Speyer. Nur noch vereinzelt bleiben Fußgänger kurz vor dem Zaun stehen, zücken ihre Handykameras. Der große Andrang am Grab von Helmut Kohl ist längst vorüber. Als der frühere Bundeskanzler im Alter von 87 Jahren starb, pilgerten anfangs noch Menschenmassen in den Adenauerpark. Dort befindet sich sein von Videokameras überwachtes Grab. Ein schlichtes, von Sträuchern umwachsenes Holzkreuz mit der Inschrift „Helmut Kohl 3.4.1930 - 16.6.2017“ erinnert an den Kanzler der Einheit, links daneben steht ein Vogelhäuschen. Ein Grabstein fehlt.
In der Öffentlichkeit kursieren seit Jahren Gerüchte, dass der Katholik Kohl gerne an der Seite der Kaiser, Könige und Bischöfe in der Speyerer Dom-Krypta bestattet worden wäre. Das Bistum Speyer habe einen entsprechenden Kanzlerwunsch zurückgewiesen, versichert ein Mitglied des Dombauvereins.
Kohl-Sohn übt Kritik
Direkt am umzäunten Grab in dem öffentlichen Park führt ein Fußgängerweg vom nahe gelegenen Bahnhof vorbei. Nur wenige Meter entfernt ist ein Kinderspielplatz. Der noch immer provisorische Grabzustand sorgt für Diskussionen in der Bevölkerung und den Medien - sowie bei den beiden Kohl-Söhnen Walter und Peter - für Unmut: Sie werfen der Witwe Maike Kohl-Richter als Nachlassverwalterin vor, die bescheidene Grabstätte sei „unwürdig“ für den ehemaligen Kanzler, CDU-Vorsitzenden und europäischen Staatsmann. Es sei eine „Schande“, dass das Grab auch nach fast fünf Jahren „einem lieblosen Provisorium“ gleiche, sagte Walter Kohl dieser Redaktion vor wenigen Wochen.
Bei der Wahl des Ortes und der Gestaltung des Grabes sei die Familie nicht eingebunden gewesen, kritisiert der Kohl-Sohn, der eine Umbettung seines Vaters wünscht: Der Altkanzler habe für sich selbst einen Platz im Familiengrab in Ludwigshafen-Friesenheim an der Seite seiner 2001 verstorbenen ersten Ehefrau Hannelore vorgesehen. Das Verhältnis der Söhne Kohls zu dessen zweiter Ehefrau Maike Kohl-Richter gilt als zerrüttet.
Adenauerpark
- Der von einer Mauer umgebene Alte Friedhof in Speyer, als solcher genutzt von 1502 bis 1881, dann ruhend, ist seit 1967 überwiegend eine Adenauerpark getaufte Parkanlage und seit 1992 als Denkmalzone ein Kulturdenkmal.
- Auf einem Teil des Areals wurde als Zeichen der Versöhnung zwischen Frankreich und Deutschland 1953/1954 die Kirche St. Bernhard errichtet. Konrad Adenauer war bei der Grundsteinlegung.
- Im Jahr 1958 wurde der Friedhof auf Initiative von Bürgern der Stadt restauriert, 1967 in Adenauerpark umbenannt und ist heute eine etwa eineinhalb Hektar große Parkanlage. Ein Teil des ehemaligen Friedhofs nördlich der St. Bernhard-Kirche ist der Friedhof des Domkapitels.
- Jenes Domkapitel stellte dem früheren Bundeskanzler Helmut Kohl eine Grabstätte zur Verfügung. Weil sie bisher unvollendet ist, kommt es zu Diskussionen. (sal)
Zuletzt bat die Speyerer Oberbürgermeisterin Stefanie Seiler (SPD) die Kohl-Witwe schriftlich, das Grab nun zeitnah „final“ herzustellen. Diese hatte sich 2017 dazu verpflichtet, ihre Pläne mit dem Domkapitel und der Stadt Speyer abzustimmen. Fünf Jahre nach der Beisetzung Kohls sei es aus Sicht der Stadt an der Zeit für eine endgültige Gestaltung des Grabes, sagte eine Sprecherin. Dies schließe auch einen Rückbau der Umzäunung und der Videobewachung ein. Die Maßnahmen seien einst von Maike Kohl-Richter gewünscht worden, um Vandalismus am Grab zu verhindern. Vorfälle habe es aber nicht gegeben.
Nach einem ersten Gespräch mit der Kohl-Witwe gebe es bisher „keine Ergebnisse“, erklärte die Stadtsprecherin. Maike Kohl-Richter habe „alles gesagt, was jedenfalls aus ihrer Sicht zum Grab ihres Mannes öffentlich zu sagen ist“, teilte ihr Freiburger Anwalt Stefan Wieser mit. Mit der Gestaltung des Grabes habe sie den letzten Willen ihres Mannes vollzogen. Ein finaler Gestaltungsentwurf sei bisher nicht vorgelegt worden, bestätigt das Bistum Speyer. Auch die CDU Deutschland will sich nicht an der Debatte beteiligen. Dies sei „eine rein private Angelegenheit“, sagte ein Sprecher in Berlin.
Warum kein repräsentatives Grab?
Spekulativ bleibt die Frage, warum der auf seinen Platz in den Geschichtsbüchern bedachte Kohl nach seinem Tod kein repräsentatives Ehrengrab erhielt. Symbolträchtig ist der Begräbnisort für den überzeugten Europäer im Adenauerpark allemal: Die dortige Friedenskirche St. Bernhard ist ein Symbol der Versöhnung zwischen Deutschen und Franzosen. Ihr Grundstein wurde 1953 im Beisein des damaligen Bundeskanzlers Konrad Adenauer gelegt.
Die deutsch-französische Aussöhnung sei ein Herzensanliegen Kohls gewesen, betont Roman Nitsch, Geschäftsführer der Europäischen Stiftung Kaiserdom zu Speyer. Kohl war als Vorsitzender des Kuratoriums der Stiftung ein großer Förderer des Unesco-Weltkulturerbes. Die Lage des Grabes bei der Friedenskirche und in einem Park, der nach dem ersten Bundeskanzler Adenauer benannt ist, erscheine der Stiftung für den Ehrenbürger Europas „nicht unangemessen“, so Nitsch.
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