Heidelberg/Ungstein. „Guten Morgen, Jungs“, ruft Melanie Weigl. Lächelnd stapft sie über die flach abfallende Streuobstwiese am Heidelberger Pferchelhang. Dahinter ragt der Königsstuhl auf. Gleißendes Licht bricht durch die Kronen der Apfelbäume des Hangs, auf dem sie ihre Alpakafarm Hirtenaue aufgebaut hat. Die Farm in Ziegelhausen ist ein Ort, an dem Weigl tut, was sie schon immer tun wollte: anderen Menschen helfen.
Sie bietet Menschen Wanderungen mit ihren zehn Alpakas an, denen eine ausgleichende Wirkung nachgesagt wird. Sie schenkt ihnen eine Auszeit vom Alltag. Die Alpakas erden – und manchmal heilen sie auch. Immer wieder erhält Weigl Anfragen von Menschen, die unter Depressionen leiden, unter Angst- oder Zwangsstörungen. Von Autisten oder Menschen mit chronischen Schmerzen. Nun will sie auch denen helfen, die einsam sind.
Mehr Einsamkeit in der Pandemie
In der Pandemie hat Weigl bemerkt, dass die Menschen immer einsamer wurden. Die, die es ohnehin waren. Und die, die auf einmal alleine da standen. Weil das Virus auch ihre Beziehungen zersetzt hatte. Ab dem Sommer möchte sie deshalb besondere Wanderungen mit ihren Tieren anbieten: Alpaka-Speed-Dating-Touren. „Zwei Menschen führen gemeinsam ein Alpaka – und vielleicht hilft ihnen dieser zwanglose, geschützte Rahmen, sich zu öffnen“, sagt Weigl. Ein Seidenhuhn springt auf ihren Schoß. Sanft legt sie eine Hand auf das Gefieder des Tiers, eins von fünf „Flauschis“, die mit den Alpakas auf der Farm leben.
Kontakt
- Weitere Infos zur Alpakafarm Hirtenaue finden sich unter www.alpakafarm-hirtenaue.de. Die Speed-Dating-Tour dauert insgesamt rund zweieinhalb Stunden und kostet 50 Euro pro Person. Anmeldung und Rückfragen an: mail@alpakafarm-hirtenaue.de
- Wer Interesse an einer Lama- Single-Tour in der Pfalz hat, meldet sich bei Michael Börstler unter Telefon 0152/59 46 90 25. Die Kosten für die Tour betragen 28 Euro, inklusive Brotzeit und Getränk.
- Infos unter: www.lama-wandern.de
Jede Wanderung ist zunächst für fünf männliche und fünf weibliche Teilnehmer konzipiert. Nicht zu vergessen: die fünf Alpakas. „Die Gruppen sind nach Alter gestaffelt“, sagt Weigl. Weibliche Teilnehmerinnen dürfen ein Alpaka wählen, anschließend werden die männlichen Teilnehmer zugelost. Dann startet die Wanderung, nach 20 Minuten soll gewechselt werden. Zurück auf der Farm notieren die Männer und Frauen die Namen der Teilnehmer, die sie gern wiedersehen möchten. Gibt es Übereinstimmungen, leitet Weigl die Kontaktdaten weiter.
Sollte das Angebot gut angenommen werden, plant sie ab Herbst weitere Wanderungen, auch für Menschen mit anderen sexuellen Orientierungen. Bis jetzt haben sich vorwiegend weibliche Teilnehmerinnen bei ihr gemeldet.
Das Seidenhuhn springt auf den Boden. Weigl macht einige Schritte nach vorn, den Blick in die Ferne gerichtet. Die Farm ist ein ruhiger, ein sanfter Ort. Ein Platz, an dem sich viele Menschen beschützt und geborgen fühlen. Seit 2019 wandert sie mit ihren Tieren durch den Wald rund um die Alpakafarm. Weigl hat viel von ihnen gelernt, sagt sie. Mit schwierigen Situationen umzugehen, ruhig zu bleiben. Weil sich die Ruhe der Alpakas auch auf den Menschen übertragt. Und ihre ehrliche Verbundenheit. Diese wünscht Weigl sich auch für die Teilnehmer ihres Speed-Datings.
Ein anderer sonniger Morgen im April. Vier Lamas grasen in Michael Börstlers Garten, zehn weitere Tiere stehen auf ihrer Koppel, wenige Meter entfernt. Michael Börstler lebt seit 15 Jahren mit seiner Lama-Herde im Bad Dürkheimer Stadtteil Ungstein. 14 Tiere, allesamt männlich. Darunter: „Bugatti“, der „Chef“ der Gruppe, sein Sohn „Pasmo“ und das jüngste Tier „Schoko“. Tagein, tagaus wandert Börstler mit den Lamas und Tagestouristen durch die Weinberge, gibt sein Wissen über die Tiere weiter, die von den Wanderern am Halfter geführt werden. Mit einem Augenzwinkern, begleitet von einem schallenden Lachen, einer Pfälzer Vesper – und natürlich Wein.
2007 sind die Lamas, Verwandte des Kamels, bei ihm eingezogen. Weil er wollte, dass seine Kinder mit Tieren aufwachsen und er dabei schnell auf Lamas stieß. „Sie sind freundliche und neugierige Tiere, die ausgleichend auf den Menschen wirken“, sagt er. Wie die Alpakas, nur größer und schwerer. Ihr Fell ist grober. Börstler, der bis dahin Quad-Touren anbot, sattelte um – und wurde zu einem der ersten Anbieter für Lama-Wanderungen in der Region. Er ist mit Gruppen unterwegs, die ihren Junggesellenabschied feiern, wird für Betriebsausflüge gebucht, und von Familien, die mit ihren Kinderwagen hinter der Herde hertraben. Viele weitere Anbieter sind inzwischen dazu gekommen, die mit ihren Tieren durch den Wingert und den Pfälzer Wald ziehen. In Schauernheim oder im südpfälzischen Völkersweiler etwa.
2020 reifte in Börstler der Gedanke, Menschen über die Begegnung mit den Tieren zusammenzubringen. Eine Single-Wanderung, jeden Donnerstagabend, immer um halb sieben. Dann kam die Pandemie und er musste seine Pläne auf Eis legen. Vorerst. Nun möchte Börstler die Idee wieder aufleben lassen. Die ersten Anmeldungen hat er über sein „Single-Telefon“ schon bekommen, allerdings fehlen bislang vor allem männliche Teilnehmer. „Geplant ist, dass jeweils zwei Teilnehmer ein Lama führen und dabei ins Gespräch kommen“, sagt Börstler. Nach einiger Zeit soll gewechselt werden. In der Hoffnung, dass es funkt. Und wenn nicht, sind da immer noch „Bugatti“, „Pasmo“ und „Schoko“.
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