der Wissenschaftler aber nicht infrage. "Keiner will das abschaffen. Aber alle Informationen, die wir haben, kommen von der KABS. Wir brauchen jetzt auf jeden Fall neue, unabhängige Untersuchungen für die Rheinebene."

Genau diese Notwendigkeit sieht Norbert Becker allerdings nicht. "Ökologisch ist bereits alles abgearbeitet", betont er und verweist auf mehrere Diplom- und Doktorarbeiten, die unter anderem an der Universität Heidelberg entstanden sind. Becker ist dort selbst Dozent und lässt keinen Zweifel daran, dass diese Publikationen ebenfalls alle wissenschaftlichen Standards erfüllen.

Verärgert ist Becker auch über Vorwürfe, dass er als einer der KABS-Verantwortlichen eher wirtschaftlichen Profit im Auge habe. Es treffe zwar zu, dass er das Patent für das B.t.i.-Eisgranulat habe. Aber: "Ich kann versichern, dass ich durch dieses Patent keinen Cent an Tantiemen oder Royalties einnehme." Es sei ein Arbeitspatent, das er an seinen Arbeitgeber abgegeben habe. Als Ökologe gehe es ihm um den Erfolg der biologischen Stechmückenbekämpfung. "Ich lasse nicht zu, dass unsere Methode diffamiert wird. Wir werden vehement gegen diese falschen Darstellungen angehen!"

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