Skandalbilder-Prozess - Medizinischer Gutachter spricht von "schwerer Verletzung des Intimbereichs der Patientinnen"

Frauenarzt fotografierte auch 13-Jährige

Von 
Simone Jakob
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Frankenthal. "Diese Bilder sind unzweifelhaft eine schwere Verletzung des Intimbereichs der Frauen und medizinisch absolut nicht notwendig", betont der Sachverständige, Prof. Peter Brockerhoff, und atmet tief durch. Der Prozess um den Schifferstadter Frauenarzt, der jahrelang Tausende Intimbilder von seinen Patientinnen gemacht haben soll, scheint den medizinischen Gutachter betroffen zu machen. Einige Fotos zeigten standardmäßige und fachlich nachvollziehbare Untersuchungen. Andere wiederum kritische Techniken, die unüblich und ohne erkennbare medizinische Notwendigkeit seien.

Die kurzen Videofilme - die laut Anklage möglicherweise als sexueller Missbrauch zu werten sind - stufte Brockerhoff als "auffällig" ein. Die darin gezeigten Untersuchungen an sich seien aber fachlich nicht zu beanstanden. Ungewöhnliche Abweichungen in den Sequenzen - beim Prozessauftakt war mehrfach von "massageartigen" Berührungen die Rede - "entfernen sich nicht so weit von den Standardtechniken, dass man sie ausschließlich sexuellen Zwecken zuordnen könnte."

Weitere Bilder begutachtet

Gemeinsam mit dem Mainzer Gynäkologie-Professor haben die Frankenthaler Richter gestern weitere Fotos begutachtet, die laut Staatsanwaltschaft möglicherweise Rückschlüsse auf die Motivation des Angeklagten zulassen. Dabei ging es vor allem um das Alter der fotografierten Frauen. "Je jünger eine Patientin ist, desto behutsamer muss der Arzt vorgehen. Ein 13 Jahre altes Mädchen splitternackt auf dem Untersuchungsstuhl zu platzieren, ist medizinisch nicht indiziert", betont Brockerhoff. "Der Hintergrund dieser Untersuchung war der Pillenwunsch des Mädchens, das bereits mit elf Jahren zum ersten Mal bei mir war", lässt der Angeklagte diese Aussage nicht unkommentiert.

Bei der Begutachtung der Fotos steht er inmitten der Anwaltsschar und scheint sich an die genauen Umstände jeder einzelnen Untersuchung zu erinnern. "Sie sehen ja, dass es sich um ein sehr weit entwickeltes Mädchen handelt", sagt er mit Blick auf die Bilder der 13-Jährigen. "Man sieht aber auch, dass sich das Kind die Hände vor die Brüste hält. Wäre es nicht ihre Pflicht gewesen, der Schülerin zu sagen, dass sie sich für die Untersuchung nicht ganz entkleiden muss?, fragt Staatsanwältin Anne Wolf. "Machen Sie sich bitte untenrum frei, war mein Standardspruch. Aber es gab auch Patientinnen, die sich völlig entkleidet haben, vor allem dann, wenn anschließend noch eine Brustuntersuchung anstand", entgegnet er kühl. Auch die Mutter der 13-Jährigen habe sich immer komplett ausgezogen.

Für Wolf ist es außerdem "auffällig", dass es zwar nur wenige Fotos mit nackten Patientinnen gibt, diese jedoch alle entweder sehr junge oder sehr alte Frauen zeigen. So gebe es Bilder von einer 74-Jährigen, die in der Umkleidekabine mehrfach nackt abgelichtet worden sei. "Je jünger eine Patientin ist, desto vorsichtiger muss ein Arzt sein. Aber auch eine alte Patientin verdient einen Respekt gegenüber ihrer Körperlichkeit, der hier nicht mehr gegeben ist", macht Brockerhoff klar, wie er diese Aufnahmen einstuft. "Gegen Ende der Entwicklung war das alles etwas wahllos", räumt der Angeklagte ein. Erklären könne er seine Auswahl aber nicht mehr.

"Was wir hier sehen, ist technisch gar nicht denkbar, denn eigentlich braucht man für diese Untersuchung die zweite Hand. Aber die war bei dem Angeklagten ja mit anderen Dingen beschäftigt", erklärt der Sachverständige bei der ungewöhnlichen Darstellung einer Ultraschalluntersuchung. "Nein, meines Wissens war der Fotoapparat in diesem Fall auf der Liege abgestellt", geht der Angeklagte dazwischen.

Für den Gutachter ist indes völlig klar, dass für alle Fotos, die er sich im Rahmen des Verfahrens bislang angeschaut hat, keinerlei fachliche Notwendigkeit gegeben war: "Diese Bilder bringen medizinisch gesehen überhaupt nichts", macht Brockerhoff deutlich.

Der Prozess wird am 23. Oktober um 10.30 Uhr im Frankenthaler Dathenushaus fortgesetzt. Dann geht es unter anderem um Finanzermittlungen gegen den Frauenarzt. Zudem soll der psychiatrische Gutachter zu Wort kommen, der sich mit der Schuldfähigkeit des Angeklagten befasst. Weitere Termine sind der 6. und der 11. November.

Bildaufnahmen

Die Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen ist gemäß § 201a Strafgesetzbuch ein Vergehen, das mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe bestraft werden kann.

Dabei handelt es sich um ein reines Antragsdelikt. Die Staatsanwaltschaft kann deshalb nur jene Taten strafrechtlich verfolgen, die von den betroffenen Frauen mittels Strafantrag gemeldet wurden.

In zehn weiteren Fällen soll der Angeklagte das Beratungs- oder Betreuungsverhältnis zwischen Arzt und Patientin für einen sexuellen Missbrauch genutzt haben.

Der Prozess wird am Mittwoch, 23. Oktober, 10.30 Uhr, fortgesetzt. Weitere Termine im Dathenus-Haus Frankenthal (Kanalstraße 5) sind der 6. und 11. November.

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