Geschichte - Bau des Atommeilers Philippsburg stieß vor 50 Jahren auf viel Zustimmung / Sprengung für nächste Woche geplant

Kernkraftwerk? „Bevölkerung war absolut dafür“

Von 
Till Börner
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Der Kühlturm für Block 1 während der Bauphase 1975. © EnBW

Philippsburg. Für die einen ist es ein Grund zur Freude, andere trauern schon jetzt dem hinterher, was nächste Woche in Staub und Asche versinkt: Am 14. oder 15. Mai sollen die Kühltürme des Kernkraftwerks Philippsburg gesprengt werden, stillgelegt ist die Anlage bereits seit Dezember 2019. Den genauen Abbruchtermin will der Betreiber, die EnBW, nicht nennen, um Schaulustige und somit Verstöße gegen die Corona-Verordnung zu verhindern.

Als im Oktober 1969 ein Bauantrag für ein Kernkraftwerk auf der Gemarkung der Stadt Philippsburg gestellt wird, dauert es nicht lange und Harry Block geht mit einigen Mitstreitern gegen das Vorhaben auf die Straße. „Ich hab noch nie so eine Stimmung gegen uns erlebt wie in Philippsburg. Die Bevölkerung war absolut für den Bau des Kraftwerks“, erinnert sich Block. Dass die Anlage dort überhaupt errichtet wird und nicht im Nachbarort, hat damit zu tun, dass Kommunalpolitiker und Bürger in Oberhausen-Rheinhausen sich vehement gegen ein Kernkraftwerk vor ihrer Tür ausgesprochen haben.

„In Philippsburg hat man das anders gesehen“, erzählt ein pensionierter Ingenieur, der über 20 Jahre in dem Kraftwerk gearbeitet hat, seinen Namen aber nicht in der Zeitung lesen will. Neben kräftigen Gewerbesteuereinnahmen hofft die Kleinstadt auf viele Arbeitsplätze und eine Belebung des örtlichen Handels.

„Die Baugenehmigung wurde erteilt und anschließend gingen beim damaligen Landratsamt Bruchsal einige Einsprüche und Protestschreiben ein – aus dem ganzen Bundesgebiet, ein Brief kam sogar aus den USA“, sagt Kreisarchivar Bernd Breitkopf. Vor Ort habe es hingegen lediglich „latente Proteste“ gegeben, was auch daran lag, dass die Anti-Atomkraft-Bewegung erst kurze Zeit später Schwung aufnahm. Im Herbst 1970 rollen auf der Rheinschanzinsel die ersten Bagger, anschließend werden die Pläne noch einmal überarbeitet, so dass der Siedewasserreaktor erst 1979 in Betrieb genommen wird. Fünf Jahre später geht auch Block II, ein Druckwasserreaktor, ans Netz.

„Die Anlagen waren immer in einem Topzustand“, sagt der langjährige AKW-Ingenieur, der mit Wehmut der Sprengung entgegenblickt. Anders ist die Stimmung bei Kernkraftgegner Block. „Ich freue mich, dass es endlich vorbei ist. Hoffentlich wird keine Radioaktivität freigesetzt“, so der pensionierte Lehrer, der 50 Jahre lang mit sogenannten Sonntagsspaziergängen gegen das Atomkraftwerk Philippsburg protestiert hat.

Redaktion Redakteur in der Onlineredaktion

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