Speyer. Vom blinden Passagier zum Dauergast – die Asiatische Tigermücke mit ihrer auffälligen schwarz-weißen Färbung ist einer der anpassungsfähigsten Organismen weltweit. Da sie außerdem Krankheiten überträgt und sich in der Region rasant ausbreitet, startet die Aktionsgemeinschaft zur Bekämpfung der Schnakenplage (KABS) im Sommer eine großangelegte Studie, um die Verbreitung der Art entlang des Rheins genau zu untersuchen.
In den nächsten fünf Jahren will die KABS das gesamte Gebiet zwischen Bingen im Norden und dem Kaiserstuhl im Süden überwachen. „Da wir alle Mitgliedsgemeinden abdecken wollen und nicht alle auf einmal schaffen, wird sich das Monitoring über diesen relativ langen Zeitraum erstrecken“, berichtet Biologin Xenia Augsten im Gespräch mit dieser Redaktion.
Ausbreitung verhindern
Da die Asiatische Tigermücke zu den „Top 10“ der invasivsten Tier- und Pflanzenarten unseres Planeten gehört, sei es wichtig, ihr Vorkommen genau zu erforschen und ihre Ausbreitung nach Möglichkeit einzudämmen. „Die Mücken sind sehr aggressiv und wesentlich lästiger als die Rheinschnaken. Die schwarz-weißen Weibchen können den Menschen auf der Suche nach einer Blutmahlzeit auch am hellen Tag hartnäckig verfolgen“, sagt Augsten. Als die ersten Populationen in Kleingartenanlagen aufgetreten seien, „waren die meisten Pächter kurz davor, ihre Gärten zu verkaufen. Denn die Tigermücke ist nicht nur in der Dämmerung aktiv, sie fliegt und sticht den ganzen Tag“.
Widerstandsfähige Art
Habe sich die „Aedes albopictus“ – wie die Tigermücke mit wissenschaftlichem Namen heißt – erst einmal erfolgreich angesiedelt, könne sie sich ungestört vermehren. „Die Mücke ist nicht auf natürliche Brutplätze angewiesen“, so die Biologin.
Da die eingeschleppten Pikser ihre Eier auch gerne in volle Gießkannen, Blumentopfuntersetzer, in denen das Wasser steht, Gullys, verstopften Dachrinnen und hohlen Zaunpfosten ablegen, schafften viele Menschen unbeabsichtigt perfekte Brutplätze für die Plagegeister. Die KABS listet mehr als 14 stabile Populationen unter anderem in Heidelberg, Ludwigshafen, Germersheim und Weinheim auf. Was auch mit der Widerstandsfähigkeit der aus den Tropen stammenden Mücke zu tun hat. „Kälte macht zwar den erwachsenen Mücken und den Larven etwas aus, die Eier überstehen aber auch Frost und Trockenheit problemlos“, erklärt die Wissenschaftlerin. Deshalb bekämpft die KABS Brutstätten mit dem biologischen Wirkstoff B.t.i., der nur für die Larven der Mücken tödlich, für andere Tiere und den Menschen aber unbedenklich ist, und der seit 40 Jahren weltweit in der Stechmückenbekämpfung eingesetzt wird.
Im Rahmen der Studie stellen die Wissenschaftler nun ökologische Fallen auf, um herauszufinden, wo sich die schwarz-weiß gestreifte Mücke schon angesiedelt hat. „Da die Tigermücke im Regenwald ihre Eier in den Kelchen von Bromelien ablegt, sprechen wir ihren Brutreiz durch kleine dunkle Behälter an, die mit Wasser gefüllt werden. Später sammeln wir die Eier ab und können genau feststellen, welcher Art sie angehören“, schildert Augsten die Vorgehensweise. Beprobt werde im Zwei-Wochen-Rhythmus. „Die geplante Studie läuft 2021 von Juni bis September, „wenn die meisten erwachsenen Tiere unterwegs sind“.
Los werden möchte man die eingeschleppte Art aber nicht nur, weil sie so lästig ist, sondern auch, weil sie viele Krankheiten übertragen kann. Da Tigermücken Generalisten seien – die zwar am liebsten Menschen und andere Säugetiere stechen, aber auch Vögel, Amphibien und Reptilien als Blutwirte nicht verschmähen – sind sie auch als Brückenvektor für bestimmte Viren gefährlich. So könnten Tigermücken das Dengue-, Chikungunya- und Zika-Virus übertragen. „In diesem Zusammenhang ist es wichtig zu betonen, dass sie das Coronavirus nicht übertragen können“, so Augsten.
Fundorte per Mail durchgeben
Gefährlich mache die Tigermücke auch ihr Saugverhalten: Während die einheimischen Blutsauger einmal stechen und sich satt trinken, hüpfen ihre tropischen Kollegen von einem Opfer zum nächsten. Allerdings müssen laut Augsten schon einige Faktoren zusammenkommen, dass es zu einer Infektion kommt. Zunächst einmal müsste ein Mensch mit einem Virus nach Deutschland kommen, das auch noch im Blut zirkuliert. Dann müsste ihn ausgerechnet eine Asiatische Tigermücke stechen und das Virus verbreiten. Dennoch steige die Wahrscheinlichkeit mit jeder Mücke.
Um den Forschern weitere Daten zu liefern, bittet die Aktionsgemeinschaft, verdächtige sehr aggressive und schwarz-weiß gezeichnete Mücken und den genauen Fundort per E-Mail zu melden. „Sanft erschlagene Exemplare“ würden abgeholt.
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