Technologie

Kann Baden-Württemberg Raumfahrt? Ein Mittelständler liefert den Beweis

Die Firma „von Hoerner & Sulger“ in Schwetzingen baut Hardware für Satelliten – und weckt damit das Interesse der grünen Landespolitik. Jetzt kam sogar Ministerpräsident Winfried Kretschmann zu Besuch.

Von 
Dirk Jansch
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Winfried Kretschmann (v.l.) im Gespräch mit den Geschäftsführern Ute von Hoerner und Josef Dalcolmo. © Dirk Jansch

Schwetzingen. Wenn 2028 die deutsch-japanische „Destiny+“-Mission ins All startet, um zwei Jahre später die Staubwolke des Asteroiden 3200 Phaethon bei seiner Annäherung zur Sonne zu untersuchen, dann wird Technologie aus Schwetzingen mit an Bord sein. Das Unternehmen „von Hoerner & Sulger“ (vH&S) mit Sitz direkt am Schlossplatz stellt die Elektronik des Staubteleskops DDA (DESTINY Dust Analyzer) her – das Schlüsselinstrument der Mission.

Grund genug, für Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne), seinen Raumfahrtkoordinator Eckard Settelmeyer und den grünen Landtagsabgeordneten und Umweltstaatssekretär aus Schwetzingen, Andre Baumann, vor Ort vorbeizuschauen und sich persönlich davon zu überzeugen, wie deutsche Qualitäts- und Präzisionsarbeit in einem mittelständischen Familienunternehmen funktioniert.

Kretschmann setzt sich für mehr Investitionen im Bereich Luft- und Raumfahrt ein

Dabei liegt Kretschmanns letzter Besuch in Schwetzingen schon ein Weilchen zurück. „Das war eher kultureller Art“, erinnert sich der Ministerpräsident bei der Begrüßung durch die Firmenchefs Ute von Hoerner und Josef Dalcolmo. Oberbürgermeister Matthias Steffan, der mit Erster Bürgermeisterin Lisa Schlüter und Stadtplanungsamtsleiter Wolfgang Leberecht gekommen ist, hilft ihm gerne auf die Sprünge: „Das war 2016 zum Stadtjubiläum, und Sie waren der Erste, der sich in das neue goldene Buch der Stadt eingetragen hat.“

Diesmal also was Wissenschaftliches, und dem Landesvater ist wichtig zu betonen, dass es in Europa mehr Souveränität, bessere Produktionsbedingungen und eine stärkere Förderung von Schlüsseltechnologien brauche. Dazu zähle aus Sicht der Landesregierung neben Medizintechnik auch der Bereich Luft- und Raumfahrt.

Alexander Scheuring (r.) erläutert die Elektronik für das Copernicus-Programm zur Beobachtung der Eisbedeckung und Oberflächentemperatur der Meere. © Dirk Jansch

Erst im Juni hat Kretschmann in einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) und Bremens Bürgermeister Markus Bovenschulte (SPD) zu mehr Investitionen in diesem Bereich angemahnt. „Die Raumfahrt ist ein Zukunftsmarkt – und wir setzen uns mit Nachdruck im Land, in Berlin und in Brüssel für optimale Rahmenbedingungen für unsere Forschungseinrichtungen und Unternehmen ein“, so Kretschmann mit Blick auf die Landesstrategie „THE aerospace LÄND“.

Für Eckard Settelmeyer fristet die Raumfahrt längst kein Nischendasein mehr. Momentan sei zu beobachten, dass sich die Hightechindustrien alle miteinander vernetzten. Für Andre Baumann ist klar: „Ohne Klimabeobachtung aus dem Weltraum kann man keinen gescheiten Umweltschutz mehr machen.“

Messung der Eisbedeckung aus 800 Kilometern Höhe

Und auch dazu leistet der „Hidden Champion“ aus Schwetzingen, so Baumann, einen wertvollen Beitrag. Im Rahmen des Copernicus-Programms zur Erdbeobachtung entwickeln Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen von „vH&S“ die Motorelektronik sowie verschiedene andere Bauteile und Sensoren zur Entfaltung einer mehr als acht Meter großen Antenne. Zentrales Element ist ein bildgebendes Mikrowellenradiometer.

Aus 800 Kilometern Höhe soll die Eisbedeckung und Oberflächentemperatur der Meere beobachtet werden. Alexander Scheuring erklärt die technischen Details der Dichtemessung und zeigt die circa 30 mal 30 Zentimeter große Box. „Es gibt sehr hohe Anforderungen an Produktqualität und -sicherheit“, betont er. Das Ganze müsse auch trotz Strahlung und extremer Temperaturschwankungen sehr zuverlässig sein.

von Hoerner & Sulger



  • Die Firma „von Hoerner & Sulger“ wurde 1971 von der Physikerin Dr. Hanna von Horner gemeinsam mit einem Kommilitonen gegründet .
  • Seit 2020 führt ihre Nichte, Ute von Hoerner, das Unternehmen mit Haupthaus am Schlossplatz in Schwetzingen fort. Minoritätsanteilseigner sind Hartmut Henkel und Josef Dalcolmo.
  • In einem weiteren Gebäude im Schwetzinger Industriegebiet findet die Fertigung von Flugobjekten im firmeneigenen Reinraum statt.
  • „vH&S“ ist spezialisiert auf Systeme für die satellitengebundene Erdbeobachtung im Bereich der Klimaforschung sowie die Weltraumerkundung durch Erforschung von Kometen und Asteroiden, aber auch auf Raketenexperimente.
  • Das Hauptgeschäft liegt momentan in der Einzelentwicklung von Flug-Hardware , häufig nach ESA- und NASA-Standards.
  • Mitarbeiterzahl: 32
  • Umsatz: 4,6 Millionen Euro (2023)

Zuverlässigkeit ist übrigens ein Markenzeichen von „vH&S“, wie Ute von Hoerner betont: „Wir sind in der Branche bekannt dafür, dass wir das schon sehr lange machen und dass bisher alles einwandfrei funktioniert hat“. Eine solche Reputation sei natürlich enorm hilfreich bei der Auftragsvergabe. Mitunter werde man aufgrund der guten Erfahrungen auch mit Nachfolgeprojekten beauftragt.

Doch der Wettbewerb werde gerade für kleinere, mittelständische Unternehmen zunehmend schwerer. Geänderte Regularien seitens der ESA führten immer mehr zu einer Abhängigkeit kleiner Unternehmen von den großen Konzernen. „Wo es früher wenige, aber klare Vorgaben gab, wird heute die sehr aufwändige Qualifikation von Fertigungsprozessen den Firmen überlasen, die dann das Wissen unter Verschluss halten“, so die Geschäftsführerin. In der Folge seien KMU für die Fertigung auf die wenigen großen Konzerne angewiesen, was die Kosten in die Höhe treibe und einen großen zeitlichen Aufwand nach sich ziehe.

Komponenten müssen auf ihre Raumfahrttauglichkeit getestet werden

In Schwetzingen ist man jedenfalls stolz auf das Geleistete, die Begeisterung bei der Präsentation der laufenden Projekte ist spürbar. Manchmal steckt der Teufel auch im Detail, wie etwa bei der Suche nach besonders leichten Materialien oder der Verwendung von Kabeln, die selbst unter extremen Bedingungen dauerhaft belastbar sein müssen. „Dafür haben wir uns extra einen Kabelquäler gebaut“, berichtet Guido Krein. Wichtig sei, dass die einzelnen Komponenten auf ihre Raumfahrttauglichkeit getestet werden.

Es gebe Schütteltests, Thermaltests und zum Schluss werde das Ganze noch bestrahlt. Insofern müsse, wer bei „vH&S“ anfangen wolle nicht nur technisches Know-how mitbringen: „Es werden auch Leute gesucht, die gerne tüfteln und das Beste aus allem machen“, so Krein.

Gruppenbild mit Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Mitte) vor dem Hauptsitz der Firma Hoerner & Sulger am Schlossplatz 8 in Schwetzingen. © Dirk Jansch

Für Andre Baumann ist es schlichtweg „beeindruckend, dass hier in Schwetzingen in der globalen Liga mitgespielt wird“, und wer weiß, vielleicht werde dank eines Instruments aus der Spargelstadt doch eines Tages noch der Nachweis für außerirdisches Leben erbracht. Genau dabei geht es nämlich bei der eingangs erwähnten „Destiny+“-Mission.

Winfried Kretschmann ist da eher skeptisch: „Leben gibt es nur auf der Erde“, behauptet er, zollt aber gleichzeitig großen Respekt vor der Leistungsfähigkeit von „vH&S“. „Chapeau, das ist schon ein Ding“, sagt er abschließend, obwohl er erfahren musste, dass nur braune Komponenten mit ins All fliegen dürfen, die grün lackierten würden eher nicht gebraucht. Ute von Hoerner betont die Wichtigkeit von Wissenschaft und Forschung in der Raumfahrt: „Nur der Blick aus dem All weist uns den Handlungsbedarf auf der Erde auf.“

Redaktion Redaktionsleiter Schwetzinger Zeitung

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