Denkmäler - Gedenkstätte der Demokratie baut Barrieren für Behinderte ab / Museumsführer in Blindenschrift und leichter Sprache

Geschichte wird buchstäblich greifbar

Von 
Rolf Sperber
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Unter Assistenz von Daniela Stolleisen (oben, r.) begreift Ann-Kathrin Gruen im wahrsten Sinne des Wortes ein Holzmodell des Schlosses. Akustikstationen und ein Plan in Blindenschrift helfen und informieren beim Rundgang.

© Venus

Neustadt-Hambach. Die politischen Barrieren für Bürgerrechte wurden 1832 beim "Hambacher Fest" zum ersten Mal in Deutschland überwunden - nun fallen immer mehr auch die räumlichen und sinnlichen Barrieren für die Menschen von heute, die diese Gedenkstätte der Demokratie hoch über der Deutschen Weinstraße besuchen wollen. Kultur-Staatssekretär Walter Schumacher, Vorsitzender der Stiftung Hambacher Schloss, gab zum Auftakt "grünes Licht" für zwei Personengruppen, denen der Besuch der Gründungsstätte der deutschen Demokratie wegen ihrer Behinderungen bisher nur schwer oder überhaupt nicht möglich war.

Das Hambacher Schloss wurde durch die Installation von technischen Hilfen für Blinde oder Sehbehinderte und die Einführung der "leichten Sprache" für Menschen mit kognitiven Problemen und Lernschwierigkeiten sowie für Ausländer erfahrbar gemacht. Blinde und Sehbehinderte können mittels einem neu geschaffenen, kostenlosen Museumsführer in Blindenschrift die Ausstellungen im Schloss besuchen. Sie werden zusätzlich an 22 Akustikstationen über all jenes unterrichtet, was auf ihrem Weg durch die Ausstellungsräume von Bedeutung ist.

Für Gruppen und Einzelbesucher

Schumacher: "Das Führungsangebot trägt den Namen 'Geschichte begreifen' und ist für Gruppen bis zu 15 Personen gedacht, die allerdings vorher angemeldet werden müssen." Im Sommer sollen dann auch Einzelpersonen in den Genuss dieses Angebots kommen. Wer als gesunder Mensch einmal erleben möchte, wie sich Blinde an die Geschichte des Hambacher Schlosses im wahrsten Sinne des Wortes "herantasten", kann sich mit einer Augenbinde den Führungen anschließen.

Für Menschen mit Lernproblemen oder für Ausländer ohne ausreichende deutsche Sprachkenntnisse wurde eine völlig vereinfachte Sprache installiert: Keine langen Sätze mit Fremdwörtern, keine Konjunktive, keine Fachsprache - aber auch keine "Kindersprache", dafür längere Pausen und positive Aussagen sollen diesen Besuchern den Weg durch die Ausstellungen zu einem begreifbaren Vergnügen machen. "Das Hambacher Fest in leichter Sprache" ist der Titel dieses Führungsangebots, das vor allem Charlotte Dietz, Mitarbeiterin in der Kulturvermittlung der Stiftung, nach langer und intensiver Vorbereitung perfekt initiiert hat.

Dass das Hambacher Schloss den barrierefreien Zugang zu Kultur und Geschichte nun auf zwei weiteren Ebenen gestärkt hat, freut vor allem Matthias Rösch: "Wir sind auf unserem Weg zur totalen Barrierefreiheit noch nicht am Ende, aber die beiden neuen Angebote sind ein Meilenstein," urteilt der Rollstuhlfahrer und Landesbeauftragte für die Belange behinderter Menschen, der beim Mainzer Sozialministerium seinen Sitz hat. Zustimmung erhielt Rösch von den Vertretern mehrerer Behinderten-Organisationen wie Lebenshilfe und Blindenverband, die bei der offiziellen Präsentation der neuen Informationshilfen einen ersten Gang durch das Schloss machten.

Neues Angebot

Für Schumacher ist die Installation von Besuchshilfen für Blinde und Lernbehinderte ein weiterer Schritt zur totalen Öffnung des Hambacher Schlosses "für die gesamte Bevölkerung". Die Zugänge zum Schloss sind schon jetzt barrierefrei, zum Beispiel für Rollstuhlfahrer. Schumacher: "Damit haben wir schon lange das Schloss für viele Menschen zugänglich und erlebbar gemacht, die sonst kaum eine Möglichkeit gehabt hätten, hierher zu kommen." Große Anerkennung für diese Bemühungen gab es für die Stiftung mit der Auszeichnung "Barrierefreies Rheinland-Pfalz" und dem bundesweit einheitlichen Zertifikat "Reisen für alle - Barrierefreiheit geprüft".

Für Behinderte ist der Weg zum Schloss auch finanziell erleichtert worden: Seit zwei Jahren können sie und eine Begleitperson für jeweils 2,50 Euro das "Denkmal der deutschen Demokratie" und seine Ausstellungen besichtigen.

Freier Autor Humanistisches Gymnasium Ludwigshafen Volontariat bei der "Rheinpfalz" Vier Jahre lang dpa - zuletzt Landesdienst-Leiter lrs Freier Mitarbeiter: dpa, MM, Abendpost/Nachtausgabe, BILD, Süddeutscher Rundfunk, Allgemeine Zeitung Mainz, Wormser Zeitung, Rhein-Neckar-Zeitung, Redaktionsleiter im TV-Pilotprojekt Ludwigshafen/Vorderpfalz, Regionale TV-Sender "Tele-Pfalz" und "Pfalz-aktuell" (Moderator)

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