Fasnacht - Seit 40 Jahren verkaufen Doris und Jürgen Breunig im pfälzischen Neuhofen Kostüme / 500 000 Artikel im Angebot

Fundus voller Verkleidungen

Von 
Simone Jakob
Lesedauer: 
Mit einem Handgriff findet Jürgen Breunig in seinem kunterbunten Laden in Neuhofen jeden gewünschten Artikel. © Venus

Neuhofen. Lächelnd packt Jürgen Breunig einen knallroten Frack mit Klavierkrawatte ein und legt noch Zylinder und Hautkleber für den falschen Bart dazu. Er steht am scheinbar endlos langen Verkaufstresen, über dem Rollen mit schillernden Paillettenbändern dicht an dicht mit falschen Wimpern und Plastikpapageien hängen. Ununterbrochen bimmelt die nostalgische Klingel neben der schmalen Eingangstür seines Ladens für „Fasnacht – Feuerwerk – Saisonartikel“. Seit über 40 Jahren verkauft er mit seiner Frau Doris im pfälzischen Neuhofen Verkleidungen. Fast 500 000 Artikel und 18 600 Kostüme hat er in seinem 20 Meter langen, schmalen Tante-Emma-Lädchen auf zwei Stockwerken verteilt.

Kleiderständer statt Wurstkessel

„Für Faschingsfreunde ein Paradies“, lacht Breunig, der seit 50 Jahren beim Karnevalsverein „Insulana“ in Ilvesheim aktiv ist.

Wo heute der Eingangsbereich ist, stand früher ein Wurstkessel: „Aus der Sommerküche meiner Eltern ist der Laden entstanden, den ich immer wieder vergrößert habe“, erzählt Breunig, der gelernter Einzelhandelskaufmann ist und jahrelang als Justizvollzugsbeamter gearbeitet hat. Die Neonröhren an den niedrigen Decken tauchen die winzigen Räume in gleißendes Licht. Neben dem Tresen steht ein Ständer mit den angesagtesten Stücken für die Kampagne. „Dieses Jahr muss man als ,Steampunk’ gehen“, verrät der Kenner und holt ein braun schimmerndes Korsagenkleid heraus, das vorne kurz und hinten lang geschnitten ist. „Der Herr trägt dazu einen Zylinder mit Zahnrädchen und hochgeschobener Schutzbrille“, verweist er auf die typischen Accessoires des Trends, der Futuristisches mit dem viktorianischen Zeitalter verknüpft.

Nur zwei Treppenstufen höher hängen in der Damenabteilung an überbordenden Stangen grellbunte Schlaghosen, Petticoats Charlestonkleider und kuschelige Einhörner. „Bei uns gibt es nichts, was es nicht gibt“, sagt Breunig. Sogar die ganz eiligen Kunden, die am Samstag kurz vor Ladenschluss auftauchen, weil sie am selben Abend auf einer Prunksitzung glänzen möchten, werden fündig: „Einer wollte als Löwe gehen, aber seine Größe war ausverkauft, deshalb hab’ ich aus dem Fell einen Poncho gemacht und ihn mit einer Löwen-Perücke ausgestattet“, erinnert sich der 75-Jährige. Einem fülligen Zeitgenossen, dem selbst das Clowns-Kostüm in Größe 68 zu knapp war, hat Breunig kurzerhand 20 zusätzliche Stoff-Zentimeter am Hinterteil eingesetzt und es länger gemacht, „der war zufrieden“.

Ausrüster für über 1000 Vereine

„Der Kunde ist König, was ich für ihn tun kann, mache ich.“ So kreierte er für einen Junggesellenabschied eine überdimensionale Schokoladenkugel aus Goldpapier, „der werdende Ehemann hieß Roger“, schmunzelt der Ladeninhaber. Für einen Auftritt in der Bütt verwandelte er einen Pfarrer in eine Weinflasche, und der Cäsar aus Pannesamt bekam einen breiteren Rücken, „damit es am Bauch nicht so spannt“.

Seinen Arbeitsplatz hat er in einem winzigen Nebenraum eingerichtet, in dem kunterbunte Stoffballen mit Meterware neben Rüschenunterhöschen und Gardehüten lagern. In Gitterkörbchen stecken Gymnastikschläppchen, in den Regalen darüber stehen Kartons mit Tanzschuhen aller Größen. „Wir rüsten Garden, Tanzmariechen und Elferräte in rund 1000 Karnevalsvereinen aus“, sagt Breunig stolz. Bereits im April geben die Verantwortlichen ihre Wünsche durch.

Über eine steile Treppe geht es in den ersten Stock: „Mädchen rechts, Buben links“, dirigiert er und zeigt auf zwei Zimmer, die mit Minimonstern, Dinos, pinken Prinzessinenträumen und Polizeiuniformen vollgestopft sind. Ein hellblauer Drache in Größe 74 hängt neben flauschigen Teddybär-Stramplern. „Die Star-Wars-Outfits mit Laserschwert gehen bei den Kindern nicht so gut wie Cowboy und Ritter“, verrät Breunig. Für die „großen Jungs“ hat er eine spezielle Stripper-Hose im Angebot. „Dank Klettverschluss kann man sie sich mit einem Handgriff herunterreißen.“ Und im Lager reihen sich Mönche, Nonnen und Knastbrüder neben Giraffen, Pinguinen und Gummibärchen aus Plüsch ein.

„Ich brauche einen Haarreifen für eine Biene Maja, haben Sie so was?“, fragt eine junge Mutter. Jürgen Breunig verschwindet kurz und hält das Gewünschte eine Minute später in den Händen. „Ich weiß, wo jeder einzelne Artikel liegt – so lange mir niemand was wegräumt.“

Info: Fotostrecke unter morgenweb.de/region

Neuhofen

Jürgen Breunigs Verkleidungs-Paradies

Veröffentlicht
Bilder in Galerie
13
Mehr erfahren

Copyright © 2025 Mannheimer Morgen