Deidesheim. Die Rebstöcke rund um Deidesheim haben ihren Winterschlaf begonnen - doch wüste Spekulationen wuchern an manchen Stammtischen ins Kraut: Gut acht Wochen nach dem spektakulären Diebstahl von rund 2500 Kilogramm Spätburgundertrauben aus der Edelweinlage "Herrgottsacker" des Weingutes von Winning sind zwar nach wie vor die Diebe nicht ermittelt - aber das "Rätsel" um den Traubendiebstahl, der im In- und Ausland für Schlagzeilen sorgte, provoziert düstere Gerüchte.
Dahinter steckt in einigen Fällen wohl auch der blanke Neid. Denn ausgerechnet jetzt ist das Deidesheimer Weingut im angesehenen Wein-Guide Gault-Millau auch zum "Aufsteiger des Jahres" gekürt worden. "Die haben aus Publicitygründen die Trauben selber geklaut", wird hinter vorgehaltener Hand getuschelt. Geschäftsführer Stephan Attmann (40) ist fassungslos ob solcher Vorwürfe: "Das sind intellektuelle Abgründe, in die man da blickt und die einen sprachlos machen!"
"Wie dumm ist das?"
Aber offensichtlich lachen sich einige Deidesheimer wegen des Traubendiebstahls klammheimlich ins Fäustchen, trifft der Traubenraub per Vollernter in dunkler Nacht doch auch den neuen Inhaber des Weinguts: Der Werbefachmann Achim Niederberger aus Neustadt kaufte sich in den vergangenen neun Jahren mit den seit dem 19. Jahrhundert weltweit renommierten Deidesheimer Weingütern Reichsrat von Buhl, Geheimer Rat Dr. von Bassermann-Jordan und vor vier Jahren Dr. Deinhard (jetzt von Winning) in die Pfälzer Weinszene ein.
Attmann: "Wie dumm ist das! Da rettet ein Kaufmann und Idealist uralte Weingüter vor dem Verfall und wird dann deshalb auch noch angemacht - das ist unbegreiflich", sagt der Geschäftsführer. Doch am meisten leidet er selbst unter den Gerüchten: "Es ist ein bitteres Gefühl, wenn einem so etwas wie Diebstahl im eigenen Betrieb unterstellt wird." Obwohl er die Verdächtigungen für "abstrus" hält, spürt er das Misstrauen im Ort: "Manche Leute grüßen mich nicht mehr - vielleicht weil sie glauben, ich sei ein Betrüger", hat Attmann mit Bitterkeit erfahren.
Am liebsten wäre ihm, wenn die mit dem Diebstahl befasste Kriminalpolizei in Haßloch endlich ein Fahndungsergebnis vorweisen könnte - "doch da tut sich nichts", hat er die Hoffnung auf "amtliche Aufklärung" des Diebstahls fast schon aufgegeben. In der Tat: "Wir warten immer noch auf verwertbare Zeugenaussagen", heißt es seit Wochen bei den Haßlocher Ermittlern.
Und da kommt wieder Neid und Missgunst ins Spiel: Eine weitere Verdachtsvariante spricht davon, dass jemand gegen den Deidesheimer "Luxuswein" ein Zeichen setzen wollte und deshalb gezielt in den Wingert zum Traubendiebstahl gefahren sei, um diesem Luxus die Basis zu entziehen. Grund für diesen etwas verdrehten Verdacht: Der Dieb selbst könne diese Trauben ja gar nicht mit ihrem eigentlichen Wert als Spitzenwein vermarkten.
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