Reformbedarf

Kliniken in Rhein-Neckar fordern schnellere Finanzhilfen

Inflation und hohe Energiekosten. Krankenhäuser in Mannheim, Heidelberg und der Region fordern schnellere Soforthilfen angesichts der massiven Kostensteigerungen. Aber auch andere Maßnahmen könnten helfen

Von 
Bernhard Zinke
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Spitzenmedizin hat ihren Preis – und ist nach Meinung der Experten mit Fallpauschalen alleine nicht zu bezahlen. © Uniklinikum Heidelberg

Rhein-Neckar. Die Zeit drängt. Rund zwei Drittel der Krankenhäuser in Deutschland haben im vergangenen Jahr rote Zahlen geschrieben. Und wenn keine finanzielle Hilfe kommt, dann wird der Anteil der defizitären Häuser in diesem Jahr weiter ansteigen. Dass Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach mit seinen Kollegen aus den Ländern Ende vergangener Woche Eckpunkte einer Krankenhausreform andiskutiert hat, begrüßen die regionalen Krankenhäuser vorbehaltlos.

Gleichzeitig drücken sie aufs Tempo, um sich kurzfristig mit Soforthilfen und einer Neubewertung der Fallpauschalen finanzielle Luft zu schaffen. Gleichzeitig fordern sie eine umfassende Reform, die auch die zahlreichen Herausforderungen der Zukunft einbezieht. Schließlich gehen die Babyboomer bald in Rente, werden zu Patienten. Gleichzeitig fehlen schon jetzt massiv Fachkräfte, auch die Digitalisierung hinkt hinter den Möglichkeiten her.

Schnelle Hilfe nötig

  • Bund und Länder wollen in den kommenden Monaten gemeinsam einen Entwurf für eine Klinikreform erarbeiten.
  • Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetags, Helmut Dedy, fordert allerdings eine Finanzspritze für die Kliniken noch vor der geplanten Krankenhausreform. „Angesichts galoppierender Kosten für Energie und Medizinprodukte brauchen wir schnell eine Zwischenlösung“, sagte Dedy, „Sonst gibt es viele Krankenhäuser nicht mehr, bis die Reformen wirken.“ 

Krankenhäuser fordern Erhöhung von Fallpauschalen

Aktuell stöhnen die Häuser vor allem durch die Unwucht der Finanzierung vor allem durch Fallpauschalen, also den Durchschnittswert, der die Behandlung eines Patienten im Krankenhaus kostet. Die Inflation betrage für das vergangene Jahr knapp acht Prozent, schon alleine die Lohnsteigerung liegt deutlich über den 2,2 Prozent, die die Krankenkassen mehr als Fallpauschale den Häusern gewährt.

Und jeder Dienstleister, von EDV über Medizintechnik bis zum Sicherheitsdienst gebe seine eigenen Kostensteigerungen weiter, sagt Wolfgang Walter, Geschäftsführer des Diakonissen-Stiftungskrankenhauses in Speyer: „Das kann so nicht funktionieren. Es gibt in Deutschland keine Branche, in der höhere Kosten nicht refinanziert werden können“.

Rechnung für Energie stieg um drei Millionen Euro

Ingo Autenrieth, Ärztlicher Direktor der Uniklinik in Heidelberg, pflichtet dem bei: „Wir sind in eine Fehlentwicklung gelaufen, in eine mengenorientierte Medizin. Und gegen die sprechen wir uns schon lange aus. Wir brauchen eine strukturelle Entwicklung, eine patientenzentrierte Medizin.“

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„Das aktuelle Finanzierungssystem sieht keinen Automatismus vor, um unerwartete Kostensteigerungen refinanzieren zu können“, sagt auch Katharina Elbs, Geschäftsführerin der GRN Gesundheitszentren Rhein-Neckar. Allein im vergangenen Jahr hätten die GRN-Einrichtungen Energie-Mehrkosten von drei Millionen Euro stemmen müssen. Hier müsse der Rhein-Neckar-Kreis als Träger finanziell unterstützen.

Jährliche Fixsumme

Den Mangel des Systems beschreibt Wolfgang Walter am Beispiel der Kinderklinik des Diakonissen-Stiftungskrankenhauses. Diese hat aktuell dank RS-Virus und Grippe alle Hände voll zu tun. Im März wird die Welle wieder abklingen. Trotzdem muss die Einrichtung weiterhin die Ärzte vorhalten. „Das lässt sich eben nicht über Fallpauschalen darstellen.“ Deswegen plädiert Walter für eine jährlich zu vereinbarende Fixsumme, mit der ein Krankenhaus dann wirtschaften müsse, aber entsprechend auch planen könne.

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bjz
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Die Lösung des Problems liegt für die Führungen der regionalen Krankenhäuser in der Spezialisierung. „Es soll nicht jeder alles machen“, sagt der Vorstandsvorsitzende der Heidelberger Uniklinik, Ingo Autenrieth. In der Fläche eine Grund- und Notfallversorgung, darüber eine Regelversorgung mit medizinischen Schwerpunkten und in den Zentren eine Maximalversorgung.

Auch Bürokratieabbau könnte Kliniken helfen

Die Patienten seien bereit, lieber etwas weiter in ein Krankenhaus zu fahren, in dem sie durch ein hervorragend geschultes Personal für ihren speziellen Bedarf versorgt werden, mit der entsprechenden Infrastruktur, Diagnostikeinheiten und Geräteausstattung. So entstehe „eine krisensichere, resiliente Krankenhausstruktur“.

Gleichzeitig lasse sich durch die Digitalisierung die medizinische Kompetenz eben auch an Ort und Stelle bringen, wo sie gebraucht werde. Ganz wichtig für Autenrieth: „Die Bürokratie muss abgebaut werden“. Viel zu viele Menschen seien mit der Prüfung von Abrechnungen statt mit dem Wohl der Patienten beschäftigt.

Versorgung in der Fläche wichtig

„Eine Spezialisierung trägt zur Qualitätsverbesserung bei und ist deshalb begrüßenswert“, sagt auch Katharina Elbs von den GRN. Aber es müsse weiterhin auch in der Fläche eine Grund- und Regelversorgung geben, um auch dort die Menschen adäquat medizinisch versorgen zu können. Auch sie kritisiert die ausufernden „Dokumentationszwänge bei gleichzeitig nicht ausreichendem Digitalisierungsgrad“.

Auch das Bergsträßer Kreiskrankenhaus in Heppenheim mahnt, den Fokus für die Region nicht aus den Augen zu verlieren. „Wir möchten auch weiterhin mit regionaler Verbundenheit für unsere Patienten vor Ort sein und die regionale Gesundheitsvorsorge auch in Zukunft weiter ausbauen. Beispielsweise sind wir der einzige verbliebe Kreißsaal zwischen Heidelberg und Darmstadt im Kreis und möchten den Frauen auch weiterhin die Möglichkeit geben, wohnortnah zu entbinden“, sagt eine Sprecherin.

Ressortleitung Teamleiter der Redaktionen Metropolregion und Südhessen Morgen

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