Kandel/Landau. Der mutmaßliche Täter im Aufsehen erregenden Tötungsfall von Kandel war zum Zeitpunkt der Tat älter als bisher angenommen, kann aber voraussichtlich nach Jugendstrafrecht verurteilt werden. Ein Sachverständiger stellte bei dem Ex-Freund des getöteten Mädchens Mia ein absolutes Mindestalter von 17 Jahren und sechs Monaten fest. Wahrscheinlich sei der afghanische Flüchtling aber etwa 20 Jahre alt, teilte die Staatsanwaltschaft Landau am Dienstag mit.
„Das Gutachten legt nahe, dass es sich um einen Heranwachsenden handelt“, teilte Staatsanwältin Angelika Möhlig auf Anfrage dieser Zeitung mit. Damit gelte der Beschuldigte nicht als Erwachsener im strafrechtlichen Sinn. Dies wäre erst mit 21 Jahren der Fall. Bei der Untersuchung seien auch Röntgenaufnahmen von Hand, Gebiss und Schlüsselbeinen angefertigt worden.
Fritz Brechtel, Landrat im Kreis Germersheim, hat eine erneute Überprüfung des Alters aller unbegleiteten minderjährigen Ausländer angeordnet - in Zweifelsfällen auch mit medizinischen Methoden. Das teilte der Landkreis Germersheim, zu dem die Stadt Kandel gehört, am Dienstagnachmittag mit. „Dass dies erforderlich ist, zeigt der vorliegende Fall“, so Brechtel. Von der Überprüfung im Landkreis seien 82 Jugendliche betroffen.
Mia wurde am 27. Dezember in einem Drogeriemarkt in Kandel erstochen. Der mutmaßliche Täter war offiziellen Angaben zufolge bei der Tat ebenfalls erst 15 Jahre alt - bei seiner Einreise in Deutschland war als Geburtsdatum der 1. Januar 2002 eingetragen worden. Der Vater des Opfers hatte Zweifel daran geäußert.
Ob Erwachsenen- oder Jugendstrafrecht angewendet wird, beeinflusst zum Beispiel das Strafmaß bei einer Verurteilung: Nach Jugendstrafrecht sind maximal fünf Jahre Haft möglich, bei Mord in der Regel bis zu zehn Jahre. Bei Mord in besonders schweren Fällen und nur bei Heranwachsenden (nicht bei Jugendlichen) können es auch maximal 15 Jahre Haft sein. Nach Erwachsenenstrafrecht wird Mord in der Regel mit einer lebenslangen Haftstrafe geahndet, außerdem ist in besonders schweren Fällen anschließende Sicherungsverwahrung möglich.
Nach Angaben der Staatsanwaltschaft schweigt der Verdächtige weiter zur Tat und sitzt nach wie vor in Untersuchungshaft. Die Ermittlungen seien noch nicht abgeschlossen. "Neben der Vernehmung von Zeugen dauert insbesondere die Auswertung der bei dem Beschuldigten sichergestellten Mobiltelefone an", erklärten die Ermittler.
Der junge Mann war als Flüchtling nach Deutschland gekommen, sein Asylantrag wurde nach Angaben der Ermittler im Februar 2017 abgelehnt. Zugleich sei aber ein Abschiebungsverbot nach dem Aufenthaltsgesetz festgestellt worden.
Er war mehrere Monate mit der 15-Jährigen zusammen, bis diese Anfang Dezember Schluss machte und ihn Mitte Dezember anzeigte - wegen Beleidigung, Nötigung, Bedrohung und Verletzung persönlicher Rechte.
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