Nachruf - Tschira hat sich für die naturwissenschaftliche Bildung schon bei Kleinkindern eingesetzt / Mehr als 300 Millionen Euro gab seine Stiftung bislang aus

Großzügiger Förderer und Mäzen

Von 
Janek Rauhe und Thorsten Langscheid
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Physiker und Mäzen Klaus Tschira, hier bei der Feier zu 40 Jahre SAP im Nationaltheater in Mannheim 2012, ist gestern im Alter von 74 Jahren gestorben.

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Heidelberg. Von "Kindern und Enkelkindern" hat Klaus Tschira einmal liebevoll gesprochen und die aus seiner Stiftung entstandenen Einrichtungen und Projekte gemeint. Der gestern überraschend im Alter von 74 Jahren verstorbene SAP-Mitgründer und Mäzen investierte über seine Stiftung mehr als 300 Millionen Euro in die Förderung von naturwissenschaftlicher Bildung und Forschung. Vor allem die Region profitierte von seinem außerordentlichen Engagement.

Den Stiftungsvater machte das Ergebnis seiner Arbeit stolz, auch wenn er bescheiden blieb: "Ich hätte nie zu hoffen gewagt, was alles daraus geworden ist", sagte Tschira Anfang dieses Jahres bei der Feier zur Gründung der nach ihm benannten Stiftung vor 20 Jahren.

Wissenschaft leicht gemacht

Tschira, der in Karlsruhe Physik studierte, trat immer für eine einfache Wissenschaftssprache ein - die auch Kinder verstehen können. So zeigt seine Stiftung über die sogenannte Forscherstation Erziehern und Grundschullehrern an der Pädagogischen Hochschule Heidelberg, wie sie den Kindern Naturwissenschaften anschaulich vermitteln können.

Im Jahr 2006 holte Tschira eine besondere Veranstaltung aus Berlin nach Mannheim: Die naturwissenschaftlichen Erlebnistage "Explore-Science" für Schüler finden seither mit großem Erfolg im Mannheimer Luisenpark statt. Weit mehr als 2000 Jugendliche aus der Stadt und der Region messen sich bei der Großveranstaltung mit ihren experimentellen Beiträgen. Im vergangenen Jahr kamen mehr als 41 000 Besucher, um die Wettbewerbe und das wissenschaftliche Rahmenprogramm im Park mitzuerleben.

Tschira ließ es sich nicht nehmen, sich bei der Veranstaltung jeweils selbst begeistert unters Publikum zu mischen, um sich die mitunter sehr cleveren Lösungsvorschläge seiner jugendlichen Gäste für die stets anspruchsvollen naturwissenschaftlichen Fragen des Wettbewerbs anzuschauen.

Doch nicht nur Kinder und Jugendliche lagen Tschira am Herzen. Von einer verständlichen Wissenschaftssprache profitieren auch Studenten und Forscher. Der jüngste Spross unter Tschiras "Stiftungskindern" ist das Nationale Institut für Wissenschaftskommunikation in Heidelberg, kurz NaWik. Hier lernen Nachwuchswissenschaftler und Forscher, wie komplizierte Sachverhalte verständlich vermittelt werden können.

Sein Vermögen verdiente der am 7. Dezember 1940 in Freiburg im Breisgau geborene Physiker mit Computersoftware. 1972 gründete er zusammen mit Dietmar Hopp, Claus Wellenreuther, Hans-Werner Hector und Hasso Plattner in Weinheim das Unternehmen "Systemanalyse und Programmentwicklung", das später in SAP umbenannt wurde (siehe Bericht unten).

Mit 57 Jahren zog sich Tschira aus dem operativen Geschäft zurück und wurde 1998 Mitglied im Aufsichtsrat des Konzerns. Drei Jahre zuvor gründete er die Stiftung, in die er einen Großteil seines Privatvermögens sowie mehr als sieben Millionen SAP-Aktien im damaligen Gegenwert von rund 1,4 Milliarden D-Mark einbrachte.

Tschira verschrieb sich nicht nur der verständlichen Vermittlung von Wissen, sondern förderte die Forschung der Naturwissenschaften, der Mathematik und Informatik. Mit dem "Heidelberg Laureate Forum" ermöglichte er den Austausch von Nachwuchsforschern mit bedeutenden Experten auf ihrem Fachgebiet. Vor fünf Jahren entstand das Heidelberger Institut für Theoretische Studien (HITS). Elf Forschergruppen arbeiten im Sitz der Stiftung in der Villa Bosch an ihren Projekten. Acht Millionen Euro investierte Tschiras Stiftung in ein Zentrum für Herz-Kreislauf-Forschung am Universitätsklinikum Heidelberg.

Tschira selbst war begeisterter Hobbyastronom. Im Jahr 2000 wurde ein Asteroid nach ihm benannt. Zusammen mit der Max-Planck-Gesellschaft gründete er im Jahr 2008 das Haus der Astronomie in Heidelberg, dessen Gebäude und Ausstattung die Stiftung bezahlte.

Der Träger des Bundesverdienstkreuzes 1. Klasse zählte zu den reichsten und großzügigsten Deutschen. Tschira hinterlässt eine Ehefrau und zwei Kinder.

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