Erneuerbare Energien

Heiße Versprechen – Lithiumgewinnung wirft Fragen auf

Das Karlsruher Unternehmen Vulcan Energie plant, jährlich 24.000 Tonnen Lithium aus Thermalwasser zu gewinnen – ein ambinioniertes und teures Projekt.

Von 
Stefanie Ball
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Beispiel für ein Messfahrzeug, wie es für seismische 2D-Messungen eingesetzt wird. © Vulcan Energy

Das Wichtigste in Kürze

  • Das Unternehmen Vulcan Energie plant, 24.000 Tonnen Lithium jährlich zu gewinnen.
  • Die Gewinnung erfolgt aus Thermalwasser in Landau und Frankfurt-Höchst.
  • Zweifel an den Plänen bestehen, da Kosten und Lithiummenge unklar sind.

Rhein-Neckar. Das Karlsruher Unternehmen Vulcan Energie Ressourcen GmbH plant Großes: Innerhalb der nächsten drei Jahre strebt das Unternehmen an, 24.000 Tonnen Lithium jährlich zu produzieren, genug, um damit 500.000 Autobatterien für Elektrofahrzeuge herzustellen. Gewonnen werden soll das Leichtmetall aus Thermalwasser. Doch die Pläne werfen Fragen auf.

Dabei geht es weniger um Punkte wie Vorhandensein und Förderung. Dass Deutschland über große Mengen des heiß begehrten Rohstoffes verfügt, ist seit langem bekannt. Im norddeutschen Becken und im Oberrheingraben schwimmt das Lithium im heißen Thermalwasser. Und weil das Thermalwasser sowieso gefördert werden soll, um die Erdwärme zur Wärmeerzeugung zu nutzen, kann das in dem Wasser gelöste Lithium gleich mitgewonnen werden. In mehreren Demonstrationsanlagen wird genau das erprobt – mit Erfolg. Dabei wird das Lithium zunächst aus der heißen Sole extrahiert und dann in speziellen Verfahren zu Lithiumhydroxid weiterverarbeitet, das für die Herstellung von Batterien genutzt werden kann.

Kraftwerk von Vulcan in Landau vor dem Neustart

Vulcan besitzt aktuell zwei Geothermiekraftwerke, eines in Landau und eines in Insheim, sowie zwei Anlagen zur Weiterverarbeitung des flüssigen Lithiums, eine davon steht in Landau, direkt neben dem Geothermiekraftwerk, die zweite im Industriepark Frankfurt-Höchst. Bei den Anlagen handelt es sich um Demonstrationsanlagen. Das heißt: Sie laufen im Testbetrieb. Das Geothermiekraftwerk in Landau läuft indessen aktuell nicht. Vor rund zwei Jahren wurde es wegen eines vermuteten Lecks abgestellt, damalige Betreiberin war die Geox GmbH. Im September vergangenen Jahres hat Vulcan die Geox von der in Luxemburg ansässigen IKAV-Gruppe übernommen.

Nach Aussage des rheinland-pfälzischen Landesamtes für Geologie und Bergbau, das für die Zulassung und Überwachung der jeweiligen bergbaulichen Tätigkeiten zuständig ist, wurden inzwischen die notwendigen Reparaturarbeiten an den Bohrungen des Thermalwasserkreislaufs abgeschlossen; diese hätten eine wesentliche Ursache für den Betriebsstillstand dargestellt. Derzeit führe Vulcan die Arbeiten zum Anschluss der Extraktionsversuchsanlage an den Thermalwasserkreislauf des Geothermiekraftwerkes durch. Mit einer Inbetriebnahme der Verbindung sei in den „kommenden Wochen“ zu rechnen.

Der Stoff, aus dem Vulcans Träume sind: Lithiumchlorid ist der Rohstoff für Batterien. © picture alliance/dpa

Doch auch unabhängig von der Frage, wann das Geothermiekraftwerk wieder heißes Wasser fördert, bestehen Zweifel an den Versprechen von Vulcan, schon in wenigen Jahren tausende Tonnen von Lithium bereitstellen zu können. Das Karlsruher Institut für Technologie (KIT) steht der Lithiumgewinnung aus Thermalwasser grundsätzlich positiv gegenüber und verweist hier auch auf das europäische Gesetz zu kritischen Rohstoffen. Danach dürfen die Länder der EU ab 2030 beispielsweise nicht mehr als 65 Prozent ihres jährlichen Bedarfs an einem strategischen Rohstoff aus einem einzigen Nicht-EU-Land beziehen, um Abhängigkeiten zu reduzieren. Bei Lithium gibt es derzeit nur drei Länder, aus denen die EU ihren Bedarf deckt: China, Chile, Australien.

Eine Frage der Hochskalierung

Mehr Förderung aus heimischen Quellen ist also notwendig. Die Wissenschaftler des KIT kommen jedoch in einem ersten Schritt auf weitaus geringere Lithiummengen, als Vulcan Energie sie ankündigt. „Wenn die bestehende Geothermie-Infrastruktur dort, wo Lithium im Untergrund zirkuliert, mit Extraktionstechnik ausgestattet würde, kämen wir auf 5000 bis 7000 Tonnen Lithiumcarbonat jährlich“, sagt Fabian Nitschke, der am KIT die Gruppe Geothermal Hydrochemistry leitet.

Die bestehende Infrastruktur umfasst sechs Anlagen, fünf davon im Oberrheingraben auf deutscher und französischer Seite, eine im Norddeutschen Becken. Der entscheidende Faktor für die Hochskalierung sei die Fließrate, die Menge an Wasser, die an der Bohrstelle hochgepumpt werden kann. Die liegt laut Nitschke im Oberrheingraben bei bestehenden Anlagen bei maximal 50 bis 70 Litern pro Sekunde, wobei in jedem Liter Wasser 160 bis 180 Milligramm Lithium enthalten ist.

Die Lithiumextraktionsoptimierungsanlage (LEOP) von Vulcan Energy im pfälzischen Landau. © Bernhard Zinke

Vulcan geht von anderen Berechnungen aus: Das Unternehmen legt in seinen Projektionen höhere Fließraten zugrunde, nämlich 85 Liter pro Sekunde, und will überdies die Förderrate durch multilaterale Bohrungen erhöhen. Ausgehend von einer Mutterbohrung sollen Seitenäste zusätzlich Wasser fördern. Das Verfahren wird nach Aussage des Unternehmens seit zehn Jahren im Geothermiekraftwerk in Insheim umgesetzt und trage zu einer signifikant höheren Leistung der Bohrung bei.

Bohrlöcher haben fördertechnisch ihre Grenzen

Als signifikant könnten sich hier auch die Kosten herausstellen. Thomas Kölbel ist Geschäftsführer der Geothermie Bruchsal GmbH; der Energieversorger EnBW sowie die Stadt Bruchsal betreiben das Geothermiewerk gemeinsam, in erster Line für die Wärmegewinnung und Stromerzeugung, in zweiter Linie, um Lithium zu fördern. „Technisch möglich ist vieles“, sagt Kölbel mit Blick auf multilaterale Bohrungen, der Preis sei jedoch entsprechend hoch.

Zudem lasse sich die Länge einer Bohrung nicht ins Unendliche ausweiten. Jedes Bohrloch hat fördertechnisch seine Begrenzung. Bedeutet im Umkehrschluss: „Wenn ich mehr Lithium fördern will, brauche ich mehr Bohrstellen“, so Kölbel. Die EnBW geht für ihr Bohrloch in Bruchsal davon aus, in der Zukunft – sprich bis zum Ende der Dekade – so viel Lithium gewinnen und veredeln zu können, dass sich damit 22.000 Autobatterien pro Jahr herstellen ließen.

Sinkt die Lithiummenge über die Jahre?

Eine weithin ungeklärte Frage ist, ob sich die Menge an Lithium verringert, je länger das Bohrloch besteht. Auch das hat das KIT überprüft. Das Ergebnis: Es gibt Bohrlöcher, da wird ständig bisher nicht produziertes Wasser gefördert, die Lithiummenge bleibt also in etwa gleich. „Es gibt jedoch Stellen, da wird nach einer gewissen Zeit Wasser gefördert, das schon mal oben war und deshalb auch weniger Lithium enthält“, erklärt Geowissenschaftler Nitschke. In einem Rechenbeispiel verringerte sich danach die Lithiumkonzentration um 35 bis 50 Prozent, hochgerechnet auf einen 30-Jahre-Zyklus eines Geothermiekraftwerks. „Das würde bedeuten, dass die Menge an Lithium am Ende um 40 bis 50 Prozent des ursprünglichen Levels absinkt.“

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Vulcan indes bleibt bei seinen Prognosen und will im zweiten Halbjahr dieses Jahres mit dem Bau einer neuen integrierten Geothermie- und Lithiumextraktionsanlage in Landau beginnen, die dann im industriellen Maßstab Tiefenwasser fördert und Lithium extrahiert. Veranschlagte Bauzeit: zweieinhalb Jahre. Das Gleiche gilt für eine kommerzielle Anlage im Industriepark Frankfurt-Höchst, in der das Lithium weiterverarbeitet wird, auch hier ist die Inbetriebnahme für 2027 vorgesehen.

Wie wirtschaftlich das Ganze am Ende sein wird, hängt nicht zuletzt von den Rohstoffpreisen ab. Seit seinem Allzeithoch 2022 befindet sich der Preis für Lithium im Sinkflug.

Freie Autorin

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