Atommüll - Drei bis fünf Castorbehälter mit hochradioaktivem Atommüll kommen bis 2024 nach Philippsburg zurück

Hitzige Debatte über Lagerung von hochradioaktivem Abfall in Philippsburg

Von 
Bernhard Zinke
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In solchen Castorbehältern des Typs HAW28M ist der Atommüll aus Frankreich verpackt © Bernhard Zinke

Philippsburg. Das Interesse ist überschaubar groß. Kaum mehr als 20 Zuschauer verlieren sich in der großen Philippsburger Bruhrainhalle und besetzen weit weniger als die Hälfte der mit großem Abstand aufgestellten Stühle. Die Debatte an diesem Abend ist dennoch hitzig. Atomkraft bliebt ein Reizthema in der nordbadischen Stadt am Rande der Metropolregion – vor allem der Umstand, dass das Kraftwerk zwar geht, der atomare Müll jedoch bleibt. Dass statt der ursprünglich vereinbarten fünf Behälter mit schwach- und mittelradioaktivem Müll nun hochradioaktive Abfälle ins Zwischenlager nach Philippsburg kommen sollen, erregt die Gemüter erheblich.

Mit verärgerten und verunsicherten Bürgerinnen und Bürgern diskutieren Jörg Michels, Chef der EnBW-Kernkraftsparte, sowie Burghard Rosen und Wolfgang Arnold vom Betreiber der deutschen Brennelemente-Zwischenlager an den Kraftwerksstandorten, der Gesellschaft für Zwischenlagerung BGE. Es gebe da nun mal die völkerrechtliche Verpflichtung zwischen Deutschland und Frankreich, betont Rosen. Schließlich hat Deutschland den hochradioaktiven Müll aus seinen Atomkraftwerken in die Wiederaufbereitungsanlagen in La Hague an der französischen Atlantikküste und Sellafield in England geschickt. Jetzt muss der Staat ihn wieder zurücknehmen. Es gilt das Verursacherprinzip. „Die Stoffe sind sehr gefährlich, sonst würden wir ja nicht so sorgsam damit umgehen“, will Rosen gar nichts kleinreden.

Standort-Zwischenlager

Seit 2007 gibt es das Zwischenlager für hochradioaktiven Atommüll am Standort des ehemaligen Kernkraftwerks Philippsburg.

Genehmigt ist das Lager für 40 Jahre, also bis zum Jahr 2047.

Maßstab dafür ist die Genehmigung, die auch für Castorbehälter auf 40 Jahre festgelegt ist.

Laut einem Gesetz des Bundestags wird ein Endlager aber erst 2050 zur Verfügung stehen.

Die Bundesgesellschaft für Zwischenlagerung will etwa zehn Jahre vor Ablauf der Genehmigung eine Verlängerung beantragen. 

Rückführung bis spätestens 2024

165 Behälter mit verbrauchten Brennstäben hat die EnBW alleine aus Philippsburg im Lauf der Jahrzehnte nach La Hague geschickt. Jetzt sollen bis spätestens im Jahr 2024 drei bis fünf Castoren nach Nordbaden zurückkommen. Ihr Inhalt entspricht der Strahlungsmenge, die Philippsburg seinerzeit verlassen hatte, wenngleich das Materialvolumen deutlich kleiner ist. Biblis, das zweite Kernkraftwerk am Rande der Metropolregion, hat seine sechs Castorbehälter aus der Wiederaufbereitung schon Ende vergangenen Jahres zurückbekommen und dort ins Zwischenlager gestellt.

Dass sich die Mengen, aber auch Arten des nun zurückkommenden Atommülls verändert haben, geht auf einen umfassenden bundespolitischen Kompromiss zurück. Dadurch wurde eben unter anderem auch die Anzahl der Transporte aus den Wiederaufbereitungsanlagen stark reduziert.

Aktuell stehen 62 Castoren im Philippsburger Zwischenlager. Material für 40 weitere Behälter lagern noch im Abklingbecken von Block 2 und kommen bis spätestens Ende 2023 ins Zwischenlager. Am Ende werden also maximal 107 Castoren in der Halle auf dem Kraftwerksgelände stehen. Platz wäre für 152. Dass noch so viele Stellplätze frei bleiben, hat seinen Grund im Atomausstieg Deutschlands.

Der Protest hat sich in Philippsburg auch politisch formiert. Es gibt einen mehrfach bekräftigten Gemeinderatsbeschluss, gegen das Zwischenlager mit allen rechtlichen Mitteln vorzugehen, erläutert Bürgermeister Stefan Martus. Was die Bürgerinnen und Bürger ärgert: Ihnen wurde – wie auch an allen anderen Kernkraftstandorten – versprochen, dass sie zwar die Risiken der Stromproduktion tragen müssten, aber mit der Entsorgung nichts mehr zu tun haben würden. Das stimmt nun nicht mehr. Es droht ein Zwischenlager mit ungewisser Haltbarkeitsdauer.

Genehmigt ist die Halle und ihr strahlender Inhalt für 40 Jahre, bis 2047. Zu diesem Zeitpunkt steht aber vermutlich noch kein Endlager für den hochradioaktiven Müll zur Verfügung. Das soll laut Bundesgesetz erst 2050 der Fall sein. 2031 muss demnach bereits der Standort gefunden sein. Dieser wird allerdings nicht im Oberrheingraben liegen, wie Steffen Kanitz von der Bundesgesellschaft für Endlagerung beruhigt. Die Geologie gebe das nicht her. Schließlich muss der Müll eine Million Jahre sicher weggeschlossen werden, mindestens 300 Meter tief in dicken Gesteinsschichten, die keine Strahlung durchlassen. Da sei der Oberrhein mit seiner potenziellen Erdbebengefahr kein geeigneter Ort, so Kanitz.

Gleichwohl bleibt die Angst der Bürger auch in Philippsburg, dass das strahlende Erbe ihnen erheblich länger vor der Haustür erhalten bleibt als bis zum Jahr 2050. Das Zwischenlager bleibt nämlich so lange bestehen, bis tatsächlich ein Endlager für den hochradioaktiven Müll zur Verfügung steh

Ressortleitung Teamleiter der Redaktionen Metropolregion und Südhessen Morgen

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