Mode

Farb- und Stilberatung: Wie Kleidung kommuniziert

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Ute Bechtel-Wissenbach
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Rhein-Neckar. Jogginghosen und Wuschelfrisur, das war der Standard-Look im Homeoffice während der Pandemie. Inzwischen geht der Mensch wieder unter Leute, kauft und bestellt Kleidung. Und es erwächst der Wunsch, ein bisschen mehr aus sich zu machen, sich selbst aber treu zu bleiben. So berichtet etwa Birgit Brux von der Abendakademie Mannheim auf Nachfrage, dass in jedem Semester Stilberatungskurse angeboten und gut angenommen würden. Neben den Volkshochschulen in der Region bieten freie Beraterinnen hier ebenfalls Unterstützung.

Der Wunsch kommt immer von innen, meist sind es persönliche Veränderungen, die Menschen zu einer Farb- und Stilberatung motivieren. „Ein Partnerwechsel, berufliche Umorientierung, bisweilen Gewichtszunahme, sind typische Gründe für meine Klientinnen und auch Klienten“, berichtet Ingeborg Behrend-Höhl aus Speyer.

Kleidung schützt und kommuniziert

Unbestritten ist, dass Kleidung eines der wichtigsten sozialen Signale darstellt, die der Mensch aussendet. Sie schützt nicht nur, sie kommuniziert. Was der Mensch trägt, verrät viel über ihn: Geschmack und Vorlieben, aber auch Emotionen und Ambitionen.

„Ich werde bei Gehaltsverhandlungen einfach übergangen und möchte mehr wahrgenommen werden“, offenbarte die Mitarbeiterin eines großen Unternehmens als Ursache für den Wunsch nach Veränderung. Die zierliche Frau war lange in ihrer Business-Uniform aus schwarzem Hosenanzug und weißer Hemdbluse gefangen.

Farb- und Stilberatung

  • Farb- und Stilberater ist ein nicht staatlich geregelter freier Beruf.
  • Es gibt eine Vielzahl an privaten Ausbildungsinstituten. Eine Zertifizierung durch diese Institute ist bis auf die Prüfung auch im Fernstudium möglich.
  • Wer eine Beratung bucht, zahlt diese pauschal oder nach einem Stundensatz. Möglich sind neben dem Coaching ein einmaliger Kleiderschrank-Check mit Tipps zur Verwendung der vorhandenen Garderobe sowie eine Einkaufsbegleitung. Diese kann sich auf Wunsch auch komplett auf Second-Hand-Kleidung konzentrieren.

Eine Farbanalyse zum Einstieg

Ein anderes Mal gab ein Chef seinem Mitarbeiter, der bis dahin mit dem Thema Kleidung eher lässig umgegangen war, und nun Personalverantwortung übernehmen sollte, den Tipp, sich beraten zu lassen. Das Ergebnis war so gut, dass seine Frau später auf rein privater Basis ebenfalls zur Beratung kam.

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Am Beginn der Beratung steht das Einführungsgespräch und der Farbanalyse-Test: Mit Hilfe von Tüchern unterschiedlicher Farben, die an den Hals - ganz nah beim Gesicht - platziert werden, ermittelt man die Farbtöne, die das Gesicht leuchten lassen. Die Basis dafür bietet in der Regel das Farbtypensystem. Danach teilt man die Menschen gemäß Haut-, Haar- und Augenfarbe in Typen ein, die mit unterschiedlichen Farben korrespondieren.

So geht auch Iphigenia Adler aus Ketsch vor. Man arbeitet sich Tuch für Tuch weiter vor und kommt so zu den passenden Farben. Sie bietet wie ihre Kolleginnen auch eine Stilberatung an. Diese bezieht die individuellen Lebensumstände wie Beruf, Freizeit, Geschmack, Vorlieben und die Gesundheit ein. Zusätzlich hat Iphigenia Adler eine spezielle Beratungsleistung für Frauen in den Wechseljahren in ihrem Portfolio. Sie erläutert: „Hormonelle Umstellungen können Körper und Wohlbefinden über Jahre hin extrem beeinflussen und verändern. Ich versuche die Frauen, die in dieser Phase unzufrieden sind, zu begleiten und eine Akzeptanz der Situation im Inneren zu erreichen, denn nur dann kann man sich an äußere Veränderungen wagen.“

Authentisch bleiben

Dass es nicht allein der Stoff ist, der den Menschen macht, weiß Sandra Greeff aus Bensheim. Sie erläutert: „Es geht hier nicht primär um Farbe und Textilien, es geht um den Menschen. Ich optimiere nicht, sondern unterstütze bei der Selbstwerdung.“ Im Zentrum steht für sie die Authentizität: „Wer bin ich und wie kann ich vermitteln, dass mein Äußeres übereinstimmt mit meinem Inneren?“ Dafür versucht auch sie im Gespräch vor der Farbanalyse zu ermitteln, wie der Mensch sich selbst sieht.

Für ihre Beratung greift sie auf ein Schema zurück, das vom Institut ImagoBerlin entwickelt wurde. Es umfasst derzeit mehr als 60 unterschiedliche Stiltypen. Diese umfassen die vier Themen Klassik, Sport, Sinnlichkeit, Natur und eine Vielzahl von Mischformen. Dazu gehört auch der Aspekt der Farben. Sie werden hier nach Temperatur, Lichtwert und Intensität unterschieden. So umfasst Blau ein transparentes Aquamarin ebenso wie ein leuchtendes Lapislazuli. „Erfahrungsgemäß“, so die Beraterin, „setzt sich der individuelle Stil aus mehreren Elementen zusammen“.

Am Ende des Gesprächs und nach dem Ausprobieren vieler unterschiedlicher Tücher entwickelt man gemeinsam einen Look, der stimmig mit dem Menschen ist. Sandra Greeffs Überzeugung deckt sich mit jenen ihrer Kolleginnen: „Ich will und muss niemanden von etwas überzeugen, meine Klientinnen sollen selbst im Spiegel sehen, was zu ihnen passt. Wer zufrieden mit sich ist und dies nach außen vermittelt, erfährt eine Stärkung des Selbstbewusstseins und fühlt sich wohl. Und das hat überhaupt nichts zu tun mit aktuellen Modetrends und auch nichts mit Konfektionsgrößen.“

Freie Autorin

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